Die ersten Abschlüsse nach IFRS 9 sind nach Einführung des Standards erfolgt. Dieser Artikel fasst die wesentlichen Erkenntnisse aus der Anwendung des Hedge Accounting in Industrieunternehmen zusammen, inwiefern die neuen respektive veränderten Designationsmöglichkeiten zur Anwendung gekommen bzw. genutzt worden sind.

Mit Veröffentlichung der Verordnung (EG) Nr. 2016/2067 vom 22. November 2016 wurde der Standard IFRS 9 für die Anwendung in Europa durch die EU-Kommission übernommen. Der Erstanwendungszeitpunkt in der EU folgte der Vorgabe des IASB, wodurch seit dem 1. Januar 2018 der Standard verpflichtend anzuwenden ist. Eine Besonderheit stellt dabei die Phase 3 des IFRS 9 „Hedge Accounting“ dar. Anwender haben zeitlich befristet die Möglichkeit Hedge Accounting weiterhin nach den Anforderungen des IAS 39 zu bilanzieren. Eine verpflichtende Anwendung der Vorgaben des IFRS 9 besteht wiederum erst dann, sobald das Thema Macro Hedge Accounting vom IASB verabschiedet worden ist. 

Gegenüber dem IAS 39 bestehen im IFRS 9 weitergehende Designationsmöglichkeiten, die zu einer Verbesserung der Abbildung finanzwirtschaftlicher Risikomanagementaktivitäten im externen Rechnungswesen (sog. Hedge Accounting) von Industrieunternehmen führen sollten. Dieser Artikel stellt basierend auf unseren Beobachtungen aus der Praxis dar, inwiefern die folgenden vier Designationsmöglichkeiten Einzug in die Bilanzierungspraxis von Industrieunternehmen gefunden haben:

  • Nettopositionen (group of items)
  • Aggregated Exposure
  • Zeitwerte von Optionen
  • Risikokomponenten

Nettopositionen (group of items)

Gemäß IFRS 9 ist unter speziellen Voraussetzungen die Designation einer Nettorisikoposition möglich. Durch die Möglichkeit der Designation einer Nettoposition nähert sich die Rechnungslegung dem Risikomanagement einer Vielzahl von Unternehmen an, wonach die relevanten Risiken zentral im Treasury erfasst und auf Nettobasis gesteuert und abgesichert werden. Eine wesentliche Voraussetzung ist jedoch, dass die Sicherung der Nettoposition im Einklang mit der Risikomanagementstrategie des Unternehmens steht. Eine Zusammenfassung ausschließlich für Zwecke der Rechnungslegung ist nicht ausreichend. Zudem erfordert die Designation einer Nettoposition die Designation des Gesamtportfolios, aus dem die Nettoposition resultiert. Schwierigkeiten resultieren dabei unter anderem aus der bilanziellen Erfassung der Nettoposition im Sinne des Cashflow-Hedge Accounting, da das damit einhergehende OCI-Recycling auf die Erfolgswirksamkeit eines jeden Grundgeschäftes innerhalb der Nettoposition abstellt, was den Bilanzierenden vor größere praktische Umsetzungsherausforderungen stellt. In der Bilanzierungspraxis von Industrieunternehmen finden sich daher nur relativ selten designierte Nettorisikopositionen im Anwendungsbereich des Hedge Accounting unter IFRS 9.   

Aggregated Exposure

Auch wenn Derivate im Wesentlichen als Sicherungsinstrumente zum Einsatz kommen, so besteht doch nun unter IFRS 9 die Möglichkeit Derivate im Rahmen eines Aggregated Exposure als Grundgeschäfte ins Hedge Accounting einzubinden. So ist die Sicherung aggregierter Risikopositionen (aggregated exposure), die sich aus einer „nicht derivativen“ Risikoposition sowie einem Derivat zusammensetzen, explizit erlaubt. Voraussetzung für die Designation ist, dass durch die Kombination aus Aggregated Exposure und zusätzlichem Sicherungsinstrument eine neue Sicherungswirkung entsteht, die auch so aktiv im Risikomanagement gesteuert wird. So kann beispielsweise eine festverzinsliche Verbindlichkeit in Fremdwährung mit einer Laufzeit von zehn Jahren durch einen CCIRS mit gleicher Laufzeit gesichert worden sein (das Ergebnis ist eine variabel verzinsliche Verbindlichkeit in funktionaler Währung), um sodann auf einer zweiten Stufe für die ersten zwei Jahre mittels eines (Payer-)Zinsswaps gegen das Risiko schwankender Zinszahlungen abgesichert zu werden. Solche oder ähnliche Formen aggregierter Sicherungsbeziehungen können bis dato in der Praxis bei Industrieunternehmen nur selten wahrgenommen werden. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass der Wechsel einer Sicherungsstrategie in Industrieunternehmen in der Regel mit einer Glattstellung und Neuabschluss von Sicherungsgeschäften einhergeht und auch die systemseitige, automatisierte Erfassung einer aggregierten Risikoposition im Hedge Accounting den Bilanzierenden vor Herausforderungen stellt.

Zeitwerte von Optionen

Neuerungen brachte der IFRS 9 darüber hinaus für die bis dato für viele Anwender unbefriedigende Lösung zur Erfassung des Zeitwertes (Time Value) von als Sicherungsinstrumenten designierten Optionen mit sich. Bislang führte sowohl die Designation einer Option in ihrer Gesamtheit als auch die ausschließliche Designation des inneren Werts dazu, dass sich die Schwankungen des Zeitwertes in der Gewinn- und Verlustrechnung niederschlagen. Nunmehr dürfen die kumulierten Wertänderungen des Zeitwertes der Option über das Sonstige Ergebnis als „Cost of Hedging“ erfasst werden. Quantitative Analysen zeigen, dass sich die Designation von Optionen im Hedge Accounting durch die neuen Regelungen des IFRS 9 nicht signifikant verändert hat. Vielmehr wurde das vorherige Niveau beibehalten. 

Risikokomponenten

Während der IAS 39 bei der Sicherung von finanziellen Posten wesentlich mehr Flexibilität als bei der Sicherung nicht-finanzieller Posten ermöglichte (entweder ausschließlich sämtliche Risiken oder nur das Fremdwährungsrisiko zu designieren), gelten gemäß IFRS 9 einheitliche Anforderungen für finanzielle und nicht-finanzielle Posten. Dabei muss eine abzusichernde Risikokomponente separat identifizierbar und die auf die gesicherte Risikokomponente entfallende Wertänderung verlässlich bewertbar sein. Das IASB nennt hierzu beispielhaft die Sicherung der Gasöl-Komponente eines langfristigen Erdgasliefervertrags. Diese ist im benannten Beispiel vertraglich spezifiziert und die gesicherte Risikokomponente damit separat identifizier- und bewertbar. Dieses Beispiel lässt sich auf weitere nicht-finanzielle Posten übertragen, was zu einer Erleichterung im Rohstoffpreis-Risikomanagement führen sollte. Es lässt sich am Markt erkennen, dass diese neue Möglichkeit von den bilanzierenden Industrieunternehmen angenommen worden ist. Unsere Beobachtungen zeigen, dass die Industrieunternehmen die spezifische Designationsmöglichkeit nutzen, um Ineffektivitäten in den Sicherungsbeziehungen zu vermeiden und wirksam Hedge Accounting anzuwenden. 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass basierend auf unseren Beobachtungen aus der Praxis die neuen Designationsmöglichkeiten des IFRS 9 nur eingeschränkt von den Unternehmen genutzt werden. Während die Designation einer Nettoposition, eines Aggregated Exposure oder die Möglichkeit, Zeitwertänderungen von Optionen erfolgsneutral über das OCI zu buchen, nur wenig Veränderungen in der Bilanzierungspraxis hervorgerufen haben, konnte eine Zunahme an Hedge Accounting-Beziehungen durch die Nutzung der Komponenten-Designation identifiziert werden. Unter dem Strich zeigt sich jedoch, dass der Markt die Neuerungen bei der Designation von Hedge Accounting-Beziehungen nur eingeschränkt nutzt und nur vereinzelt für sich als Vorteil oder Vereinfachung identifiziert hat. Dies könnte gegebenenfalls auch der Grund dafür sein, dass eine nicht unwesentliche Anzahl an Unternehmen Hedge Accounting weiterhin nach den Vorgaben des IAS 39 bilanzieren und demnach noch nicht auf den IFRS 9 umgestellt haben.  

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 112, Juni 2021
Autoren: Ralph Schilling, Partner, Finanz- und Treasury-Management, KPMG AG; Dr. Christoph Lippert, Senior Manager, Finanz- und Treasury Management, KPMG AG