Bei Kino- und TV-Produktionen kommen häufig Räumlichkeiten, Requisiten und spezielle Technik zum Einsatz, die in der Regel nur für einzelne Filme, Folgen oder sogar nur für wenige Szenen benötigt werden. Diese Ausstattung ist sehr kostenintensiv und wird von Produktionsunternehmen in der Regel für die Dauer der Dreharbeiten angemietet oder gepachtet. In der Vergangenheit gab es immer wieder Fragestellungen zur gewerbesteuerlichen Behandlung dieser Miet- und Pachtaufwendungen. Ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. November 2020 (III R38/17) soll weitere Klarheit schaffen.
Gewerbesteuerliche Behandlung von Miet- und Pachtaufwendungen
Grundsätzlich wird bei der Ermittlung des Gewerbeertrags ein Fünftel der Miet- und Pachtaufwendungen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzugerechnet. Bei der Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern ist es die Hälfte. Voraussetzung: Die Summe übersteigt derzeit 200.000 Euro. Unternehmen müssen also ihre Miet- und Pachtaufwendungen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzurechnen, wenn diese für die Benutzung von Wirtschaftsgütern gezahlt werden, die - wenn sie im Eigentum des Mieters oder Pächters stünden - dessen Anlagevermögen zuzurechnen wären (sog. „fiktives Anlagevermögen“).
Unstrittig ist demzufolge, dass Miet- und Pachtaufwendungen beispielsweise für Büroräume, die zur dauerhaften Nutzung angemietet werden, nach § 8 Nr.1 GewStG gewerbesteuerlich hinzuzurechnen sind.
Besonderheit bei Produktionsunternehmen der Filmindustrie
Für Filmproduktionen werden in der Regel Räumlichkeiten und Gegenstände nur für eine kurzfristige Nutzung angemietet. Daher gibt es hier Besonderheiten.
Miet- und Pachtaufwendungen für Wirtschaftsgüter, die für die Filmproduktion angemietet wurden, können gemäß § 255 Abs. 2 HGB als Einzelkosten oder als angemessene Teile der Gemeinkosten die Herstellungskosten erhöhen. Daher stellt sich grundsätzlich die Frage, ob eine Aktivierungspflicht besteht. Da es sich bei der Produktion von Filmen um die Herstellung von immateriellen Wirtschaftsgütern handelt, besteht nach § 5 Abs. 2 EStG steuerlich jedoch ein Aktivierungsverbot. Die Aufwendungen mindern folglich den steuerlichen Gewinn und wären grundsätzlich gemäß § 8 Nr.1 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzuzurechnen.
Es war aber in der Vergangenheit immer wieder strittig, ob die von Produktionsunternehmen angemieteten Wirtschaftsgüter tatsächlich dem fiktiven Anlagevermögen zuzurechnen sind und somit die Voraussetzungen des § 8 Nr.1 GewStG im Grundsatz erfüllt sind.
Klage vor dem Bundesfinanzhof
In einem Streitfall, der vor dem BFH verhandelt wurde, hatte eine Filmproduktionsfirma dagegen geklagt, dass für die Beurteilung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung die angemieteten Wirtschaftsgüter zum fiktiven Anlagevermögen zugeordnet wurden. Gleichzeitig wurde vorgebracht, dass die gewerbesteuerliche Hinzurechnung gleichheitswidrig sei. Der Grund: Unternehmen, die immaterielle Wirtschaftsgüter herstellen, unterlägen durch das Aktivierungsverbot nach § 5 Abs. 2 EStG einer höheren Gewerbesteuerbelastung als Unternehmen, die mit der Herstellung von materiellen Wirtschaftsgütern nicht unter das Aktivierungsverbot fielen.
Mit dem Urteil vom 12. November 2020 (III R 38/17) verneint der BFH die Verfassungswidrigkeit von Hinzurechnungen von Miet- und Pachtaufwendungen, die zur Herstellung immaterieller Wirtschaftsgüter verwendet werden. Begründung: Die zum Bilanzstichtag zu aktivierenden materiellen Wirtschaftsgüter führen zu einem höheren Gewerbeertrag als die Herstellung eines immateriellen Wirtschaftsgutes, für das ein steuerliches Aktivierungsverbot gelte. Bei negativem Gewerbeertrag in Folgejahren führen Abschreibungen für Abnutzung der aktivierten materiellen Wirtschaftsgüter jedoch nicht zwingend zu einer entsprechenden Minderung der Gewerbesteuer. Zudem seien nur ein Fünftel bzw. die Hälfte der nicht aktivierten Miet- und Pachtaufwendung gewerbesteuerlich hinzuzurechnen.
Der BFH führt damit aus, dass das Aktivierungsverbot sogar zu einer Benachteiligung von Herstellern materieller Wirtschaftsgüter führen kann.
Zudem stellt der BFH klar, dass auch die kurzfristig angemieteten Räumlichkeiten sowie Gegenstände im Rahmen von Filmproduktionen fiktives Anlagevermögen darstellen könnten. Auch die Anmietung für wenige Tage oder Stunden sei für die Zuordnung grundsätzlich nicht schädlich. Die Dauerhaftigkeit des Einsatzes der Wirtschaftsgüter läge folglich auch bei sehr kurzfristiger Anmietung vor. Die Voraussetzung für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung wäre insoweit erfüllt.
Jedoch legt der BFH auch dar, dass die Zuordnung zum fiktiven Anlagevermögen in Abhängigkeit von der Zweckbestimmung im Betrieb zu erfolgen hat. Gemeint ist damit die Einordnung der Verwendung des angemieteten Wirtschaftsgutes. Fiktives Anlagevermögen liegt somit vor, wenn die Verwendung des Wirtschaftsgutes als Produktionsmittel erfolgt, wogegen die Verwendung als zu veräußerndes Produkt für die Zuordnung zum fiktiven Umlaufvermögen spricht.
Die Voraussetzung für die Zuordnung zum fiktiven Anlagevermögen ist nicht erfüllt, wenn die gemieteten Wirtschaftsgüter nicht ständig für den Gebrauch in dem Betrieb vorgehalten werden müssten, sondern die Nutzung nur in Zusammenhang mit einem konkreten Produkt erfolgt.
Die Zuordnung zum fiktiven Anlage- oder Umlaufvermögen sollte entsprechend des Urteils also danach beurteilt werden, ob die zeitlich befristet angemieteten Wirtschaftsgüter zur dauerhaften Herstellung neuer Produkte dienen oder ob die Nutzung nur auf die Dauer der Filmproduktion beschränkt ist. Gemäß dem Urteil kann ein Kriterium zur Abgrenzbarkeit sein, ob das Wirtschaftsgut zur Erzeugung von Leistungen und Produkten eingesetzt wird oder ob es Bestandteil des selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsgutes ist.
Bedeutung für die Praxis
Die in der Filmbranche gängige Praxis des Anmietens von Räumlichkeiten, Technik oder Requisiten für den Zeitraum der Filmproduktion sollte im Hinblick auf mögliche gewerbesteuerliche Hinzurechnungen genauestens untersucht und differenziert werden.
Es empfiehlt sich daher, für die tatsächliche Zuordnung der angemieteten Wirtschaftsgüter den Geschäftsgegenstand und die tatsächliche Verwendung zu analysieren und dabei die mögliche Verwendbarkeit der Wirtschaftsgüter einzeln zu betrachten.
Im Konkreten kann das Urteil bedeuten, dass Miet- und Pachtaufwendungen für die Wirtschaftsgüter, die für den Zeitraum der Filmproduktion angemietet werden, gewerbesteuerlich nur hinzuzurechnen sind, wenn diese dem betrieblichen Gebrauch auf Dauer dienlich sein könnten. Das wären beispielsweise technische Ausstattungen, die grundsätzlich auch bei der Produktion anderer Filme eingesetzt werden könnten. Die Miete für Filmlocations, die aufgrund ihrer Einzigartigkeit nur einmal in einem einzelnen Film gezeigt werden, können nach Auffassung des BFH für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung ausscheiden.
Im Hinblick auf das Urteil ist es empfehlenswert, eine hinreichend ausführliche Dokumentation über die Dauer sowie die Verwendung der angemieteten Wirtschaftsgüter zu führen.
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Katja Keller
Director, Tax
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft