Allgemein stellen Schuldscheindarlehen eine alternative Möglichkeit der Fremdkapitalaufnahme gegenüber klassischen Bankkrediten dar und haben in den letzten Jahren immer weiter an Bedeutung gewonnen. Die Ausgabevolumina für Schuldscheindarlehen bewegen sich ab einem Bereich von zweistelligen Millionenbeträgen, nicht selten finden sich auch höhere Transaktionsvolumina. Schuldscheindarlehen dienen dabei häufig als zusätzliche Finanzierungsquelle für größere Investitionen oder zur Refinanzierung von bestehenden Fremdkapitalinstrumenten. 

Die traditionelle Ausgestaltung von Schuldscheindarlehen unterscheidet zwischen drei Hauptakteuren: Emittenten (Unternehmen), Arrangeure (Banken, Makler) und Investoren. Üblicherweise beraten die Arrangeure bei der Ausgestaltung des Schuldscheindarlehens die Emittenten und übernehmen im Anschluss die Strukturierung und Vermarktung des Schuldscheindarlehens an die Investoren.1 Die entsprechende Kreditvergabe erfolgt meist direkt zwischen Emittent und Arrangeur und wird im Rahmen eines Kreditvertrags geregelt. Die hierfür vom Arrangeur erbrachten Tätigkeiten werden dem Emittenten entsprechend der jeweiligen Ausgestaltung in Rechnung gestellt. 

Schuldscheindarlehen charakterisieren sich durch eine überschaubare Vorbereitung der Emission sowie den im Vergleich zu anderen Kapitalmarktinstrumenten bei Emission und während der Laufzeit geringen Publizitätsanforderungen. Wesentlicher Unterschied gegenüber Anleihen ist die Voraussetzung einer Mindestbonität des Kreditnehmers. Die individuelle Ausgestaltung ermöglicht allgemein eine hohe Flexibilität der Vertragsparameter (Laufzeit, Emissionsvolumen, Besicherung, etc.) und verbindet die Vorteile der Emission einer vorrangigen Anleihe mit denen der Diskretion eines Bankkredits.2

Dementgegen kann die individuelle Ausgestaltung eine intransparente Kostenstruktur zur Folge haben. Aufgrund dessen wird der weitergehenden Digitalisierung von Schuldscheindarlehen ein erhebliches Potential beigemessen, bei denen vor allem die Strukturierung und Platzierung von Schuldscheindarlehen digital abgebildet werden (können).3 Neben einer zunehmenden Digitalisierung von Schuldscheindarlehen kommt es vermehrt auch zu einer Verknüpfung von Schuldscheindarlehen an gewisse Nachhaltigkeitskennzahlen. Diese sogenannte Green-Finance-Instrumente können beispielsweise die Mittelverwendung ausschließlich auf nachhaltige Projekte beschränken (Green Schuldschein) oder eine Bindung an Nachhaltigkeitskennzahlen vorsehen, wobei die Mittelverwendung jedoch nicht eingeschränkt wird. 

Im Hinblick auf das Finanzrisikomanagement hat eine weitergehende Analyse von Schuldscheindarlehen vor dem Hintergrund der finanzwirtschaftlichen Risiken zu erfolgen. Allgemein lassen sich die finanzwirtschaftlichen Risiken in die folgenden Kategorien eingrenzen: 

  • Marktpreisrisiko: Zins- und Fremdwährungsrisiko,
  • Kreditrisiko und
  • Liquiditätsrisiko.

Die konkreten Risiken sind in Abhängigkeit der jeweiligen Vertragsausgestaltung des Schuldscheindarlehens zu würdigen. Im Hinblick auf das Zinsänderungsrisiko führt eine fixe Verzinsung zu einem Wertänderungsrisiko (Fair Value Risiko), nicht jedoch zu einem Zahlungsstromänderungsrisiko (Cash Flow Risiko). Für ein variabel verzinsliches Schuldscheindarlehen gelten die Ausführungen umgekehrt. Zur Steuerung des Zinsrisikos kann auf die unterschiedlichsten Arten von Sicherungsinstrumenten (beispielsweise Zinsswaps) zurückgegriffen werden, so dass eine unternehmensspezifische Aufteilung in variabel und fest verzinslichen Anteil vorgenommen werden kann. Neben einer rein ökonomischen Absicherung kann ein Schuldscheindarlehen in der Regel auch als Grundgeschäft in einer bilanziellen Sicherungsbeziehung (Hedge Accounting) designiert werden, sofern die entsprechenden Anwendungsvoraussetzungen als erfüllt gelten (vgl. IFRS 9.6.2.1ff.). Sollte ein Schuldscheindarlehen in Fremdwährung denominiert sein, unterliegt dieses einem entsprechenden Fremdwährungsrisiko, welches ebenfalls anhand geeigneter Sicherungsstrategien und -instrumente reduziert bzw. eliminiert werden kann. 

Im Hinblick auf die finanzwirtschaftlichen Risiken ist das Kreditrisiko für Schuldscheindarlehen für den Emittenten von keiner Bedeutung. Das Kreditrisiko spiegelt die Gefahr eines vollständigen oder teilweisen Ausfalls einer Gegenpartei wider. 

Als weiteres finanzwirtschaftliches Risiko für Schuldscheindarlehen ist das Liquiditätsrisiko zu nennen, welches aus einer nicht fristgerechten Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen zum jeweiligen Fälligkeitstermin resultiert. In Abhängigkeit der Vertragsmerkmale ist der zukünftige Mittelabfluss durch Zins- und Tilgungszahlungen entsprechend zu berücksichtigen und zu steuern. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Schuldscheindarlehen keinen freihändischen Rückkauf ermöglichen, so dass die Zahlungsströme bzw. Mittelabflüsse bis zur (End-)Fälligkeit fixiert sind. Korrespondierend dazu kann ein Prolongationsrisiko am Laufzeitende bestehen. Analog zum Zinsrisikomanagement bei Darlehensverträgen und/oder Schuldverschreibungen ist auf eine adäquate Verteilung der Zins- und Tilgungszahlungen zu achten und Risikokonzentrationen von Zinsbindungen sind möglichst zu vermeiden. Im Falle einer endfälligen Tilgung existiert ferner ein Refinanzierungsrisiko, da bei Fälligkeit ausschließlich eine Refinanzierung zu den bei Fälligkeit geltenden Konditionen möglich ist und eine potenziell günstigere zwischenzeitliche Refinanzierung entfällt. 

Neben den allgemeinen finanzwirtschaftlichen Risiken sind auch die spezifischen Risiken in Abhängigkeit von den individuellen Vertragsklauseln eines Schuldscheindarlehens zu würdigen. Schuldscheindarlehensverträge weisen in der Regel außerordentliche Kündigungsrechte seitens der Gläubiger auf, beispielsweise bei drohender Insolvenz oder bei Veräußerung erheblicher Betriebsteile des emittierenden Unternehmens. In Abhängigkeit von der spezifischen Ausgestaltung der Kündigungsrechte kann hieraus sowohl nach den handelsrechtlichen Vorschriften (HGB) als auch nach den internationalen Vorschriften der Rechnungslegung (IFRS) eine mögliche Trennungspflicht eingebetteter Derivate resultieren, mit erheblichen Auswirkungen auf die Bilanzierung. 

Grundsätzlich sind finanzielle Verbindlichkeiten gemäß den IFRS beim erstmaligen Ansatz zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten (vgl. IFRS 9.5.1.1). Im Rahmen der Folgebewertung qualifizieren sich emittierte Schuldscheindarlehen regelmäßig für eine Bilanzierung zu fortgeführten Anschaffungskosten, wobei die geschätzten zukünftigen Ein-/Auszahlungen über die erwartete Restlaufzeit der finanziellen Verbindlichkeit mit dem Effektivzinssatz diskontiert werden (vgl. IFRS 9.4.2.1). In der Berechnung des Effektivzinssatzes sind ebenso direkt zuordenbare Transaktionskosten sowie Agien und Disagien zu berücksichtigen (vgl. IFRS 9. Appendix A). 

Sofern die spezifischen Vertragsparameter eines Schuldscheindarlehens auch die Kriterien für das Vorhandensein eines eingebetteten Derivats bzw. eingebetteter Derivate erfüllen, bedarf es auf Seite des Emittenten einer weitergehenden Prüfung einer Trennungspflicht.4 Trennungspflichtige eingebettete Derivate führen zu einer Beurteilung des gesamten Vertrags als sogenannter hybrider Vertrag (hybrid contract), wobei die rechtlich untrennbare Kombination des Finanzinstruments für die bilanzielle Abbildung in einen nicht-derivativen Basisvertrag (host contract, das heißt Schuldscheindarlehen) und ein derivatives Finanzinstrument (beispielsweise in bestimmten Fällen Kündigungsrechte) aufzuteilen ist. Gemäß IFRS 9.4.3.3 hat eine getrennte Bilanzierung eines eingebetteten Derivats zu erfolgen, wenn:

  1. die wirtschaftlichen Merkmale und Risiken des eingebetteten Derivats nicht eng (not closely related) mit den wirtschaftlichen Merkmalen und Risiken des Basisvertrags verbunden sind,
  2. ein eigenständiges Instrument mit gleichen Merkmalen (wie das eingebettete Derivat) die Definition eines Derivats erfüllen würde und
  3. der hybride Vertrag nicht (gesamthaft) erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet wird.

Insbesondere die Prüfung der Übereinstimmung der wirtschaftlichen Merkmale und Risiken geht mit einer erhöhten Komplexität einher. 

Sofern ein trennungspflichtiges eingebettetes Derivat konstatiert wird, hat der Emittent das eingebettete Derivat (beispielsweise Kündigungsrecht) getrennt vom Basisinstrument (Schuldscheindarlehen) zu bilanzieren und zu bewerten (vgl. IFRS 9.4.3.3).5 Aufgrund der zwingend erfolgswirksamen Folgebilanzierung des eingebetteten Derivats zum beizulegenden Zeitwert kann die jeweilige Neubewertung zum Abschlussstichtag zu erheblichen Auswirkungen in der Gewinn- und Verlustrechnung führen, so dass eingebettete trennungspflichtige Derivate unweigerlich eine erhöhte Volatilität in der Gewinn- und Verlustrechnung zur Folge haben können. 

Insofern ist es bei der Emission von Schuldscheindarlehen geboten, neben einer Berücksichtigung und Einordnung in das finanzielle Risikomanagement ebenso eine entsprechende Vertragsanalyse für das Vorhandensein und/oder Trennungspflicht eingebetteter Derivate vorzunehmen. 

Das Finanz- und Treasury Management Team der KPMG besitzt umfangreiche Expertise bei der Beurteilung von Schuldscheininstrumenten und steht Ihnen gerne für einen Austausch zur Verfügung.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 113, Juli/August 2021
Autoren: Ralph Schilling, Partner, Finanz- und Treasury-Management, KPMG AG; Björn Beckmann, Manager, Finanz- und Treasury Management, KPMG AG

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1 Die Kreditvergabe kann aber auch direkt über die Investoren abgewickelt werden.
2 In den meisten Fällen erfüllt ein Schuldscheindarlehen nicht die notwendigen Eigenschaften eines Finanzinstruments im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) und benötigt keine KWG-spezifischen Genehmigungen. Mangels Klassifizierung als Wertpapier und keinem Börsenhandel entfällt ebenso die Pflicht zur Erstellung eines Emissionsprospektes gemäß EU-Prospekt-Verordnung.
3 Siehe hierzu auch KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 99, März 2020.
4 Das Vorliegen eingebetteter Derivate ist sowohl nach den internationalen Vorschriften der Rechnungslegung wie auch nach den handelsrechtlichen Vorschriften der Rechnungslegung zu überprüfen.
5 Die Prüfung einer möglichen Trennungspflicht eingebetteter Derivate hat ausschließlich bei initialer Erfassung der finanziellen Verbindlichkeit zu erfolgen (vgl. IFRS 9.B4.3.11).