Green oder Sustainable Financing sind keine Neuheiten mehr, sondern finden ihren Ursprung bereits in der „United Nations Framework Convention on Climate Change“ 1992. In den Jahren seit 2000 und mit dem Beschluss der EU bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden, der sogenannte Green Deal, ist Nachhaltigkeit deutlich in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerückt. Neben den Gesetzgebern und Standardsettern zeigen auch Kunden, Geschäftspartner, Rating-Agenturen, Investoren und Kapitalgeber ein gesteigertes Interesse für den Beitrag von Unternehmen zu den drei Dimensionen von Nachhaltigkeit (Ecologial, Social und Governance).

ESG macht dabei keinen Halt vor dem Finanzmarkt und nimmt auch hier verstärkt Einzug. Der Markt für nachhaltige Finanzprodukte wächst seit über einer Dekade und erweitert sich stetig. Der Ausblick in die Zukunft zeigt eine deutliche Zunahme der Bedeutung des grünen Finanzmarktes, auf die sich Unternehmen und deren Treasury-Abteilungen vorbereiten sollten. Damit einher gehen nicht nur neue Produkte und Anforderungen für die eigenen Prozesse und Richtlinien, sondern auch direkte Fragen im Zusammenhang mit der Bewertung und Bilanzierung sowie der Berichterstattung dieser.

Welche ESG-Finanzprodukte sind en Vogue?

Zum aktuellen Zeitpunkt bestehen bereits diverse Produkte am Markt, die Nachhaltigkeitszwecke oder -aspekte erfüllen oder an diese gebunden sind. Qualitativ-hochwertige grüne Anleihen (Green Bonds), für die die EU mit dem EU Green Bond Standard bereits eine eigene Verordnung (EU) 2023/2631 erlassen hat, ebenso wie Green Loans weisen dabei eine Zweckbindung der Mittel für beispielsweise bestimmte ESG-Projekte oder -Maßnahmen auf. 

Flexibler für den Kapitalnehmer sind Sustainability Linked Loans, deren Mittel nicht zweckgebunden sind, sondern deren Zinshöhe an die Erreichung bestimmter ESG-Ziele durch den Kapitalnehmer gekoppelt sind. Besondere Relevanz und Augenmerk, insbesondere mit Blick auf ein potenzielles Greenwashing, ist hier die Ausgestaltung sinniger Leistungsindikatoren, die aber auch in Bezug auf das Accounting keine weiteren Problematiken herbeiführen.

Eine weitere Kategorie der grünen Finanzinstrumente sind grüne Derivate, deren Wert von einem nachhaltigen Underlying abhängt, wie beispielsweise eingebettete ESG-Komponenten, Carbon Credits oder Grünstrom-Zertifikate. Aber auch langfristige Strombezugsverträge, sogenannte Power Purchase Agreements, spielen heutzutage eine zentrale Rolle in der Sicherstellung der nachhaltigen Stromversorgung und erfordern durch ihre Besonderheiten ein enges Zusammenspiel zwischen Einkauf, Treasury und Accounting. 

Diese Aufzählung zeigt jedoch nur einige ausgewählte Produkte auf, die Liste der bereits verfügbaren Finanzinstrumente ist länger und erweitert sich fortlaufend, alle mit eigenen Aspekten, die es zu berücksichtigen gilt.

Welche Aspekte sind bei der Bewertung und Bilanzierung von grünen Finanzprodukten, Green Derivatives oder Embeddeds relevant?

Die Vielfalt in der Ausgestaltung der Finanzprodukte stellt dabei eine wesentliche Herausforderung für Unternehmen bei der Bewertung und Bilanzierung dar. Zu berücksichtigen sind hier neben den regulatorischen Anforderungen und Standards, auch die Ausgestaltung der Produkte und ausreichende Verfügbarkeit von Marktdaten zu bestimmten Finanzinstrumenten. Diverse Anbieter wie Bloomberg, LSEG (vormals Refinitiv), MSCI oder Sustainalytics besitzen bereits ein breites Angebot an Daten und Analysen zu nachhaltigen Finanzinstrumenten und ESG-Daten, die für eine Bewertung in Frage kommen. Je nach Ausgestaltung der Produkte kann der Thematik nichtdestotrotz eine inhärente Komplexität innewohnen, um zu einer sachgerechten Bewertung zu gelangen.

Auch komplex kann hierbei die eigentliche Bilanzierung sein. Typische Thematiken sind dabei die Fragen betreffend der Einhaltung des sogenannten SPPI-Kriteriums (IFRS 9.4.1.2(b)), die Trennung eingebetteter Derivate, die Anwendung der Own-Use Exemption (IFRS 9.2.4), die Behandlung von ESG-bezogenen aktienbasierten Vergütungsprogrammen (IFRS 2) oder die Abbildung von Grünstromzertifikaten sowie EUAs.

Königsdisziplin ist hierbei die Einbindung entsprechender Finanzprodukte ins Hedge-Accounting und Bewertungseinheiten, um die Gewinn- und Verlustrechnung zu schonen. Komponentensicherungen, Proxyhedges oder Underlyings, die sich auf stochastische Erwartungswerte beziehen, sind nur ein paar der potenziellen Stolpersteine dahingehend. Auch qualifizieren Sicherungen von Geschäftsrisiken, unter welche Risiken in Verbindung mit Nachhaltigkeitsaspekten gegebenenfalls entfallen, nicht für die Anwendung von Hedge Accounting. Eine Berücksichtigung dahingehend ist bei der Vertragsausgestaltung also auch von Bedeutung.

Welche prozessuale Entwicklung braucht das Treasury für die Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken?

In Folge der steigenden Popularität des grünen Finanzmarkts, der parallel zunehmenden Vorgaben an ESG-konformes Handeln und der Relevanz von Nachhaltigkeitszielen, werden Treasury-Abteilungen als wichtiger Teil des Risiko Management Systems deutlich eingebundener in die Steuerung finanzieller Risiken mit Nachhaltigkeitsbezug sein. Grüne Finanzinstrumente und Derivate bringen spezifische Risiken mit sich, die im Risikomanagement analysiert und mitigiert werden müssen. 

Die Bearbeitung von Nachhaltigkeitsrisiken und grüner Finanzmärkte wird mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Aufnahme in die Richtlinien und Prozesse der Abteilungen bedürfen. Ebenso ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Accounting-Bereich notwendig, um die neuartigen Produkte sachgerecht im Abschluss abzubilden und die Auswirkungen auf die KPIs des Unternehmens zu analysieren.

Auch wird eine engere Verzahnung mit den eigentlichen operativen Kernprozessen von Nöten sein, um auch zeitnah und umfassend die Leistungsindikatoren überwachen zu können, die sich durch die neuen Produktarten nun direkt auf die treasuryrelevanten Risiken und Steuerungsgrößen auswirken können, wie etwa das verfügbare Working Capital, Finanzierungskosten und das Liquiditätsmanagement.

Welche Rolle spielt das Treasury bei der Erfüllung der Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung?

Nicht-finanzielle KPIs ebenso wie Offenlegungspflichten der Umweltauswirkungen und Nachhaltigkeitsbestrebungen der Unternehmen gewinnen ebenfalls zunehmend an Bedeutung. Mit dem Inkrafttreten der CSRD-Richtlinie und den Anforderungen der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) werden die Berichtspflichten für Unternehmen in der EU ab 2025 deutlich erhöht. Zum aktuellen Zeitpunkt werden mit der ESRS E2 bereits Angaben zum Emissions-Haushalt der Unternehmen gefordert, was beispielsweise bereits Angaben zu Carbon Credits erfordert. Explizite Vorgaben und Angaben zu Finanzprodukten sind hier zwar noch nicht enthalten, allerdings deutet sich auch hier bereits eine mögliche Einbindung weiterer Angaben zu Finanzinstrumenten mit ESG-Bezug an. Treasuries sollten sich auf diesen Wandel vorbereiten, um zum richtigen Zeitpunkt gewappnet zu sein. 

Kommen Sie gerne bei Fragen auf uns zu. Wir unterstützen Sie bei der reibungslosen Umsetzung der Treasury-Herausforderungen von morgen, sei es in Bezug auf moderne Prozesse und Richtlinien, der Bilanzierung und Bewertung von ESG-bezogenen Finanzinstrumenten oder der passgenauen Berichterstattung.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 148, Oktober 2024
Autoren:
Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Yannic Diefenbach, Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting &  Commodity Trading, KPMG AG