Factoring-Programme bieten Unternehmen die Möglichkeit, ihre Forderungen an Dritte zu verkaufen und dadurch ihre Liquidität zu verbessern. Ob verkaufte Forderungen beim Veräußerer ausgebucht werden dürfen, ist sowohl nach IFRS als auch HGB geregelt. Neben vielen qualitativen Anforderungen, die bereits in vorherigen Veröffentlichungen dieses Newsletters umfassend thematisiert wurden1, soll es in diesem Artikel explizit um einen quantitativen Aspekt der Beurteilung der Ausbuchungsfähigkeit im Zusammenhang mit zurückbehaltenen Bonitätsrisiken nach IFRS und HGB gehen.

Anforderungen an eine quantitative Analyse nach IFRS

Nach IFRS muss geklärt werden, ob und inwieweit Risiken und Chancen übertragen werden. Hierzu ist das Forderungsportfolio vor und nach der Transaktion zu analysieren. In Betracht kommen mögliche Risiken wie beispielsweise das Kreditausfallrisiko, das Risiko verspäteter Zahlungen oder ein Fremdwährungsrisiko. Entscheidend ist dabei die Variabilität der Netto-Zahlungsströme aus dem übertragenen Vermögenswert in Bezug auf Höhe und zeitlichen Anfall. Wird festgestellt, dass im Wesentlichen alle Risiken und Chancen übertragen wurden, ist das Kriterium der Ausbuchungsfähigkeit erfüllt. Falls die Risken teilweise oder gänzlich zurückbehalten werden, dürfen die verkauften Forderungen nur teilweise oder gar nicht ausgebucht werden.2

Anforderungen an eine quantitative Analyse nach HGB

Die Anforderungen des HGB unterscheiden sich von IFRS, da hier nicht die Variabilität der Zahlungsströme betrachtet wird, sondern die Angemessenheit eines Abschlags zur Deckung von Bonitätsrisiken. Ein Abschlag gilt als angemessen, wenn er marktüblich und ausreichend zur Deckung der erwarteten tatsächlichen Ausfälle der verkauften Forderungen ist. Die Ausbuchungsfähigkeit ist gegeben, sofern der Abschlag nicht unangemessen hoch ist.3

Relevanz der Analyse am Beispiel von zurückbehaltenen Bonitätsrisiken

Bei der Beurteilung der Ausbuchungsfähigkeit verkaufter Forderungen, spielt in der Praxis sowohl nach IFRS als auch HGB, die Ausgestaltung des Zurückbehalt von Bonitätsrisiken eine entscheidende Rolle. Der Veräußerer kann in unterschiedlichem Umfang Bonitätsrisiken für die übertragenen Forderungen zurückbehalten. In der Praxis gibt es beispielsweise folgende Ausgestaltungen:

  • First-Loss-Garantie: Der Veräußerer übernimmt eine Ausfallgarantie bis zu einer bestimmten Höhe („First Loss“). Dies bedeutet, dass er für einen festgelegten Teil der erwarteten Forderungsausfälle haftet.
  • Garantiekonto mit variablem Einbehalt: Ein Teil des Kaufpreises (als prozentualer Anteil am Nennwert der Forderungen) wird zunächst einbehalten und auf ein Garantiekonto eingezahlt. Der Erwerber kann dieses Konto zur Deckung von Zahlungsausfällen nutzen. Nach einer bestimmten Periode wird der verbleibende Betrag als nachträglicher Kaufpreis an den Veräußerer ausgezahlt.

Mit Blick auf ein gesamtes Portfolio veräußerter Forderungen wirken beide Formen wie ein prozentualer Abschlag zur Deckung von Bonitätsrisiken bzw. legen das Maß des zurückbehaltenen Risikos für den Veräußerer fest. Der finale Kaufpreis ist abhängig von den tatsächlich eintretenden Ausfällen.

Input und Methodik: Herausforderungen in der praktischen Umsetzung

Um die Anforderungen beider Rechnungslegungsstandards zu erfüllen, muss der Veräußerer eine quantitative Analyse auf Basis der tatsächlich verkauften Forderungsportfolien durchführen. Die diesbezüglichen Vorgaben sind in beiden Standards definiert. Nach IFRS gibt es im IDW RS HFA 48 ein Anwendungsbeispiel, dessen Anwendung jedoch nicht verpflichtend ist4. Zur Bewertung des Übertragungsumfangs der Bonitätsrisiken werden Barwerte prognostizierter Zahlungsströme unter Berücksichtigung erwarteter Kreditausfälle für verschiedene Szenarien mit Eintrittswahrscheinlichkeiten vor und nach der Transaktion gewichtet. Anschließend wird die Variabilität anhand der Standardabweichung vor und nach der Transaktion berechnet. Ein nicht verpflichtendes Beispiel für eine Einwertung der Variabilität vor und nach Transaktion, kann die Nutzung von Quoten sein. Eine Quote unter 10% signalisiert, dass im Wesentlichen alle mit dem finanziellen Vermögenswert verbundenen Bonitätsrisiken übertragen wurden, sodass eine Ausbuchung möglich ist. Liegt die Quote über 90%, wurden die wesentlichen Bonitätsrisiken zurückbehalten, wodurch eine Ausbuchung ausgeschlossen ist. Zwischen 10% und 90% kann weder eine vollständige Übertragung noch ein vollstän-diger Verbleib der Risiken und Chancen angenommen werden.

Deutlich unkonkreter sind die Anforderungen nach HGB. Gemäß IDW RS HFA 8 gilt die Angemessenheit des zurückbehaltenen Bonitätsrisikos als gegeben, wenn der Abschlag die tatsächlich erwarteten Ausfälle des Portfolios unter Berücksichtigung eines Zuschlags für das Risiko unerwarteter Verluste nicht übersteigt. Eine genaue Definition des Begriffs „unerwarteter Verlust“ existiert jedoch nicht.

In der Praxis stellt sich sowohl nach IFRS als auch HGB häufig die Frage nach der konkreten Umsetzung einer solchen Analyse in Bezug auf Input und Methodik für ein real existierendes Forderungsportfolio. Grundlage beider Ansätze sind zunächst Informationen über das erwartete Ausfallrisiko des Portfolios auf Ebene der einzelnen Debitoren. Eine Herausforderung besteht oft in der Verfügbarkeit interner und externer Daten zu Debitor spezifischen Ausfallwahrscheinlichkeiten (z.B. abgeleitet aus laufzeitspezifischen CDS-Spreads oder basierend auf historischen Ausfällen). Sind diese Informationen vorhanden, kann eine Aussage über die erwartete Ausfallwahrscheinlichkeit getroffen werden.

Dies allein reicht jedoch nicht aus, um das erforderliche Entscheidungsmaß der quantitativen Analyse zu erhalten, was eine zweite Herausforderung darstellt. Nach IFRS ist das relevante Kriterium die Variabilität der erwarteten Kreditausfälle vor und nach der Transaktion. Daher sollten mathematisch-statistische Verfahren zur Ermittlung einer Verlustverteilung für verschiedene Szenarien mit Eintrittswahrscheinlichkeiten (z.B. Monte-Carlo-Simulation) angewendet werden. Anschließend kann die Variabilität (z.B. Standardabweichung) vor und nach der Transaktion ermittelt werden.

Nach HGB ist neben dem erwarteten Ausfallrisiko auch das unerwartete Risiko zu berücksichtigen. Hierfür gibt es keine konkreten Vorgaben, jedoch wird in der Fachwelt empfohlen, ebenfalls eine Verlustverteilung sowie ein geeignetes statistisches Maß zur Bestimmung der Unsicherheit (z. B. Standardabweichung oder Value at Risk) heranzuziehen.5

Fazit und Ausblick

Die Beurteilung der Ausbuchungsfähigkeit von Forderungen im Rahmen von Factoring-Transaktionen hängt sowohl nach IFRS als auch nach HGB entscheidend davon ab, in welchem Umfang Bonitätsrisiken vom Veräußerer zurückbehalten oder übertragen werden. Während IFRS eine detaillierte Analyse der Variabilität der Zahlungsströme fordert, liegt der Fokus nach HGB auf der Angemessenheit des Abschlags zur Deckung von Ausfallrisiken. Die praktische Umsetzung einer belastbaren quantitativen Analyse stellt insbesondere aufgrund der Verfügbarkeit von Ausfalldaten und der Notwendigkeit statistischer Modellierungen eine Herausforderung dar. Gerne stehen Ihnen unsere Experten des Finanz- und Treasury Managements für einen praxisnahen Austausch und eine weitere Diskussion zur Verfügung.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 153, April 2024
Autoren:
Robert Abendroth, Partner, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Jan Frederik Richter, Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG

___________________________________________________________________________________________________________

Vgl. KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 137 und Ausgabe 135
2 Vgl. IDW RS HFA 48 Tz. 73 ff.
3 Vgl. IDW RS HFA 8 Tz. 20 ff.
4 Vgl. IDW RS HFA 48 Tz. 81 ff.
5 Vgl. Rimmelspacher/Meyer/Girlich, WPg 2019, S. 1147 ff.