Nicht erst seit der jüngsten Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow haben sich führende Industrienationen zur mehr oder weniger schnellen Klimaneutralität bekannt.1 Auch wenn wesentliche Akteure mit dem Jahr 2050 oder gar 2070 deutlich hinter den zentralen Zielsetzungen von 2030 zurückbleiben, bekommt eine klimaneutrale Wirtschaft besonders in Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika eine zunehmend politische, aber auch gesellschaftliche Relevanz.

Um das sogenannte 1,5° Ziel als wesentliche Marke auf dem Weg in eine Klimaneutralität zu erreichen, wird insbesondere der Energiesektor als Schlüsselindustrie für die Transformation ausgemacht.2 Doch geht mit dem Postulat für eine klimaneutrale Energieerzeugung unweigerlich auch eine Veränderung in den Abläufen aller Wirtschaftszweige einher, da mindestens die Quelle der benötigten Energie nachhaltigem Wandel unterliegt. Deutlich wird dieses unter anderem an Initiativen wie RE1003, in welchen sich hunderte Unternehmen weltweit auf eine 100%ige Nutzung von Elektrizität aus erneuerbaren Quellen verpflichtet haben. 

Ergebnis dieser Transformation der Wirtschaft ist bereits heute ein deutlich gestiegener Bedarf nach verlässlichem Grünstrom, welcher Unternehmen in die Lage versetzt die gesetzten Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund erfreuen sich sogenannte Green Power Purchase Agreements (kurz Green PPA) zunehmender Beliebtheit. Bei einem solchen Green PPA erwirbt ein Unternehmen neben dem Strom aus Wind-, Wasser- oder Solarkraft auch die entsprechenden Grünstromzertifikate. Gegenwärtig sind Green PPA wenig standardisiert und werden zwischen Anlagenbetreibern und Unternehmen individuell verhandelt. Daher sind unterschiedlichste Ausgestaltungsformen von rein finanziellen Transaktionen, quasi Differenzgeschäfte für den Strom mit gleichzeitiger Lieferung der Grünstromzertifikate, bis hin zu klassischen physischen Beschaffungsgeschäften am Erzeugungsstandort zu finden. Für die grundsätzliche Methodik und einen umfassenderen Überblick zu Green PPA sei an dieser Stelle etwa auf die KPMG - Studie - Neuer Wind durch Power Purchase Agreements  aus dem Jahr 2018 verwiesen.

Mit Blick auf die Heterogenität und Individualität der meisten Green PPA wird deutlich, dass diese nicht nur einen recht großen Verhandlungsaufwand bedingen, sondern auch unterschiedlichste Auswirkungen auf die Berücksichtigung in der externen Rechnungslegung haben. Die Spannbreite der Bilanzierung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) umfasst hier insbesondere 

  • Leasing nach IFRS 16
    Sofern ein PPA als Lease zu klassifizieren ist, muss der Abnehmer der Erzeugung eine Leasingverbindlichkeit für die künftigen Leasingzahlungen sowie ein sogennanter „right-of-use asset“ für die zugrundeliegende künftige Erzeugung bilanzieren. Während der Leasinglaufzeit sind dann die Leasingzahlungen sowie Zinsen und Abschreibungen zu erfassen. Zinsen und Abschreibungen führen zu Erfolgswirkungen.
  • Derivative Finanzinstrumente nach IFRS 9
    Handelt es sich bei dem PPA nicht um Leasing, liegt häufig ein Finanzinstrument vor. Dabei erfüllen PPA regelmäßig die Definition eines derivativen Finanzinstruments gemäß IFRS 9, sie unterliegen nämlich der Wertentwicklung von einem Underlying (hier: Preis für Strom- und Emissionszertifikate), verlangen häufig keine oder nur eine geringe Anfangszahlung und ihre Erfüllung liegt in der Zukunft. Konsequenz einer Bilanzierung als derivatives Finanzinstrument kann die sofortige ergebniswirksame Erfassung von Änderungen des beizulegenden Zeitwertes in der Gewinn- und Verlustrechnung der jeweiligen Periode sein. Verbunden mit entsprechendem Dokumentationsaufwand besteht für Bilanzierende die Möglichkeit Hedge Accounting nach IFRS 9 anzuwenden, um einen entsprechenden Accounting-Mismatch zwischen der heutigen Beschaffung zum beizulegenden Zeitwert und dem bislang bilanzunwirksamen, künftigen Energiebedarf aufzulösen. 
  • Schwebender Vertrag
    Wird das PPA physisch erfüllt und sind sämtlich die Kriterien der sogenannten „own use exemption“ nach IFRS 9.2.4 erfüllt, kommt alternativ noch eine Behandlung als schwebender Vertrag in Betracht. Bei diesem, meist von Bilanzierenden bevorzugten Fall, erfolgt grundsätzlich auch für das Derivat ebenso wie für den künftigen Energiebedarf vor Erfüllung keine bilanzielle Erfassung. Passivierungspflichtig und aufwandswirksam bleiben allerdings drohende Verluste nach IAS 37, die über eine reine Veränderung der Preise für Strom und Emissionszertifikate hinausgehen können.
  • Eingebettete Derivate
    Bei PPA, welche als Leasing oder schwebender Vertrag eingestuft wurden, ist zudem zu überprüfen ob gegebenenfalls eingebettete, trennungspflichte Derivate vorliegen, welche nach IFRS 9.4.3 getrennt vom Basisvertrag zu erfassen sind und somit zu weiterer Komplexität in der externen Berichterstattung führen. 

In Summe wird deutlich, dass die vertragliche Ausgestaltung von Green PPA erheblichen Einfluss auf das Periodenergebnis von Unternehmen haben kann.

Mit dem eingangs erwähnten zunehmenden Bedarf nach Grünstrom, wächst auch der Markt für PPA. Dabei wird bereits heute ersichtlich, dass neue Lösungen gefragt sind, um Erzeugung und Bedarf energetisch sowie vertraglich aufeinander abzustimmen. Eine Energieerzeugung an einem Standort und Abnahme in einer völlig anderen Regelzone etwa, stellt nämlich nicht nur Anforderungen an die Netze, sondern auch an eine kluge vertragliche Ausgestaltung. Anderenfalls kann trotz einer intendierten physischen Abnahme schnell ein bilanziell unzulässiger Rückverkauf mit ungewollten bilanziellen Folgen resultieren. Auch mit Blick auf das Ziel von PPA eine verlässliche Beschaffung aus volatilen Energieträgern zu erreichen, stellen sich immer wieder Probleme hinsichtlich der korrekten bilanziellen Abbildung.

Bis sich in Zukunft voraussichtlich Standardhandelsprodukte auch für Green PPA herausgebildet haben werden, ist es entsprechend wichtig bei der Ausgestaltung von Green PPA auch diesen Aspekt in Vertragsverhandlungen hinreichend zu berücksichtigen und frühzeitig die mögliche Bilanzierung der Verträge zu analysieren. Anderenfalls sind ungewollte Überraschungen in der externen Berichterstattung bei der Transformation hin zu einer Green Economy faktisch vorprogrammiert.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 116, November 2021
Autoren: Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Management, KPMG AG; Robert Abendroth, Wirtschaftsprüfer, Senior Manager, Finance and Treasury Management, KPMG AG

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1 https://ukcop26.org/cop26-goals/mitigation/ 
2 https://ukcop26.org/energy/ 
3 https://www.there100.org/