Papier spielt in Verwaltungsvorgängen weiterhin eine große Rolle - zu Recht?
Der durchschnittliche monatliche Posteingang einer großen Bundesbehörde kann mehr als 1 Mio. Blatt Papier umfassen. Die folgende Grafik macht deutlich, welche Ressourcen für die Herstellung dieser Menge an Papier verbraucht werden:
John Eisenhauer
Senior Manager, Consulting
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Noch beeindruckender ist die Zahl von mehr als 170 Mio. Blatt an Bestandsakten - allein in einer ausgewählten Behörde.
Diese Beispiele verdeutlichen das Einsparpotenzial für Papier, Archivierungskosten und Lagerkapazität und vermitteln zugleich eine Vorstellung von den Effekten gerade auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit des Verwaltungshandelns, die mit einer Umstellung auf das papierlose Büro verbunden sind. Dabei geht es sowohl um die Einsparung von Haushaltsmitteln als auch von Ressourcen - Rohstoffe und Energie sowie Büro- und Lagerflächen.
Nachdem im ersten Teil dieser Artikelserie die Rolle von innovativen Scan-Lösungen betrachtet wurde, zeigte der zweite Teil konkrete Erfahrungen und Handlungsempfehlungen auf. Daran anknüpfend betrachten wir in dieser Folge ausgewählte Dos and Don´ts. Neben der Verdeutlichung von Änderungen der Ablauforganisation in den Poststellen wird zudem auf den Aufbau und die Integration von neuen Organisationselementen eingegangen, wobei im Besonderen die Clearingstelle und eine adäquate Betriebsstruktur im Fokus stehen. Diese Themen bilden den Rahmen für einen weiteren wesentlichen Punkt eines Digitalisierungsprojekts: das Veränderungsmanagement.
Drei Themen sind wesentlich für den Erfolg bei der Einführung einer externen Scanlösung und alle drei werden in der Praxis oft unterschätzt.
1. Das Veränderungsmanagement
Die Einführung einer externen Scanlösung zur Digitalisierung von Papierschriftgut ist kein rein technisches Projekt. Arbeitsprozesse verändern sich, teilweise kommen neue Organisationselemente hinzu (siehe unten in den Punkten 2. und 3.). Gerade aus diesem Grund darf nicht vergessen werden, ein ausreichend dimensioniertes Veränderungsmanagement aufzubauen. Veränderungsmanagement ist hierbei kein reines Element der „Projektkommunikation“. Vielmehr ist es die Hauptaufgabe des Veränderungsmanagements, die Mitarbeitenden zunächst für die neuen Aufgaben durch adäquate Schulungen zu befähigen und ihnen die Sorgen zu nehmen, die mit der Veränderung lang eingefahrener Prozesse und Strukturen verbunden sind. Beides wird entscheidend die Akzeptanz des Digitalisierungsprojekts erhöhen.
Oftmals ist festzustellen, dass zwar an ein Veränderungsmanagement im Rahmen des Projekts gedacht wird, teilweise unter Einbeziehen von entsprechenden Stabsstellen, jedoch zu wenige interne Mitarbeitende für diese wichtige Aufgabe zur Verfügung stehen. Die Etablierung von „Multiplikatoren“, die zuerst geschult werden, auch um Kolleg:innen später hilfreich zur Seite zu stehen, hat sich bewährt.
Tipp: Hierbei nicht nur auf Berater verlassen - zumindest die Umsetzung sollte im Wesentlichen von Mitarbeiter:innen der eigenen Organisation durchgeführt werden.
2. Die Konzeption und der Aufbau einer Clearingstelle
Bei einer externen Scanlösung wird auf Seite der Scananbieter meist eine künstliche Intelligenz zum Auslesen von Metadaten und zur Dokumentenidentifizierung genutzt. Es wird beispielsweise festgestellt, um was für ein Dokument es sich handelt und zu welchem Verwaltungsvorgang das Dokument gehört. Diese Daten werden mit dem digitalen Schriftgut dem Bedarfsträger übermittelt, der dann ein automatisches Routing zum richtigen Sachbearbeitenden in das richtige Zielsystem durchführen kann. Hierbei entstehen durchaus Fehler. Beispielsweise können Dokumente nicht identifiziert oder Metadaten nicht korrekt ausgelesen werden. Die Gründe hierfür sind vielfältig und wurden bereits in Folge 2 der Artikelserie dargestellt.
Was also passiert mit den Dokumenten, die nicht automatisch in ihr Zielsystem geleitet werden können? Diese werden der Clearingstelle zugeleitet, in der Mitarbeiter:innen mit Zugriff auf verschiedene Datenbanken diese Irrläufer „manuell“ bearbeiten und sicherstellen, dass die fehlgeleiteten Dokumente das verantwortliche Zielsystem erreichen.
Der Aufbau der Clearingstelle muss frühzeitig gestartet werden. Es gilt den Personalbedarf, die notwendige Software- und Hardwareausstattung und den erforderlichen Raumbedarf zu definieren und entsprechend zu beschaffen. Grundsätzlich sollte eine umfangreiche Pilotierung der externen Scanlösung erst durchgeführt werden, wenn die Clearingstelle einsatzbereit ist.
Tipp: Bei der Konzeption nicht nur an das Scannen denken, sondern auch prüfen, ob weitere Digitalisierungsvorhaben eine Clearingstelle benötigen und frühzeitig mit der Konzeption beginnen. Nicht nur die Personalbeschaffung braucht Zeit, auch Hardware ist in Pandemiezeiten häufig ein knappes Gut.
3. Die Konzeption und der Aufbau einer Betriebsstruktur
Zum erfolgreichen Abschluss des Aufbaus einer Scanlösung gehört die Überführung in den Regelbetrieb.
Aufgaben, die im Rahmen der Betriebsstruktur umgesetzt werden müssen, sind beispielsweise die Steuerung erforderlicher Anpassungen der Scanlösung, die Kommunikation mit den Scandienstleistern, die Anpassung und Optimierung der Lösung, die Qualitätssicherung oder auch das Lieferantenmanagement.
Regelmäßig werden in Zusammenarbeit mit den Scandienstleistern konkrete Rollen definiert, die auf der Seite des Bedarfsträgers vorzuhalten sind und die ein wesentlicher Bestandteil der Betriebsorganisation sein können.
Tipp: Frühzeitig mit der Konzeption beginnen und die konkreten Aufgaben definieren. Die personelle Ausstattung der Betriebsstruktur muss rechtzeitig erfolgen: Nicht vergessen die entsprechenden Stellen frühzeitig zu beschreiben, im Budget zu verankern und auszuschreiben.
Die Poststelle:
Die Umsetzung einer externen Scanlösung hat Auswirkungen auf die Arbeitsprozesse der Poststelle, macht diese jedoch nicht überflüssig, selbst wenn die Organisation die Einrichtung von Großempfänger-Postleitzahlen plant. Scan-Dienstleister sind Teil der Posteingangsorganisation, genau wie die klassische Poststelle.
Eine bisher vorgenommene Sortierung, beispielsweise nach einzelnen Sachbearbeitenden, ist nicht mehr in gleichem Umfang notwendig. Dennoch bleibt die Postsortierung ein wesentlicher Bestandteil der Aufgabe einer Poststelle - nur eben nach anderen Kriterien. Die Sortierlisten Blue-List, Yellow-List und Black-List wurden bereits in Teil 2 dieser Artikelreihe beschrieben. Neben dieser Sortierlogik muss in einem nächsten Schritt die Post zur Abholung und für den Transport in das Scanzentrum vorbereitet werden. Wie dies im Einzelnen geschieht, welche Verpackungsmaterialien und Plomben zum Beispiel genutzt werden, ist ein Bestandteil des Scanprojekts. Hierfür gilt es sicherzustellen, dass jederzeit genügend Verpackungsmaterialien und auch die zur Verpackung notwendigen räumlichen sowie personellen Kapazitäten verfügbar sind.
Tipp: Es kann wesentliche Effizienzgewinne hervorrufen, wenn beispielsweise eine Großempfänger-Postleitzahl eingerichtet wird. Hierbei kommen entsprechende Poststücke nicht in der Poststelle der Liegenschaft, sondern direkt im Scanzentrum an. Eine Dokumentanalyse mit entsprechender Mengenerhebung schafft Klarheit darüber, welche Postsendungen sich besonders für eine solche Vorgehensweise eignen und welche über den klassischen Weg der hauseigenen Poststelle gehen sollten.
Die bisherigen Folgen der Artikelreihe „Verwaltung 4.0 - die Zukunft des Papierdokuments“ haben einen groben Überblick gegeben und einige konkrete Dos and Don`ts aufgezeigt, die bei der Implementierung einer externen Scanlösung zu beachten sind. KPMG begleitet Verwaltungen und auch andere Organisationen sowie Unternehmen bei der Implementierung von maßgeschneiderten Scanlösungen und der damit verbundenen organisatorischen und personellen Prozesse. Sprechen Sie uns an.