Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist in den letzten Jahren stark vorangeschritten und beeinflusst auch die Energiebeschaffung vieler Industrieunternehmen. Power Purchase Agreements (PPAs) sind ein zentrales Instrument für Unternehmen, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und sich gegen Preisschwankungen abzusichern. Gleichzeitig stellen diese langfristigen Stromlieferverträge Unternehmen vor Herausforderungen hinsichtlich ihrer bilanziellen Abbildung. Insbesondere wetterabhängige Energiequellen wie Wind und Solar sorgen für eine volatile Stromproduktion, welche die Erfüllung der Anforderungen für die Anwendung der Own Use Exemption und Hedge Accounting erschweren und oftmals eine Bilanzierung zum Fair Value erforderlich machen. Daher ist es den Unternehmen vermehrt nicht möglich, ungewollte Fair-Value-Schwankungen in der Gewinn- und Verlustrechnung zu vermeiden und eine ökonomisch adäquate Darstellung in den Abschlüssen zu gewährleisten.

Seit mehreren Jahren war daher eine Intensivierung der Diskussionen und Initiativen hinsichtlich einer möglichen Anpassung des Standards erkennbar (vgl. Corporate Treasury News (08/2023): Power Purchase Agreements: Weichenstellung für die Bilanzierung nach IFRS in Sicht? und Corporate Treasury News (04/2024): Licht am Ende des Tunnels? Ein Update zu den neusten Entwicklungen für die Bilanzierung von Power Purchase Agreements). Am 18. Dezember 2024 hat das International Accounting Standards Board (IASB) schließlich ein Amendment zu IFRS 9 und IFRS 7 veröffentlicht, welches die bilanzielle Abbildung von Verträgen für die Lieferung von Energie aus naturabhängigen Quellen behandelt. Diese Änderungen beziehen sich auf die Voraussetzungen für die Anwendung der Own Use Exemption und Hedge Accounting. Zudem sind die gemäß IFRS 7 zu tätigenden Notes und Disclosures ergänzt und spezifiziert worden. Der Anwendungsbereich der ergänzenden Vorschriften ist vom IASB explizit eng gefasst worden, sodass die Berücksichtigung nur von unmittelbar aus Solar, Wind oder Wasserkraft gewonnener Energie zulässig und eine sinngemäße Anwendung beispielsweise für grünen Wasserstoff ausgeschlossen ist. 

  1. Ausweitung der Own Use Exemption
    Der Anwendungsbereich der Own Use Exemption ist gemäß IFRS 9.2.4 auf Verträge beschränkt, die zur Deckung des Eigenbedarfs physisch erfüllt werden und keine Klauseln für ein mögliches Net Cash Settlement enthalten. Gemäß Amendment sind bei der bilanziellen Würdigung von naturabhängigen Stromlieferverträgen zukünftig neben der vertraglichen Ausgestaltung auch die vorherrschenden Marktgegebenheiten in Kombination mit dem historischen, aktuellen und zukünftig zu erwartendem Handels- und Verbrauchsverhalten zu berücksichtigen. Insbesondere können Rückvermarktungen von überschüssiger Energie zukünftig unter bestimmten Voraussetzungen konform mit der Anwendung der Own Use Exemption sein.
  2. Variable Nominalvolumen beim Hedge Accounting
    Die Designation einer Sicherungsbeziehung ist bisher lediglich für die Absicherung eines festen Nominalvolumens gestattet. Die neuen Regelungen erlauben es Unternehmen, in Sicherungsbeziehungen ein variables Nominalvolumen als Grundgeschäft zu designieren, sofern die Schwankungen des Nominalvolumens in Verbindung mit den Produktionsschwankungen der naturabhängigen Stromerzeugung des Sicherungsgeschäftes stehen.
  3. Erhöhte Transparenzanforderungen gemäß IFRS 7
    Das Amendment sieht künftig detailliertere Anhangsangaben für Verträge mit Bezug zu Strom aus naturabhängigen Quellen vor. Dies soll Bilanzlesern ein besseres Verständnis hinsichtlich der aus den Verträgen resultierenden wirtschaftlichen Risiken und den Auswirkungen auf die Cashflows des Unternehmens ermöglichen. Die zu tätigenden Angaben steigen insbesondere für Verträge, die unter die Own Use Exemption fallen, und umfassen dabei sowohl qualitative als auch umfangreiche quantitativen Informationen, wie beispielsweise die erzielten Erlöse aus getätigten Rückverkäufen.

Für Geschäftsjahre, die an oder nach dem 1. Januar 2026 beginnen, ist das Amendment verpflichtend anzuwenden. Eine frühere Anwendung ist zulässig, sobald ein EU Endorsement stattgefunden hat.

Das Amendment sieht eine verpflichtende retrospektive Anwendung der sich auf die Anwendbarkeit der Own Use Exemption beziehenden Paragraphen vor. Bereits bestehende Verträge müssen daher einer erneuten bilanziellen Würdigung unterzogen werden, um zu prüfen, ob sie gemäß der neuen Regelungen im Scope des IFRS 9 liegen. Für Hedge Accounting hingegen ist lediglich die prospektive Anwendung verpflichtend. Es dürfen jedoch zum Zeitpunkt der Erstanwendung des Amendments bestehende Sicherungsbeziehungen aufgelöst werden, sofern die jeweiligen Grund- und Sicherungsgeschäfte in einer neuen Sicherungsbeziehung gemäß den geänderten Anforderungen designiert werden. Da die Änderungen des IFRS 7 zudem zu erstmalig zu tätigenden Anhangsangaben führen können, sollten sich die Unternehmen frühzeitig mit den neuen Anforderungen auseinandersetzen. Hierdurch kann einerseits die Erfüllung der regulatorischen Anforderungen sichergestellt und andererseits die optimale Bilanzierung der Energieverträge gewährleistet werden.

Auch wenn der Anwendungsbereich vom IASB eng gefasst wurde, bringt das lang ersehnte Amendment nun Klarheit für eine Vielzahl von praktischen Anwendungsfällen von Bilanzierenden. Gleichzeitig ergibt sich Handlungsbedarf durch ein mögliches Re-Assessment von bisher als Derivat bilanzierten PPA sowie hinsichtlich der Publikationspflichten bei Own Use Bilanzierung von PPA oder der Neu-Anwendung von Hedge Accounting.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 153, April 2025
Autoren:
Robert Abendroth, Partner, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Jeannine Widawski, Managerin, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG