Highlights:

  • Die EU sieht regulatorischen Bedarf in der Schifffahrt zum Erreichen der gesetzten Klimaziele im Rahmen des Green Deals.

  • Eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit sind die globale Verfügbarkeit von CO2-neutralen Kraftstoffen sowie die Schaffung von entsprechender Infrastruktur. Damit der Wandel gelingt, sollten die Schifffahrt und die Häfen eng zusammenarbeiten.

  • In der Zukunft wird mehr Strom über Offshore-Windkraftwerke bezogen werden. Das bietet Potenziale für eine grünere Schifffahrt und eine CO2-Reduktion während der Liegezeiten.

Auch in der Schifffahrtsbranche gewinnt das Thema ESG immer mehr an Bedeutung, vor allem durch die steigende Nachfrage nach mehr Transparenz, Klimaschutz und verantwortungsvoller Führung. Die Finanzierung durch Banken und Investoren ist für die Schifffahrt essenziell und Investoren legen großen Wert auf ESG-Kriterien und durchsichtige Prozesse ihrer Kunden.

Wie kann die Schifffahrt dauerhaft ihre CO2-Emissionen reduzieren und stärker auf alternative Kraftstoffe setzen? Eine CO2-Steuer bietet hier eine mögliche Lösung, auch über Wasserstoff als Kraftstoffalternative wird diskutiert. Nun wollen wir uns der Frage widmen, was im Rahmen von ESG außerdem nötig ist, um die gesetzten Ziele des European Green Deals und der International Maritime Organisation zu erreichen. Werfen wir einen Blick auf Technologien, die das Potenzial bieten, die Branche nachhaltig zu verändern.

 

Der European Green Deal

Der European Green Deal (EGD) wurde im Dezember 2019 von der Europäischen Kommission vorgestellt. Ziel ist es, Europas Netto-Emissionen von Treibhausgasen bis 2050 durch gesetzte Klima- und Energieziele auf null zu reduzieren und klimaneutral zu werden. Das heißt, die Emissionen sollen bis 2030 gegenüber 1990 um mindestens 55 Prozent reduziert werden. Teil davon ist auch der Seeverkehr, welcher 2018 einen Anteil von etwa elf Prozent der weltweiten CO2-Emissionen des Transportwesens ausmachte. Laut Einschätzungen verschiedener Expertinnen und Experten könnten die Emissionen der Schifffahrt bei unveränderten Rahmenbedingungen weiterhin deutlich ansteigen.

Europaweite Verfügbarkeit von Landstromanschlüssen erforderlich

Eine der größten Herausforderungen ist derzeit die Verfügbarkeit von CO2-neutralen Kraftstoffen und Energiequellen. Ein Schlüsselfaktor ist hier der Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe. Schifffahrt und Häfen sind dabei miteinander verknüpft und voneinander abhängig. 

In europäischen Häfen werden mit stetigem Ausbau Technologien wie Onshore Power Supply (OPS) genutzt. Dadurch können Schiffe von Land aus mit Strom versorgt werden, sodass die aktuellen Stromerzeuger des Bordnetzes, wie z.B. Dieselgeneratoren, abgeschaltet werden können. Dies ist sowohl für kurze als auch längere Liegezeiten umweltfreundlicher. 

Es gibt zwei Arten von OPS-Systemen: Unterschieden wird zwischen öffentlicher Stromnetzanbindung und unabhängiger Energieerzeugung. Im Hamburger Hafen wird eine unabhängige „LNG-Hybrid-Barge“ betrieben, welche in der Lage ist, mittels Flüssiggas Energie in Blockheizkraftmotoren und Generatoren zu erzeugen. Bis 2022 sollen im Hamburger Hafen rund 76 Millionen Euro in zehn weitere Landstromanschlüsse investiert werden.

Landstromversorgung wird zunehmen

In China gibt es bereits eine hohe Verfügbarkeit von Landstromanschlüssen. Dort gilt eine Landstrompflicht während der Liegezeiten für Kreuzfahrtschiffe und ab 2022 auch für Containerschiffe. Eine solche Pflicht wird es nach EU-Regularien, ab 2025 voraussichtlich auch in Deutschland geben. Bis 2023 wird die Bundesregierung 176 Millionen Euro an Fördermitteln für die Landstromversorgung deutscher Häfen zur Verfügung stellen, was ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Emissionsverringerung ist. 

Die Herausforderung liegt in Deutschland bisher noch im Zugang zu Landstrom und bei den Preisen für die Schiffe, da die Onshore-Stromversorgung zwar umweltfreundlicher ist, jedoch teurer als die Produktion mit Dieselgeneratoren. Um die Nutzung von Landstrom zu fördern, werden sowohl staatlich regulatorische Maßnahmen ergriffen als auch spezielle Angebote (zum Beispiel Rabatte) in den Häfen geschaffen. Um aber eine wirkliche Nutzung von Landstrom sicherzustellen, muss das Angebot noch attraktiver gestaltet werden - durch Senken der Preise und einer zeitlich absehbaren europaweiten Verfügbarkeit der Landstromanschlüsse.

Intelligente Häfen

Nicht zuletzt spielt die Nutzung neuer Technologien zur Verbesserung der Mobilität in den Häfen eine bedeutsame Rolle, um den maritimen Sektor maßgeblich nachhaltiger zu gestalten. Dazu hat die EU-Kommission eine Reihe von Maßnahmen für eine nachhaltigere und intelligentere Mobilität der „Green Ports“ festgelegt. Ein Wandel der Häfen hin zur Nachhaltigkeit gelingt dabei über künstliche Intelligenz (KI), die zum Beispiel nützlich ist, um LKW oder Schiffsanläufe effizient zu koordinieren. Dabei lernen Algorithmen aus historischen Daten, welche Ankunftsrate und Abfertigungsdauer in welcher Situation zu erwarten ist. Außerdem können auf Basis von KI-Prognoseverfahren, Container effizienter bereitgestellt und beschädigte Container durch Bilderkennung schneller identifiziert werden. Aufgrund hoher Datenmengen im maritimen Sektor und der zunehmenden Möglichkeit, durch das Internet of Things (IoT) Daten zu generieren, wird KI in Zukunft dabei helfen, die Abläufe der Häfen zu optimieren und nachhaltig voranzutreiben.

Ausblick - offshore Power Supply

Offshore-Windkraft wird von der internationalen Energieagentur als eine der wichtigsten Stromquellen in der Zukunft gesehen. Größe und Technologie von Windrädern entwickeln sich exponentiell, während die Kosten in den letzten zehn Jahren um mehr als 60 Prozent gesunken sind. Die neuen Megaturbinen haben einen Rotordurchmesser von bis zu 220 Metern mit einer Leistung von 15 Megawatt (MW). Mit gut einem Dutzend dieser Turbinen ließe sich eine Großstadt wie Mainz versorgen. Es wird ein schnelles Marktwachstum prognostiziert. Grund dafür ist der zunehmende weltweite Bedarf an grünem Strom, der unter anderem auch benötigt wird, um grünen Wasserstoff herzustellen. Der Vorteil gegenüber Windrädern an Land: Mehr Wind und freie Fläche auf den Meeren. Die EU-Kommission hat es sich deswegen als Ziel gesetzt, bis 2050 in Nord- und Ostsee sowie im Atlantik und im Mittelmeer Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 300 Gigawatt (GW) zu installieren.

Denkbar ist, dass Offshore-Windkraftwerke zukünftig als Ladestationen für kompatible Schiffe fungieren. An ersten Prototypen wird bereits gearbeitet, beispielsweise an einer Ladeboje, die in der Lage ist, batteriebetriebene oder hybridelektrische Schiffe mit grünem Strom zu versorgen. Dabei dockt das Schiff an der Boje an, stellt die Motoren ab und wird über ein Kabel geladen. Die Boje bezieht ihrem Strom aus den umliegenden Windkraftwerken. Im gesamten Prozess werden keine Emissionen verursacht, womit die Technologie ein erhebliches Potenzial bietet, einen positiven Beitrag zur CO2-Reduktion zu leisten.

Die Branche im Wandel

Die zunehmende politische Regulatorik stellt die Schifffahrtsbranche vor neue Aufgaben. Um diese zu bewältigen, gilt es, Strategien zur Eindämmung der Auswirkungen einer CO2-Steuer zu entwickeln, sich mit der Nutzung alternativer Kraftstoffe auseinanderzusetzen und Infrastrukturen durch die Nutzung grüner Technologien auszubauen. Damit das gelingt, sollten Schifffahrt und Häfen zusammenarbeiten und Lösungen entwickeln, um ganzheitlich aufgestellt zu sein.