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In unserem nächsten Beitrag zu „EAM für den öffentlichen Sektor“ möchten wir einige Berührungspunkte zwischen Enterprise Architecture Management (EAM) und Cloud Computing (kurz: Cloud) vorstellen. Der Einsatz von Cloud-Technologien im öffentlichen Sektor ist mit umfassenden und komplexen Herausforderungen und Auswirkungen verbunden und hat Überschneidungen mit allen zuvor in dieser Artikelreihe diskutierten Themen: Cloud-Technologien unterstützen die Bereitstellung von Prozessen im Rahmen der OZG-Umsetzung, ermöglichen die Umsetzung agiler Prinzipien und spielen eine wichtige Rolle im Rahmen der Konsolidierung von IT-Anwendungs- und -Systemlandschaften.

Cloud im öffentlichen Sektor

Unter Cloud Computing wird die Ausgliederung von IT-Ressourcen verstanden. Somit können Dienste und Funktionalität in den Bereichen Anwendungen, Plattformen und IT-Infrastruktur durch externe Partner an eine die Cloud-Technologien nutzende Organisation bereitgestellt werden. 

Der „Gang in die Cloud“ kann für Organisationen im öffentlichen Sektor, insbesondere im Kontext ihrer Digitalisierungsbemühungen, eine Reihe von Mehrwerten bieten:

Über Cloud-Umgebungen können Plattformen für eine niedrigschwellige Entwicklung von Anwendungen und Diensten bereitgestellt und deren Nachnutzung erleichtert werden. Ein breites Portfolio an Anwendungsfunktionalität zur optimalen Unterstützung der Prozesse der öffentlichen Verwaltung kann via Cloud zur Verfügung gestellt werden. Hierdurch wird eine effektivere Arbeitsweise gefördert und die benötigten Ressourcen für die Bereitstellung und den Betrieb von Software werden reduziert. Die Umsetzung agiler Prinzipien und kollaborativer, oftmals virtueller Arbeit wird durch Cloudtechnologien unterstützt. Eine flexible Anpassung und Skalierung verschiedener IT-Ressourcen auf sich ändernde Anforderungen und Rahmenbedingungen wird zu geringeren Kosten und unter besserer Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten ermöglicht. Durch die Bündelung und Zentralisierung von Anwendungen, Plattform- und Infrastrukturdiensten können der Einsatz einheitlicher Standards verbessert und Aspekte des Datenschutzes und der IT-Sicherheit gezielt adressiert werden. 

Um eine Cloud-Initiative zum Erfolg zu führen, müssen technische Herausforderungen gelöst, aber auch wichtige geschäftsbezogene und rechtliche Fragestellungen geklärt werden.

EAM und Cloud-Technologien

EAM zielt auf die Verwaltung der gesamten Unternehmensarchitektur, wobei diese üblicherweise in inhaltlich abgegrenzte Ebenen eingeteilt wird (siehe das bereits in vorherigen Beiträgen eingeführte Ebenenmodell). Ähnlich dazu ist auch eine Cloud-Einführung ganzheitlich zu betrachten und kein rein technologieorientiertes Projekt einer IT-Abteilung. Vielmehr können sämtliche Ebenen der Unternehmensarchitektur durch die Nutzung von Cloud-Technologien beeinflusst werden:

Auf der Ebene der Geschäftsarchitektur stellen die Ziele und Strategien Eingangsgrößen für die Cloud-Strategie dar. Die Geschäftsprozesse und geschäftlichen Rahmenbedingungen, zum Beispiel gesetzliche Vorgaben, liefern wichtige Entscheidungskriterien für die Wahl der passenden Servicemodelle (als Software-as-a-Service, Platform-as-a-Service, Infrastructure-as-a-Service) und für eine adäquate Bereitstellung der Cloud (als Public, Private, Hybrid oder Community Cloud). Eine starke Orientierung an den Geschäftszielen und dem Geschäftszweck sowie ein Fokus auf die Befriedigung der Bedürfnisse von Bürgerinnen und Bürgern sprechen für einen hohen Reifegrad der Cloud-Initiative einer Organisation  - im Gegensatz zu einer starken IT-Zentrierung und reiner Ausrichtung auf Kosten- und Betriebsaspekte.

Die Ebene der Applikations- und Informationsarchitektur schafft die notwendige Transparenz für die Entscheidung über die Auslagerung von Anwendungsfunktionalität und Daten in die Cloud. Die Planung, welche Applikationen und Datentöpfe in die Cloud ausgelagert werden können und sollen, setzt zunächst einen Überblick über deren Bestand voraus. Diese scheinbare Selbstverständlichkeit ist in der Praxis des öffentlichen Sektors nicht selten ein Problem, da viele Abteilungen und Referate und erst recht ganze Behörden keine aktuelle und vollständige Dokumentation ihrer Anwendungs- und Datenlandschaft vorliegen haben, wie dies durch EAM sichergestellt werden würde.

Mit Hilfe der Ebene der Technologiearchitektur können die Komponenten der IT-Infrastruktur, die für ein Outsourcing in die Cloud vorgesehen sind, identifiziert und festgelegt werden. Dies umfasst Ressourcen wie Speicher, Rechenkapazität und Netzwerke, die die Grundlage für die Fähigkeit zur Bereitstellung von Infrastruktur- und Plattformdiensten bilden und ganz oder teilweise in die Cloud verlegt werden können. Die nahtlose Integration von verbleibenden Legacy-Systemen mit den ausgelagerten Infrastruktur- und Plattformdiensten kann durch EAM auf Architekturebene geplant und in der Umsetzung gesteuert werden.

EAM liefert somit über alle Architekturebenen hinweg ein Werkzeug, um von einer bestehenden Ist-Architektur zu einer Soll-Architektur für die Cloud-Initiative zu gelangen. Diese Soll-Architektur kann als Grundlage für die Cloud-Migration und die mittel- und langfristige Entwicklung der Cloud genutzt werden. 

Weiterhin kann EAM dazu beitragen, eine sogenannte Multi-Cloud-Architektur aufzubauen. Dies bedeutet, dass Anwendungen, Dienste und Daten in verschiedene Cloud-Umgebungen mit gegebenenfalls unterschiedlichen Service- und Bereitstellungsmodellen ausgelagert werden, um Abhängigkeiten von Anbietern und dadurch entstehende Lock-In-Effekte zu vermeiden sowie die digitale Unabhängigkeit sicherzustellen. EAM stellt in diesem Zusammenhang ein Analyse- und Steuerungsinstrumentarium zu Verfügung, mit dem Standards festgelegt und eine entsprechend hohe Kompatibilität sichergestellt werden können.

Der Prozess der dafür nötigen Weiterentwicklung der Architektur, die dazu relevanten Aktivitäten, die zu beteiligenden Stakeholder sowie die anzuwendenden Methodiken sind Kernbestandteile von EAM. Orientiert sich das EAM der Organisation beispielsweise an den Vorgaben von TOGAF (The Open Group Architecture Framework), kann die Architekturentwicklungsmethode (ADM) genutzt werden, um ganzheitlich eine Cloud-Initiative zu planen und umzusetzen.

Cloud profitiert von EAM - und umgekehrt

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Einführung sowie das Management der Cloud von EAM profitieren können: Auf allen Architekturebenen helfen die durch EAM geschaffene Transparenz und Steuerbarkeit der Unternehmensarchitektur dabei, eine Cloud-Lösung, die der Aufgabenerfüllung der Behörde dient und die spezifischen Rahmenbedingungen des öffentlichen Sektors berücksichtigt, zu konzipieren, einzuführen und zu nutzen.

Auch umgekehrt können die Unternehmensarchitektur und die EAM-Funktion selbst vom Thema Cloud profitieren: durch klare Verantwortlichkeiten, erhöhte Flexibilität, die Ablösung komplexer, historisch gewachsener Strukturen von Legacy-Systemen sowie die Motivation, im Zuge der Outsourcing-Entscheidung ein genaues Bild über die tatsächliche Prozess-, Applikations- und Systemlandschaft zu gewinnen.

 

Mitautor des Beitrags ist Martin Czerwick, Consulting, Public Sector, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft