Die aktuellen Auswirkungen des russischen Krieges gegen die Ukraine und die Sanktionen gegen spezifische Unternehmen haben direkte Auswirkungen auf das Kreditrisiko, insbesondere bei Unternehmen, die mit Rohstoffen wie Strom und Gas handeln. De-facto führen Sanktionen gegen Unternehmen zu einer Situation, die mit einem Ausfall der entsprechenden Gegenpartei im operativen Risikomanagement zu vergleichen ist. Gleichzeitig bestehen allerdings noch laufende Verträge mit diesen Unternehmen über die Lieferung oder den Bezug von Rohstoffen oder Energie. 

Die beschriebene Situation kann soweit führen, dass beispielsweise für ISDA- oder EFET Verträge eine Beendigung laufender Verträge in Betracht gezogen werden könnte. Hierbei stehen grundsätzlich folgende Möglichkeiten bei den üblichen EFET- und ISDA-Rahmenverträgen zur Verfügung, die einer juristischen Einzelfallprüfung bedürfen:

Vertraglich festgelegte Regelungen (EFET & ISDA Rahmenverträge)

In den allgemeinen Rahmenverträgen der ISDA1 und bei EFET2 Rahmenverträgen werden die Folgen von Sanktionen nicht ausdrücklich geregelt. Die ISDA hat diesbezüglich jedoch bereits 2019 ein White Paper3 veröffentlicht, in dem Handlungsempfehlungen zur Aufnahme von spezifischen Bestimmungen zu Sanktionsfragen in die Verträge gegeben werden. 

Dagegen wird in EFET-Verträgen in den allgemeinen Regelungen bereits festgehalten, dass eine frühzeitige Kündigung des Vertrages aus „wichtigen Gründen“ möglich ist. Hier sollte in Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung geprüft werden, ob Sanktionen, beziehungsweise die Folgen von Sanktionen, unter diese wichtigen Gründe fallen. Spezifiziert werden diese Gründe beispielsweise in EFET2 Paragraf 10, Absatz 5. Auch wird im EFET-Rahmenvertrag festgehalten, dass bei einer Beeinträchtigung des Betriebs eines Gaspipelinesystems durch höhere Gewalt (beispielsweise sogenannter Transportausfall) keine Vertragsverletzung vorliegt. Auch hier ist die Frage, ob Sanktionen in diesem Rahmen unter höhere Gewalt (EFET2 Paragraf 8) fallen könnten. 

Weitere Maßnahmen im Risikomanagement

Neben der grundsätzlichen Frage, ob bestehende Verträge aufgrund von verhängten Sanktionen beendet werden müssen/sollten, ist eine kürzere zeitliche Frequenz der Prüfung von Bonitätsrisiken risikobehafteter Vertragspartner dringend zu empfehlen. Krisen entwickeln sich oftmals sehr dynamisch und die jeweiligen Reaktionen der Staaten sowie internationalen Institutionen treten mit kurzen Vorlaufzeiten ein. Somit ist es essenziell, dass in diesen Zeiten das Risikomanagement alle potenziell risikobehafteten Vertragsparteien identifiziert und für verschiedene Szenarien unmittelbare Handlungsoptionen mit dem Vorstand abgestimmt hat. Sprichwort: „Man baut seine Zelte nicht im Sturm auf, sondern davor!“ Auch ist es notwendig für die risikobehafteten Vertragspartner ein eventuell sogar tägliches Monitoring des Kreditrisikos vorzunehmen und zu prüfen, ob zukünftige Verträge mit risikobehafteten Unternehmen die Maßnahme von Vorkasse-Vereinbarungen oder anderweitiger Sicherheiten bedürfen.

Für Energieversorger ist es des Weiteren ratsam, das Risiko aus Beschaffung und Absatz für eine ungeplanten Aufnahme von Neukunden ökonomisch zu kalkulieren, sollte aufgrund von Insolvenzen eine größere Anzahl an Kunden in die Grundversorgung des Energieversorgers übernommen werden müssen. 

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 119, März 2022
Autoren:
Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Mangement, KPMG AG
Edmund Menge, Senior Manager, Finance and Treasury Mangement, KPMG AG 

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1 ISDA-Legal-Guidelines-for-Smart-Derivatives-Contracts-IRDs.pdf
2 EFET_Gas.pdf
3 ISDA-Whitepaper-Economic-Sanctions-Programs-Derivatives.pdf