Das aktuelle SWIFT Update vom November 2021 zeigt: Die Digitalisierung des Garantiemanagements war eines der Fokusthemen der SWIFT-Organisation und es wird eine weitere Entwicklung hin zu Standardisierung der Abwicklung von Prozessen im Garantiebereich in den nächsten Jahren erwartet. Vor allem die erweiterte Strukturierung der relevanten Message Types hat dies deutlich gemacht. Insbesondere der Message Type MT760, welcher sich von Freitextfeldern hin zu klar definierten Datenelementen entwickelte, die von Banken leichter zu prozessieren sind, ist hier hervorzuheben.

Dies ist keine komplett neue Beobachtung, denn viele, insbesondere international tätige Unternehmen, erkennen die Vorzüge der Möglichkeiten, die ein digitalisiertes Garantiemanagement bietet. Die Covid-19 Pandemie war, wie so oft, nicht Ursache, aber definitiv Katalysator dieser Entwicklung, denn nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Banken selbst mussten feststellen, dass ihre bisherigen operativen Prozesse (zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit Korrespondenzbanken zur indirekten Erstellung von Garantiedokumenten im Ausland) in dieser Situation oft von zu vielen Brüchen gekennzeichnet sind, um auch in solch einer Ausnahmesituation eine effiziente Abwicklung zu gewährleisten. 

Wo liegen die Felder im Garantiemanagement, die von einer erhöhten Automatisierung und elektronischer Verarbeitung profitieren würden bzw. wo liegen die Pain Points im traditionellen Vorgehen in der Zusammenarbeit zwischen Antragsteller und Aussteller der Garantie?

Der Garantiemanagement-Prozess

Der Prozess ist bisher häufig geprägt von vielen manuellen Tätigkeiten, die stetige Absprachen und Koordination zwischen allen Stakeholdern erfordern. Der Beantragungsprozess wird oft durch eine Tochtergesellschaft angestoßen und erfordert Unterschriften mehrerer unterschriftsberechtigter Personen auf einem physischen Beantragungsformular. Dieses unterscheidet sich regelmäßig von Bankpartner zu Bankpartner und erschwert deshalb die Standardisierung. Der Abstimmungsbedarf zwischen beantragender Gesellschaft, Treasury/Trade Finance Abteilung sowie Finanzinstitut findet vielfach über Telefon bzw. Mails statt und ist dementsprechend arbeits- und zeitintensiv. Nicht zu unterschätzen ist auch der Dokumentationsaufwand, der mit diesem Vorgehen einhergeht, um einerseits den Status im Workflow bis zur Ausstellung als auch verschiedene Nebenabsprachen mit den beteiligten Parteien nachvollziehbar und prüfungssicher zu dokumentieren. Die Versendung des durch die Bank bzw. Korrespondenzbank unterschriebenen Garantiedokuments erfolgt dann per Post/Kurier. Mit der Erstellung ist der Prozess jedoch nicht abgeschlossen. Änderungen/Verlängerungen und schlussendlich die Ausbuchung führen häufig ebenso zu aufwändigem Abstimmungsbedarf.

Wie können moderne Lösungen für das Garantiemanagement diesen Prozess effizienter machen?

Insbesondere Unternehmen, die 1) eine große Menge an Garantien zu verarbeiten haben und 2) mit vielen Gesellschaften in verschiedenen Ländern tätig und wo dementsprechend zahlreiche verschiedene Mitarbeitende beteiligt sind, geben sich mit dem oben beschriebenen Prozess nicht zufrieden. Diesen Markt haben seit einigen Jahren diverse Anbieter von Garantiemanagementsystemen erkannt und bieten den Kunden ihre Lösungen an. Der Mehrwert äußert sich in verschiedenen Aspekten:

Automatisierung
Garantiemanagementsysteme ermöglichen die Steuerung von Workflows, zum Beispiel aus Risikogesichtspunkten, wohingegen im manuellen Prozess jede Beantragung und Verarbeitung nach gleichem Muster erfolgt. So kann beispielsweise im System für verschiedene Kriterien des Antrags (zum Beispiel Verwendung des Bankenstandards im Garantiedokument, Höhe des Garantiebetrags, Garantieart) durch die Gesellschaft hinterlegt werden, ob und wie viele Treasury-Mitarbeitende den Vorgang vor Beantragung bei der Bank prüfen müssen. Die Mitarbeitenden können sich so auf die vom Standard abweichenden oder mit höherem Risiko behafteten Fälle konzentrieren, was eine Zeitersparnis mit sich bringt. Ebenso können Bankpartner durch vorher festgelegte Zuordnungen automatisch im Antrag erfasst werden, was wiederum manuelle Arbeitsschritte reduziert. Eine Kreditlimitprüfung, zum Beispiel wenn eine kritische Schwelle der Auslastung überschritten wird, kann ebenso automatisch im Workflow implementiert werden.

Workflow Kontrolle
Nicht nur für Auditoren, sondern auch für die Treasury-Leitung ist die Transparenz über die Berechtigungen im Garantiebeantragungsprozess, sowie deren Dokumentation zentral. In einem System lässt sich dies über Berechtigungen und Rollen adäquat abbilden sowie Zutritte und Austritte transparent managen. Außerdem werden alle Tätigkeiten in einem Audit Log erfasst und sind somit einfach und objektiv im System überprüfbar, ohne händisch abgezeichnete Protokolle vorlegen zu müssen. Eine Verringerung des operationellen Risikos durch stetige Überwachung und weniger manuelle Tätigkeiten geht damit ebenso einher. Zusätzlich können automatische Mails an Mitarbeiter-(gruppen) generiert werden, wenn es zum Beispiel Wechsel im Status des Garantieantrags gibt.

Bankenkommunikation und Anbindung
Einige Banken nutzen mittlerweile Plattformen, auf denen Kunden Garantien beantragen können. Dies ist sicher eine Erleichterung für manche Unternehmen, im beschriebenen Fall mit vielen verschiedenen Banken ist jedoch ein zentraler Kanal, der mit allen Partnern besteht, die effizientere Lösung (Multibankfähigkeit). Anstatt sich bei verschiedenen Bankenportalen anmelden zu müssen, wird der Antrag im Garantiemanagementsystem erstellt und per SWIFT und FileAct an das ausstellende Institut übersendet. Im Optimalfall erkennen alle Banken ein Standardformat an, ansonsten bietet sich die Möglichkeit pro Institut individuelle Formulare anzulegen und durch die eingegebenen Werte des Antrags befüllen zu lassen. Sollte die Bank die für die Garantieverarbeitung notwendigen SWIFT-Nachrichtenformate (7xx) nicht unterstützen, können die Banken einen Zugang zum Garantiemanagementsystem erhalten und somit direkt im System die Bearbeitung vornehmen. Mailketten sollen so der Vergangenheit angehören, die gesamte Kommunikation erfolgt im Optimalfall volldigitalisiert.

Informationskonsolidierung und Reporting
Das mühsame Zusammentragen von Informationen in Excel für das Accounting oder das Management kann durch per Mausklick generierte standardisierte oder auch kundenindividuelle Reports in verschiedenen Formaten ersetzt werden. Man hat grundsätzlich 24/7 Zugang zum Status jeder einzelnen Garantie sowie auch zum Gesamtbestand und kann die entsprechenden Daten jederzeit ad hoc auswerten. Zusätzlich kann das System diese Reports zu vordefinierten Zeitpunkten an gewünschte Empfänger per Mail verschicken. Alle relevanten Garantiedokumente inklusive der Dokumentation der SWIFT-Nachrichten können selbstverständlich in der entsprechenden Transaktion gespeichert werden und stehen somit durchgängig zur Verfügung. Die Möglichkeit der Kommentierung direkt an der Transaktion führt zu deutlich weniger Rückfragen und unterstützt das Ziel der Single Source of Truth.

Garantiegebühren
Die Überprüfung der Abrechnung von Garantiegebühren und entsprechenden Weiterbelastung an die operativen Einheiten stellt ohne ein adäquates Tool eine zeitraubende Aufgabe dar. Garantiemanagementsysteme können aufgrund der hinterlegten Kosteninformationen pro Bankpartner die Gebühren berechnen und zum Beispiel diese pro Garantie für einen definierten Zeitraum (wie zum Beispiel das vergangene Quartal) per Report liefern. Im nächsten Schritt können die per SWIFT eingehenden Gebührenbescheide mit den berechneten Werten verglichen werden, um die Abrechnung zu überprüfen.

ToDos und Ausblick

Was ist unserer Erfahrung nach bei der Einführung eines Garantiemanagementsystems zu beachten?

  • Es empfiehlt sich, eine detaillierte Anforderungsanalyse sowie Workshops mit mehreren Anbietern durchzuführen, um die für das jeweilige Unternehmen bestmögliche Lösung zu erreichen
  • Sobald Prozesse grundlegend verändert und digitalisiert werden, ist eine frühzeitige Einbindung aller Stakeholder, insbesondere der IT, der User und der Wirtschaftsprüfer selbstverständlich ein absolutes Muss. Nicht selten verzögert sich der Abschluss von Projekten beachtlich aufgrund spät auftretender Probleme, die durch frühzeitige Abstimmung verhindert werden könnten. 
  • Eine frühzeitige Abstimmung der internen IT Compliance Anforderungen für SaaS Lösungen mit dem ausgewählten Provider ist ebenfalls zu empfehlen
  • Die SWIFT-Anbindung (Host to Host, SWIFT Service Bureau) sollte frühzeitig implementiert und ausreichend Zeit für das Testen mit den Bankpartnern eingeplant werden
  • Die Migration der Bestandsgarantien und die damit einhergehende Sicherstellung der jederzeitigen Bearbeitbarkeit erfordert gründliche Planung

Es ist Bewegung im Markt und auch Banken erkennen, dass Investitionen in Digitalisierung sich lohnen. In einer ICC Global Survey Umfrage aus dem Jahr 2020 sagten 83% der globalen Banken, dass sie eine Digitalisierungsstrategie im Trade Finance verfolgen. 34% stellten in Aussicht, in den nächsten 2-5 Jahren in technologische Lösungen zu investieren. Potenzial ist nicht nur in der Abwicklung von Garantieprozessen vorhanden, sondern auch in der Erstellung von digitalen Garantien entweder zum Versand per Mail – wobei einige Versicherungsunternehmen den Banken schon einen Schritt voraus sind – oder beim digitalen Abruf auf vollintegrierten Plattformen. Hier bringen sich bereits erste Anbieter in Stellung. Es bleibt spannend zu sehen, in welchen Bereichen die Entwicklung Fahrt aufnehmen wird. 

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 119, März 2022
Autoren: 
Nils Bothe, Partner, Finance and Treasury Management, KPMG AG
Tobias Riehle, Manager, Finance and Treasury Management, KPMG AG