Viele Treasury Abteilungen beschäftigen sich mit der Umsetzung von digitalen Use Cases und der damit einhergehenden Automatisierung operativer Prozesse. Im Rahmen des finanziellen Risikomanagements steht die Automatisierung des Fremdwährungsmanagements als Use Case sehr weit oben auf der Agenda. Bei der Konzeption einer Vollautomatisierung des operativen FX Management Prozesses begegnet man regelmäßig dem Balanceakt, die Sicherungsstrategie mit der Systemlandschaft sowie der Internationalität der Unternehmung in Einklang zu bringen. Die Treasury Management Systeme nehmen hier als Herzstück eine prominente Rolle ein. Multi Trading Plattformen hingegen sind nur für die externe Durchführung und den Abschluss von Trades verantwortlich.
Dieser Artikel befasst sich mit den wesentlichen Abschnitten im Prozess und den damit einhergehenden Stolpersteinen, welche man bereits in der Konzeption identifizieren und gezielt umschiffen sollte.
Prozessabschnitt 1: Transfer von Exposure Daten aus Vorsystemen
Die Grundlage für den Start im Prozess bildet der Transfer, die Verarbeitung und Darstellung von Exposure Daten aus diversen Vorsystemen in das Treasury Management System. In Abhängigkeit der Exposure Art variieren hier jedoch die Datenquellen. Balance Sheet Exposure wird in der Regel durch die Extraktion aus dem bilanzierendem ERP System erfasst, zum Beispiel bei SAP spielen hier neben den Tabellen SKA1 (Kontenplan), SKB1 (Sachkontenstamm) auch die T001 (Gesellschaften) eine prominente Rolle. Die vollständige und richtige Erfassung aller relevanten Konten ist hierbei eine größere Herausforderung. Für die automatisierte Erfassung von geplantem sowie kontrahiertem Exposure gibt es viele kundenspezifische Tools, welche kontrahierte Projekte und geplante Umsätze dokumentieren. Die Exposure Daten aus den ERP Systemen sind aufgrund des Umstands, dass diese bereits gebucht sind, belastbare Quellen. Für das kontrahierte und geplante Exposure ist die Belastbarkeit jedoch detailliert zu prüfen und das Thema Datenqualität rückt in den Fokus. Sind die Daten hinreichend präzise, dass man das Exposure automatisiert sichern kann? Des Weiteren haben Corporates in der Praxis noch Kontrollinstanzen eingebaut, um für Gesellschaften auf Exposures aufmerksam zu machen, die beispielsweise verglichen mit dem letzten Upload größere Veränderungen aufweisen. Wird hier ein gewisser Schwellenwert überschritten, kommt es zu einer näheren Überprüfung durch einen Mitarbeiter. Somit wird das Exposure vorerst nicht für das Hedging freigegeben. In vordefinierten Rhythmen findet hier der Upload durch Jobs statt und wird in der Regel über sFTP als CSV File transferiert. Sind die Systeme in der Lage über ein Application Programming Interface (API) zu kommunizieren, sollte dies entsprechend präferiert werden. Wichtig ist hierbei, bestimmte Parameter bereits zu berücksichtigen, welche man im Laufe des Prozesses für nachgelagerte Funktionen noch benötigt, wie beispielsweise Business Line oder Projektinformationen.
Prozessabschnitt 2: Erstellung interner Orders basierend auf der Sicherungsstrategie
Ist das Exposure im Treasury Management System verarbeitet und dargestellt, geben generelle Einstellungen im System und erweiterte Stammdaten nun den weiteren Prozessablauf vor. Das System muss schließlich wissen, wie es die entsprechenden Exposure für die jeweilige Gesellschaft und Währung handhaben muss. Zusätzlich zu den Standardparametern sind hier für den voll automatisierten Prozess weitere Parameter zu berücksichtigen. Nachfolgend ein Auszug zu den erweiterten Fragestellungen:
Zu welcher Uhrzeit an welchem Tag läuft der automatisierte Prozess ab? Sind hier unterschiedliche Zeitzonen zu berücksichtigen? Welche Gesellschaft nimmt die erstellten Orders der operativen Gesellschaft auf und handelt diese extern am Markt? Welche Gesellschaften können nicht über die Inhouse Bank Gesellschaft handeln? Auf welche Termine werden die Derivate im Monat gelegt? Soll ein Netting der extern zu handelnder Position stattfinden? Wie soll sich das System verhalten, wenn das Netting sich auf 0 beläuft? Ist Hedge Accounting relevant?
Dieser Auszug der Fragestellungen verdeutlich ansatzweise die Komplexität des Treasury Management Systems zu diesem Prozess zu befähigen.
Prozessabschnitt 3: Integration der Trading Plattform und Übergabe der abgeschlossenen Deals
Nach Prozessierung der internen Order über verschiedene Stages kommt es nun zu der Integration von Multi Trading Plattformen. Die automatisierten Orders sollten, bevor diese auf die Trading Plattform geschickt werden, einem eingebauten Check unterlaufen, welche auf Parameter wie Größe der zu handelnden Nominale prüft, um als „Last Wall of Defence“ potenzielle Fehlkalkulationen noch zu stoppen. Des Weiteren hat sich in diesem Schritt auch eine Prüfung des Counterparty Limit auf automatisierter Basis bewährt. In welcher Höhe man das zu handelnde Nominal auf die bestehende Nutzung der potenziellen Counterparties anrechnet, ist hier eine der Fragestellungen in der Konzeption. Grundsätzlich gibt es zwei Wege die Plattformen in den automatisierten Prozess zu integrieren: Den vergleichsweise klassischen Weg über File Transfer via XML oder den schnellsten Weg über eine fixe Verbindung, also ein API. Ist das Treasury Management System und die Multi Trading Plattform in der Lage, über APIs zu kommunizieren, dann ist dieser Weg zu bevorzugen. Die Interaktion von Upload des Exposures, Order Erstellung, Abschluss auf der Multi Trading Plattform und Rückführung in das Treasury Management System kann damit bei Währungen mit Auto Pricer innerhalb von 30 Sekunden komplett abgewickelt werden. Ist hier in der Konzeption ein ausgeprägt internationales Setup zu berücksichtigen, dann lohnt es sich aufgrund stark regionaler Unterschiede in der Verfügbarkeit durchaus mehrere Multi Trading Plattformen anzuschließen. In der Praxis beobachten wir immer mehr den Trend, dass das Treasury Management System Funktionen der Trading Plattform übernimmt und lediglich die Exekution über die Plattform läuft. Ist diese erfolgt, ist es zielführend, die Übergabe der Trades, basierend auf den ehemaligen Orders im Detail zu orchestrieren und die internen Komponenten und Sichtweisen eindeutig zu erstellen. Hier sind auch Themen wie die automatisierte Berechnung von internen Margen in Basispunkten für viele Corporates relevant.
Die Automatisierung des operativen FX Managements geht mit einer deutlichen Aufwandsreduzierung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Treasury einher. Auf dem Weg zu dieser Vollautomatisierung gibt es jedoch eine Vielzahl von Aspekten und Themen zu berücksichtigen. Diese erstrecken sich vom Abzug des Exposure aus den Vorsystemen über die Erstellung der internen Orders basierend auf der Sicherungsstrategie und die Integration der Trading Plattform. Durch Identifikation und Überwindung der auftretenden Herausforderungen kann die Effizienz des Projektteams signifikant gesteigert werden und die Überführung in den operativen Betrieb sichergestellt werden.
Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 115, Oktober 2021
Autoren: Börries Többens, Partner, Finanz- und Treasury-Mangement, KPMG AG; Mattis Schwind, Manager, Finanz- und Treasury-Mangement, KPMG AG
Börries Többens
Partner, Financial Services, Finanz- und Treasury Management
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft