Krisen wie die Covid-19 Pandemie und der Russische Angriff auf die Ukraine führen zu allererst zu schlimmsten menschlichen Schicksalen, die uns alle betroffen machen. Für die Treasury Community bedeuten diese Krisen darüber hinaus, sich fortwährend ändernden ökonomischen Rahmenbedingungen in den Kernaufgaben der Liquiditätssicherung, Absicherung von Marktpreisrisiken, Berücksichtigung von dynamischen Sanktionsregimes und der Beobachtung von Kontrahentenausfallrisiken zu wappnen. 

So erscheint es wenig überraschend, dass CFOs der Rolle des Treasurers eine erhöhte Bedeutung beimessen, bedingt durch volatile Fremdwährungsmärkte, dem Bedarf einer erhöhten Lieferkettenresilienz1, gestiegenen Rohstoffpreisen und einem in absehbarer Zeit strikterem Zinsregime der Europäischen Zentralbank (EZB)2. In diesen Themenbereichen, die nichts weniger als die finanzielle Zukunftssicherheit eines Unternehmens signifikant tangieren, erwarten CFOs strategische Antworten seitens ihrer Treasurer. 

Treasurer und CFOs gehen eine engere Partnerschaft ein

Ein im September 2021 veröffentlichter Bericht der HSBC mit dem Titel "Rethinking Treasury: Der Weg in die Zukunft"3 stellt fest, dass die Herausforderungen der Pandemie weltweit zu einer viel stärkeren Zusammenarbeit zwischen CFOs und Treasurern geführt haben.

Laut der HSBC-Umfrage gaben mehr als 50% der CFOs großer Unternehmen an, dass ihr Treasurer eine Schlüsselrolle bei strategischen Entscheidungen spielt, während dieser Anteil bei kleineren Unternehmen bei 28% liegt. Allem voran spielen Treasurer bei der Festlegung von Wachstumsstrategien eine größere Rolle, gleichzeitig führen sie ein noch strengeres Risikomanagement in ihren Organisationen ein. 

Der HSBC-Umfrage zufolge erkennen die CFOs an, dass Treasurer einen Platz am strategischen Tisch verdient haben und erwarten, dass sie bei Entscheidungen auf Führungsebene beratend tätig werden. Mehr als 78% der befragten CFOs in der EMEA-Region gaben an, dass sie Treasurer als Teil der C-Suite betrachten. 60% der befragten CFOs größerer Unternehmen gaben an, dass Treasurer die Verantwortung für Digitalisierungsprojekte für Finanzdaten und -prozesse übernehmen.

In der gesamten EMEA-Region gaben darüber hinaus 56% der befragten CFOs an, dass ihre Finanzabteilungen die Strategieentwicklung im Zusammenhang mit Unternehmensfusionen und -übernahmen umfassend unterstützen, und zwar nicht nur mit Daten und Analysen, sondern auch mit Beratung. Die M&A Reise unterstützen Treasurer hierbei durch Ihren Zugriff auf eine Reihe von Datenquellen für Prognosen und Cashflows, die beispielsweise für die Berechnung von Rating-Kapazitäten und in der Wahl der optimalen Finanzierungsmethoden eine nützliche Grundlage darstellen. Darüber hinaus verfügen Treasury-Abteilungen über Teams, die versiert mit der IT-Architektur navigieren und in der Datenanalyse vorgehen, um die notwendige Unterstützung zu gewährleisten. Diese Expertise fließt ein, wenn in den Bereichen Unternehmensentwicklung und Strategie Diskussionen über M&A und Kapitalallokation im großen Rahmen geführt werden und das Treasury die wahrscheinlichen Folgen der verschiedenen Handlungsoptionen mit Zahlen untermauert und Implikationen aufzeigt.

Wie können sich Treasurer auf die Herausforderungen vorbereiten?

Ein Erfolgsfaktor, um in einer der oben beschriebenen Situationen dynamisch reagieren zu können ist, die Harmonisierung und Standardisierung weiter voranzutreiben.

Es erscheint zunächst abgedroschen, jedoch zeigt sich die Bedeutung der Digitalisierung von Treasury-Abteilungen gerade in Krisenzeiten: Es bedarf automatisierter, digitalisierter Prozesse, damit sich die Mitarbeiter auf die für das Unternehmen wesentlichen Inhalte konzentrieren können. Zeiten in denen beispielsweise das Treasury Accounting und andere Teilbereiche durch langwieriges Exception-Handling Zeit in Anspruch nehmen, sollten auf das möglichste Maß minimiert werden. 

Szenario-basiertes Arbeiten

Liquidität und Liquiditätstransparenz werden ganz oben auf der Tagesordnung stehen, wenn die wirtschaftliche Gesamtlage weiterhin herausfordernd bleibt und die Kosten aufgrund der verschiedenen globalen Lieferketten- und Energieprobleme steigen. Die Zinssätze sind in aller Munde, da ein Anstieg wahrscheinlich ist, was dazu führen könnte, dass Unternehmen mit höherem Fremdkapitalanteil eine Umstrukturierung oder Refinanzierung zu einem ungünstigen Zeitpunkt vornehmen müssen. 

Daten stehen bei der Bewältigung dieser Szenarien im Vordergrund. Daraus folgt eine konstant hohe Nachfrage nach analytischen Anwendungen und Anwendern. Dies ist seit einigen Jahren ein zunehmender Trend, der auf die Automatisierung der eher transaktionalen Aspekte des Treasury zurückzuführen ist und die Anforderung an das Treasury, strategisch, vorausschauend und proaktiv zu handeln, wird sich noch verstärken.

Ermöglicht wird dies durch stringente und harmonisierte Datenflüsse, die wiederum auf einer in sich geschlossenen IT-Architektur basiert.

IT-Landschaft modernisieren

Eine IT-Landschaft, die auf diese Dynamik ausgerichtet ist, zeichnet sich unter anderem durch standardisierte Prozessabläufe, geringe manuelle Eingriffe beim Reporting und nicht zuletzt durch ein integriertes Stammdatenmanagement aus. Dadurch kann gewährleistet werden, dass das Treasury zu spezifischen Anfragen auskunftsfähig ist – beispielsweise die Frage nach einem potenziellen Covenant Breach im Falle einer Veränderung eines Rohstoffpreisanstiegs bei gleichzeitigem Absatzrückgang und erhöhten Ausfallrisiken in zu definierenden Ausprägungskorridoren. Es wird schnell ersichtlich, dass solche Szenarioanalysen nur mit einer integrierten Datenarchitektur (nahtlose Integration des Treasury Management Systems mit der ERP-Landschaft inkl. passenden Reportingsystem) ermöglicht wird.

Frühzeitig das richtige Personal an Bord nehmen

Aus beiden Punkten oben leitet sich der Skill-Bedarf neuer Mitarbeiter ab. Was bedeutet dies nun für das Personalmanagement? Die gestiegene Bedeutung des Schatzmeisters führt zu dem Bedarf von CFOs jemanden zu finden, der sowohl über die technische und transaktionale Kompetenz für diese Rolle verfügt, als auch über die strategische Denkweise und die Fähigkeit, starke Beziehungen zu internen und externen Stakeholdern aufzubauen. Die Treasurer wiederum sollten verstärkt auch außerhalb der klassischen Bildungswege nach neuem Personal suchen und beispielsweise Quereinsteiger aus IT und oder quantitativen Studiengängen an Bord nehmen und sie für die Fachlichkeit des Treasury begeistern, um wertbringende Synergien zwischen den Disziplinen zu realisieren. 

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 119, März 2022
Autoren: 
Börries Többens, Partner, Finance and Treasury Management, KPMG AG
Julian Fisahn, Manager, Finance and Treasury Management, KPMG AG

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1 KPMG Treasury Newsletter 116, „Stärkung der Lieferketten-Resilienz durch das Treasury“.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.03.2022, „EZB will Leitzinsen „schrittweise“ anheben“
3 HSBC Sept. 2021, „Rethinking Treasury: The road ahead”