Lange verhandelt und seit diesem Jahr Realität: Der Brexit hat die Handelsgrundlagen mit Großbritannien grundlegend verändert. Unsere Umfrage zeigt, was das für Unternehmen in der Praxis bedeutet.

Viele deutsche und britische Unternehmen haben die negativen Folgen des Brexits unterschätzt. In unserer mit der British Chamber of Commerce in Germany (BCCG) durchgeführten Umfrage gaben zwei Drittel an, die realen Auswirkungen des Brexit seien negativer, als noch zu Jahresanfang gedacht.

Mehr als drei Viertel (77 Prozent) aller befragten Unternehmen berichten von Schwierigkeiten beim Warenverkehr von Großbritannien nach Deutschland. 45 Prozent bezeichnen dies sogar als große Herausforderung. Die umgekehrte Handelsroute, der Export deutscher Waren nach Großbritannien bzw. der Import deutscher Waren nach Großbritannien, sehen ebenfalls 72 Prozent der befragten Unternehmen als eine Herausforderung.

Lieferketten umgestellt wegen Brexit

Einige haben die neuen Regeln zu drastischen Konsequenzen veranlasst: 17 % der befragten Unternehmen haben den Außenhandel mit Großbritannien gleich ganz eingestellt. 22 % wollen zu Zulieferern aus anderen Ländern wechseln und weitere 13 % ersetzen den Import durch lokale Lieferanten.

Durch den Brexit sinkt der Umsatz der befragten Unternehmen. Im ersten Quartal haben die Hälfte der Unternehmen weniger verkauft als im Vorjahreszeitraum. Ein Umsatzwachstum verzeichneten nur wenige (13 %) und auch nur in geringerem Ausmaß.

Verwaltungsaufwand belastet

„Die signifikanten Ertragseinbußen resultieren in erster Linie aus zusätzlichen Verwaltungskosten, Zöllen und Abgaben sowie höheren Transportkosten“, erläutert Andreas Glunz, unser Bereichsvorstand International Business. „Wegen der komplexen Regularien und aufwendiger Formalitäten hat außerdem seit dem Brexit jedes vierte Unternehmen freiwillig eine eigentlich vermeidbare Verzollung in Kauf genommen. Das belegt eindrucksvoll, welch massive Folgen der Brexit auf die mit Großbritannien Handel treibenden Unternehmen hat.“

Auch der Ausblick ist betrüblich. Mögliche Brexit-Vorteile, wie geringere Steuern in Großbritannien oder ein einfacheres regulatorisches Umfeld, werden nach Ansicht der großen Mehrheit nicht eintreten oder kaum ins Gewicht fallen. 51 % erwarten eine weitere Abnahme des deutsch-britischen Geschäfts.

Deutliches Alarmsignal

Mit einem Anstieg des seit 2016 rückläufigen Handelsvolumen rechnet Andreas Glunz daher nicht: „Die Umsetzung des Brexits hat jetzt in den ersten 100 Tagen zu weiteren tiefgreifenden Umsatz- und Ergebniseinbrüchen geführt. Zugleich setzt sich der Trend des Austauschs von Lieferanten im deutsch-britischen Korridor fort, was zu weiteren Handelsrückgängen führen dürfte. Da auch wenig neue Chancen gesehen werden, ist auch mittelfristig nicht mit einer Verbesserung zu rechnen.“

Der Präsident der BCCG, Michael Schmidt, wertet die Umfrageergebnisse als deutliches Alarmsignal. „Dass der Brexit zu heftigen Handelseinbrüchen führen wird, haben wir als Handelskammer erwartet. Die jetzige Situation geht aber weit darüber hinaus. Uns erreichen zunehmend Anfragen britischer Unternehmen, die sich hierzulande ansiedeln wollen, um Geschäftsbeziehungen mit Deutschland weiter aufrecht erhalten zu können. Das ist aktuell offenbar die einzige Möglichkeit für weitere gegenseitige  - wenn auch erst mal reduzierte  - Geschäftsbeziehungen.“

Alle Ergebnisse der Umfrage „100 Tage Brexit“ haben wir hier für Sie zusammengestellt.