Für Unternehmen, seien es kleine oder mittlere Unternehmen (KMU) oder aber große Konzerne, stellt die Internationalisierung eine strategische Entscheidung dar, die das Wachstumspotenzial erheblich steigern kann. Dabei erfolgt die Internationalisierung in der Regel in verschiedenen Stufen, in denen jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Ressourcen und das Management gestellt werden. Der erste Schritt ist dabei der Export an sich, bei dem Produkte oder Dienstleistungen ins Ausland verkauft werden. Fortschreitende Internationalisierungsbemühungen können anschließend beispielsweise in der Gründung einer Auslandsniederlassung oder eines Produktionsbetriebes münden. Die höchste Stufe der Internationalisierung ist die Gründung von Tochtergesellschaften als eigene rechtliche Einheiten im Ausland, die eine vollständige Integration in neue Märkte ermöglichen. 

Während bei den Vorstufen zur Internationalisierung die meisten Treasury-Aktivitäten grundsätzlich vom zentralen Treasury bewältigt werden können, fällt spätestens mit der Gründung einer Auslandsgesellschaft der Startschuss zur Internationalisierung des Treasury. Nun muss das Treasury seine Expertise im internationalen Kontext unter Beweis stellen und gegebenenfalls sogar Treasury-Strukturen im Ausland aufbauen. Dabei ist die Internationalisierung des Treasury als strategische Notwendigkeit zu verstehen. Das Treasury spielt eine zentrale Rolle dabei, die finanzielle Stabilität und Liquidität des Unternehmens sowie das Risikomanagement in einem oft volatilen internationalen Umfeld zu gewährleisten. Indem es die internationalen Finanzströme steuert und absichert, trägt das Treasury maßgeblich zum Erfolg der globalen Expansion bei und sichert die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

Wurde die Erfordernis einer internationalen Ausrichtung der Treasury-Abteilung erkannt und das grundlegende Ziel gesteckt, stehen Unternehmen vor der nächsten großen Herausforderung: die Operationalisierung des Vorhabens. Die im Rahmen einer Internationalisierung anzugehenden Aufgaben sind komplex und haben zumeist weitreichende Auswirkungen organisatorischer, finanzieller und auch personeller Natur. Ein strategischer, strukturierter Handlungsrahmen ist daher von zentraler Bedeutung für ein erfolgreiches Projekt. In einem ersten Schritt gilt es hierfür, den Fokus zunächst weg von den zahlreichen Detailfragen auf eine übergeordnete Ebene zu verlagern. 

Aus dieser ganzheitlichen Betrachtungsperspektive ist es möglich, zentrale Handlungsfelder zu erkennen und diesen wiederum konkrete Ziele, Arbeitspakete und Zeitpläne zuzuweisen. Einige Handlungsfelder sind dabei im Rahmen nahezu sämtlicher Internationalisierungsbestrebungen von Treasury Abteilungen essenzieller Bestandteil. Bei diesen handelt es sich um:

  • Aufbauorganisation
  • Prozesse 
  • Treasury IT
  • Regulatorik und Governance
  • Faktor Mensch

Die folgenden Überblicke über diese Handlungsfelder geben nur einen ersten Einblick und werden der Komplexität der einzelnen Themen nicht gerecht. Die weiteren Artikel der Themenreihe „Treasury goes International“ werden diese Handlungsfelder daher aufgreifen und im Detail beleuchten. 

Aufbauorganisation

Die internationale Ausrichtung der Treasury-Abteilung beginnt mit der Frage nach ihrer grundlegenden Struktur. Wie bereits ausführlich in der Ausgabe 128 des KPMG Corporate Treasury Newsletters (Dezember 2022) behandelt, sind bei der Gestaltung der Treasury-Organisation verschiedene Aspekte zu beachten. Was zunächst wie eine Banalität erscheinen mag, wird im internationalen Kontext zur Herausforderung ‒ insbesondere, wenn es darum geht, eine Entscheidung zwischen Zentralisierung oder Dezentralisierung der Treasury-Funktion zu treffen.

Im Kern handelt es sich um die Frage, ob es ein zentrales Treasury-Center gibt, von dem aus alle Finanzentscheidungen und -prozesse gesteuert werden, oder ob regionale Treasury Center eingerichtet werden (müssen), um lokale Besonderheiten zu berücksichtigen. Diese Entscheidung beeinflusst maßgeblich die Effizienz und Flexibilität der Finanzprozesse im globalen Unternehmenskontext. Zusätzlich muss länderübergreifend das Prinzip der Aufgabentrennung konsequent eingehalten werden, um die Integrität der Prozesse zu wahren und Risiken zu minimieren.

Eine weitere Möglichkeit, Effizienzgewinne im internationalen Kontext zu erzielen, besteht in der Einrichtung von Shared Service Centern. Diese fungieren als zentrale Knotenpunkte, an denen regionsübergreifende Prozesse zusammengeführt werden. Durch den Einsatz moderner Technologien werden hier globale Dienste ermöglicht, die insbesondere im Treasury-Bereich von großem Vorteil sind. Shared Service Center können entweder als unternehmenseigene Einheiten (Inhouse) organisiert oder an externe Anbieter ausgelagert werden. 

Eine weitere Variante der Auslagerung von Treasury-Funktionen ist das Konzept des Treasury as a Service (TaaS). Hierbei werden Teile der Treasury-Prozesse ‒ etwa das Cash- und Liquiditätsmanagement, das Risiko- und Währungsmanagement oder die Durchführung von Finanztransaktionen ‒ an spezialisierte Dienstleister übergeben. Diese Dienstleister bieten umfassende Lösungen, die es Unternehmen ermöglichen, von einer flexiblen und skalierbaren Infrastruktur zu profitieren, ohne umfangreiche eigene Ressourcen aufbauen zu müssen. TaaS-Anbieter bieten Expertise und Technologielösungen für standardisierte Abläufe des täglichen Betriebs, die auf die individuellen Bedürfnisse der Unternehmen zugeschnitten sind. Dies ermöglicht es den Treasury Centern verstärkt als strategischer Business Partner zu agieren. So können sie sich auf wertschöpfende Aktivitäten fokussieren, die einen direkten Mehrwert für das Unternehmen schaffen, anstatt sich auf die rein technischen oder administrativen Prozesse zu beschränken.

Ein weiteres Modell, das insbesondere in der globalen Treasury-Organisation zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist der Treasury Support durch Nearshore- oder Offshore-Dienstleister. Nearshoring bezeichnet die Verlagerung von Prozessen in geografisch nahe gelegene Länder mit vergleichsweise niedrigeren Kosten, während Offshore-Lösungen die Auslagerung in weiter entfernte, oft kostengünstigere Regionen betreffen. Beide Ansätze bieten Kostenvorteile und ermöglichen den Zugang zu spezialisierten Fachkräften. Nearshore-Modelle haben den zusätzlichen Vorteil, dass kulturelle und sprachliche Barrieren geringer sind und die geografische Nähe eine bessere Zusammenarbeit fördert. Offshore-Lösungen hingegen bieten maximale Kosteneffizienz, sind aber aufgrund von Faktoren wie Zeitunterschieden komplexer zu steuern.

Bei Betrachtung der verschiedenen Organisationsformen wird schnell klar, wie groß die Anzahl der verfügbaren Optionen ‒ und damit auch, wie komplex der Auswahlprozess sein kann. Im Rahmen der Internationalisierungsbestrebungen ist es von besonderer Bedeutung, auch bereits bestehende Strukturen zu überdenken und auf ihren Nutzen im internationalen Kontext zu prüfen. 

Prozesse

Sobald die Abteilungsstruktur eines Unternehmens etabliert ist, tritt die nächste zentrale Herausforderung in den Vordergrund: die geschäftskritischen Prozesse müssen in Anbetracht der Anforderungen des internationalen Geschäfts überdacht werden. Es gilt dabei, die bestehende Ablauforganisation in der Treasury-Abteilung nicht nur kritisch zu hinterfragen, sondern gegebenenfalls auch wesentlich anzupassen. Im Zuge der Internationalisierung des Treasury Managements ist dies besonders wichtig, da eine reibungslose und konsistente Abwicklung von Finanzprozessen weltweit entscheidend für die finanzielle Stabilität des Unternehmens ist.

Eine effektive Treasury-Organisation zeichnet sich durch zentrale, standardisierte Prozesse aus, die bei Bedarf durch lokale Strukturen ergänzt werden, um spezifischen Anforderungen gerecht zu werden. Dabei spielt Zentralisierung eine zentrale Rolle, da durch den Einsatz von Best-Practice-Verfahren sowohl Effizienz als auch Sicherheit gesteigert werden können. Zentrale Treasury-Funktionen ermöglichen eine konsistente Steuerung und Kontrolle der globalen Liquidität, des Risikomanagements und der Finanzierung.

Trotzdem spielt auch die dezentrale Verankerung bestimmter Funktionen eine wichtige Rolle. Regionale Treasury Manager sind oft unersetzlich, da sie die lokalen Marktgegebenheiten, rechtliche Rahmenbedingungen und die Dynamik des lokalen Geschäfts besser verstehen. Zudem sind sie aufgrund von Zeitzonenunterschieden in der Lage, schneller auf operative Anforderungen vor Ort zu reagieren. Sie fungieren als Schnittstelle zu den operativen Einheiten und anderen Abteilungen und tragen so dazu bei, dass die lokalen und globalen Treasury-Ziele besser miteinander verknüpft werden.

Treasury IT

Technologien sind aus dem Treasury nicht mehr wegzudenken. Treasury Management Systeme (TMS) spielen eine zentrale Rolle und ermöglichen die effiziente Verwaltung und Ausführung komplexer Finanzprozesse. Daher sollten sie frühzeitig im Rahmen der Internationalisierung berücksichtigt werden.

Die Überarbeitung der Treasury-IT-Strategie sollte parallel zur Revision der organisatorischen Aufbau- und Ablauforganisation erfolgen, da diese Bereiche eng miteinander verknüpft sind. Was singulär betrachtet sinnvoll erscheinen mag, könnte in der Gesamtheit nicht mehr die optimale Lösung darstellen. Es ist wichtig, sowohl die strukturellen als auch die prozessualen Anforderungen an die IT gemeinsam zu entwickeln. Dies umfasst beispielsweise den Rollout zentraler Systeme in internationalen Gesellschaften oder den Aufbau eigenständiger technischer Ressourcen in verschiedenen Ländern. Dabei sollte auch geprüft werden, ob die bestehenden Systeme ausreichen, sie gegebenenfalls erweitert werden müssen, oder ob sogar ein vollständiger Ersatz notwendig ist.

Der Aufbau eigenständiger Strukturen erfordert qualifiziertes Personal vor Ort, das in der Lage ist, die Systeme effektiv zu betreuen und sicherzustellen. Zusätzlich ist die Implementierung geeigneter Supportstrukturen von zentraler Bedeutung. Parallel zum fachlichen Support stellt sich die Frage, ob der technische Support vor Ort, Near-Shore oder Off-Shore aufgebaut werden sollte. Jede Option bietet unterschiedliche Vorteile in Bezug auf Kosten, Qualität und Verfügbarkeit von Fachkräften, weshalb die Entscheidung im Einzelfall unternehmensindividuell abzuwägen ist.

Darüber hinaus ist es entscheidend, sowohl vor- als auch nachgelagerte lokale Systeme und Anwendungen in die Gesamtstrategie einzubeziehen. Ein weiteres zentrales Element ist die Entwicklung eines neuen Autorisierungskonzepts für lokale Nutzer. Dieses Konzept muss nicht nur den Zugriff auf die Systeme regeln, sondern auch die Einhaltung nationaler Datenschutzvorgaben sicherstellen.

Regulatorik und Governance

Besonders wichtig werden darüber hinaus regionale Gegebenheiten im Bereich der Regulatorik und Governance. So sind Meldungen im Außenwirtschaftsverkehr (AWV) nicht nur in Deutschland von Bedeutung, sondern es existieren ähnliche Meldepflichten in vielen anderen Ländern, wie zum Beispiel in Österreich, Frankreich, Japan oder Indien. Ein vergleichbares Bild zeigt sich beim Derivatehandel: Nationale Pendants zu EMIR sind weltweit vorhanden. Auch die Richtlinie zur Meldepflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen (DAC6) spielt hier eine wichtige Rolle. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie grenzüberschreitende Steuerarrangements, die bestimmte Kennzeichen erfüllen, fristgerecht an die zuständigen Behörden melden, um den Anforderungen der DAC6 zu entsprechen. Darüber hinaus können lokale Gesetzgebungen und steuerliche Fragestellungen die Freiräume bei der Gestaltung eines Cash Pooling-Konzepts erheblich einschränken. Daher ist ein umfassendes Compliance-Assessment unerlässlich, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen und rechtliche Risiken zu minimieren.

Faktor Mensch

Ein oft vernachlässigter Aspekt ist der Umgang mit kulturellen Unterschieden innerhalb internationaler Teams. Entsprechende Unterschiede können unter anderem zu Missverständnissen und ineffizienten Arbeitsprozessen führen, wenn sie nicht aktiv gemanagt werden. Eine bewusste Förderung kultureller Sensibilität und eine offene Kommunikation sind daher unerlässlich, um die Zusammenarbeit zu optimieren.

Gleichzeitig bietet die Internationalisierung aber auch eine wertvolle Gelegenheit, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Durch die Erweiterung des Talentpools auf globaler Ebene können Unternehmen qualifizierte Fachkräfte aus verschiedenen Ländern gewinnen. Diese internationalen Mitarbeitenden bringen nicht nur Fachkompetenz, sondern auch unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen mit, die zur Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit des Unternehmens beitragen.

Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass die Internationalisierung in Bezug auf die Treasury-Organisationen nicht nur zahlreiche Herausforderungen mit sich bringt, sondern auch enorme Chancen bietet. Um diesen Wandel erfolgreich zu gestalten, ist es unerlässlich, ein tiefes Verständnis der aktuellen internationalen Treasury-Landschaft zu entwickeln. 

Hier setzen wir an: Mit unserem „Global Treasury Survey“ möchten wir erheben, wie Treasury-Abteilungen weltweit organisiert sind, welche Technologien genutzt werden und wie die Performance gemessen wird. Die Ergebnisse der Umfrage bieten wertvolle Einblicke, die helfen können, Treasury-Strategien zu optimieren und den Internationalisierungsprozess bestmöglich zu gestalten. Ihr Beitrag ermöglicht uns, praxisnahe Empfehlungen in einem kostenlosen Whitepaper zu entwickeln. Die Umfrage dauert nur 5-8 Minuten!

Link zur Umfrage:
Global Treasury (kpmg.de)

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 148, Oktober 2024
Autoren:
Nils Bothe, Partner, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
Karin Schmidt, Senior Managerin, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG