Die jüngsten Anpassungen am IFRS 9 und IFRS 7, die das International Accounting Standards Board (IASB) veröffentlicht hat, sollen dazu beitragen, die Klassifizierung, Bewertung und Offenlegung von finanziellen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten zu präzisieren. Diese Änderungen basieren auf einem Post-implementation Review des IFRS 9, der 2022 abgeschlossen wurde. Obwohl das IASB feststellte, dass der Standard im Wesentlichen wie vorgesehen funktioniert, wurden dennoch Vorschriften identifiziert, die aufgrund von neuen Entwicklungen seit Inkrafttreten des Standards sowie der Rückmeldung von Stakeholdern eine Überarbeitung erforderten.

Ein zentraler Aspekt der Änderungen betrifft die Klassifizierung finanzieller Vermögenswerte durch das sogenannte SPPI-Kriterium (Solely Payments of Principal and Interest), welches festlegt, unter welchen Bedingungen finanzielle Vermögenswerte zu fortgeführten Anschaffungskosten und nicht zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten sind. Laut SPPI-Kriterium müssen die vertraglichen Zahlungen eines Vermögenswerts ausschließlich aus Tilgungs- und Zinszahlungen bestehen, die auf den ursprünglichen Kapitalbetrag entfallen. Dabei steht die Beurteilung von Zinsbestandteilen in grundlegenden Kreditverträgen im Fokus der Veränderungen, wonach die aktualisierten Leitlinien des IASB zum IFRS 9 nun präzisere Hinweise darauf enthalten, wie Zahlungsströme zu betrachten sind, die sich ausschließlich aus Tilgungs- und Zinszahlungen zusammensetzen und auf den verbleibenden Kreditbetrag entfallen. Zu den typischen Zinskomponenten zählen dabei etwa der Zeitwert des Geldes, potenzielle Ausfallrisiken sowie grundlegende Risiken bei Kreditkontrakten, wie das Liquiditätsrisiko. Auch eine mögliche Gewinnmarge des Kreditgebers kann hier berücksichtigt werden. Wichtig ist hierbei vor allem, dass nicht die Höhe des Entgelts im Vordergrund steht, sondern dass die Zahlungen mit den grundlegenden Risiken und Kosten des Kreditgeschäfts im Einklang stehen. Das bedeutet, dass Zinsen nur dann als Teil einer klassischen Kreditbeziehung gelten, wenn sie hauptsächlich als Entschädigung für die Kreditrisiken und -kosten des Unternehmens angesehen werden. Zahlungen, die diese Anforderung nicht erfüllen oder die grundsätzlich an Variablen gekoppelt sind, die nicht mit den grundlegenden Kreditrisiken oder -kosten einhergehen ‒ etwa Marktbedingungen oder externe Indizes ‒ erfüllen nicht die Kriterien für eine solche Kreditvereinbarung. 

Zudem wurden im Zuge des Zahlungsstromkriteriums die Regelungen für Vertragsbedingungen, die den Zeitpunkt oder die Höhe der Zahlungen ändern können überarbeitet. Besonders relevant sind dabei Darlehen, die ESG-bezogene Klauseln enthalten, welche nicht direkt mit Veränderungen der zugrunde liegenden Kreditrisiken zusammenhängen. In Zukunft sind Unternehmen verpflichtet, unter Umständen sowohl qualitative als auch quantitative Analysen durchzuführen, die auf die Signifikanz solcher Klauseln einzahlen, und zwar unabhängig davon, wie wahrscheinlich diese Änderungen eintreten. Konkret bedeutet das, dass finanzielle Vermögenswerte, bei denen zum Beispiel ESG-bezogene Klauseln in den Vertragsbedingungen enthalten sind, zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet werden können, sofern diese keine wesentlichen Auswirkungen auf die vertraglichen Zahlungsströme vorweisen. Informationen über die Auswirkungen solcher Vertragsklauseln sind zudem wie folgt offenzulegen:

  • Eine Beschreibung des Ereignisses, das eine Änderung in der Höhe der vertraglichen Zahlungen bedingt.
  • Bruttobuchwerte der finanziellen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten.
  • Quantitative Angaben zu den potenziellen Veränderungen der Zahlungsströme. 

Das Ziel des Standardsetters besteht darin, Transparenz zu schaffen und den Adressaten der Finanzberichterstattung die Möglichkeit zu bieten, die Auswirkungen dieser bedingten Ereignisse hinreichend genau nachzuvollziehen.

Ein weiterer Punkt, der durch die Änderungen des IFRS 9 genauer definiert wurde, betrifft die sogenannten nicht rückgriffsberechtigten finanziellen Vermögenswerte (non-recourse). Der Begriff "nicht rückgriffsberechtigt" bezieht sich auf Finanzierungen, bei denen der Gläubiger nur auf die Zahlungsströme aus bestimmten, im Vertrag festgelegten Vermögenswerten zugreifen kann. Ein Zugriff auf andere Ressourcen des Schuldners ist dabei ausgeschlossen. Die neuen Regelungen stellen nun klar, dass eine Finanzierung nur dann als "nicht-rückgriffsberechtigt" eingestuft werden darf, wenn die Vertragsbedingungen das Recht des Gläubigers auf die Zahlungsströme dieser speziellen Vermögenswerte beschränken. In der Vergangenheit gab es bei vertraglich verknüpften Instrumenten oft Unklarheiten hinsichtlich der Abgrenzung von Non-Recourse-Finanzierungen. Diese Unsicherheiten führten in einigen Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Anwendung der entsprechenden Vorschriften. Um diesem Problem entgegenzuwirken, hat das IASB die Anwendungsrichtlinien jetzt präzisiert. Ziel dieser Klarstellungen ist es, eine eindeutige Unterscheidung zu ermöglichen und eine konsistente Anwendung des Standards zu gewährleisten.

Grundsätzlich ist ein finanzieller Vermögenswert auszubuchen, sobald das vertragliche Recht auf den Einbezug von Zahlungsströmen erlischt oder der Vermögensgegenstand übertragen worden ist. Eine Verbindlichkeit wird zum Zeitpunkt ihrer Erfüllung ausgebucht. Neue Vorschriften zur Ausbuchung finanzieller Verbindlichkeiten, die durch elektronische Zahlungssysteme beglichen werden, stellen außerdem klar, dass in bestimmten Fällen Unternehmen die Möglichkeit haben, eine Verbindlichkeit ‒ oder einen Teil davon ‒ bereits auszubuchen, auch wenn das Geld „noch unterwegs“ ist und die Verbindlichkeit somit noch nicht erfüllt wurde. 

Eine weitere Änderung betrifft zudem die Offenlegungspflichten für Eigenkapitalinstrumente, die zum beizulegenden Zeitwert bewertet und als erfolgsneutral klassifiziert werden. Unternehmen sind verpflichtet, den Gewinn oder Verlust aus der Bewertung dieser Instrumente detaillierter darzustellen. Dies umfasst unter anderem eine Differenzierung von Beträgen, die einerseits auf ausgebuchte und anderseits auf noch gehaltene Anteile entfallen. Diese Anpassungen sollen die Transparenz erhöhen und eine Nachvollziehbarkeit der Auswirkungen auf die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung gewährleisten.

Die neuen Regelungen gelten ab dem 1. Januar 2026. Es ist vorgesehen, dass die Anwendung der neuen Vorschriften retrospektiv erfolgt, allerdings ohne verpflichtende Anpassung früherer Perioden.  

Fazit

Die Anpassungen am IFRS 9 und IFRS 7 sollen eine einheitliche Anwendung der Vorschriften bei der Klassifizierung und Bewertung von finanziellen Vermögenswerten und finanziellen Verbindlichkeiten gewährleisten und bestehende Unsicherheiten in der praktischen Umsetzung und Offenlegung beseitigen. Ein besonderer Fokus liegt auf der genaueren Handhabung von Zinskomponenten beim SPPI-Test sowie ESG-bezogenen Klauseln in Kreditvereinbarungen. 

Sollten Sie Fragen haben oder Unterstützung bei der Umsetzung der Änderungen des IFRS 9 und IFRS 7 benötigen, steht Ihnen das Finanz- und Treasury Management Team jederzeit zur Verfügung.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 149, November 2024
Autoren:
Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Dr. Christoph Lippert, Senior Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG