Wirtschaftlich turbulente Zeiten wirken sich unterschiedlich auf einzelne Branchen aus. In dem heutigen Newsletter soll der Fokus auf die Versicherungsbranche gelegt werden. Wir haben festgestellt, dass sich viele Kerndisziplinen mit denen eines Corporate Treasury decken, andere allerdings auch spezifisch für Versicherungen gelten.

Das Treasury eines Versicherungsunternehmens hat besondere Anforderungen zu erfüllen, da es sich um ein Unternehmen handelt, das in der Regel mit großen Geldsummen arbeitet und eine hohe Liquidität benötigt. Daneben hat das Thema Regulierung und Reporting einen besonders hohen Stellenwert. Ähnlich wie in Corporate Treasury sind das Thema Sicherheit im Zahlungsverkehr und Risikomanagement wichtig.

Im Folgenden möchten wir uns auf die Besonderheiten im Liquiditätsmanagement und das Risikomanagement konzentrieren.

1. Liquidität:

Ein Versicherungsunternehmen muss jederzeit über ausreichende Liquidität verfügen, um seine Verpflichtungen gegenüber Kunden und anderen Parteien erfüllen zu können. Das Treasury muss daher sicherstellen, dass es genügend liquide Mittel gibt, um kurzfristige Verpflichtungen zu erfüllen.

Das Cash Management ist ein wichtiger Bestandteil des Liquiditätsmanagement eines jeden Unternehmens. Es umfasst die kurzfristige Disposition aller Bankkonten, die integrierte Anlage von Finanzinstrumenten sowie die Liquiditätsplanung innerhalb eines Systems. Doch unterscheiden sich die benötigten Funktionen in jedem Unternehmen? Abhängig von Unternehmensbranche, Größe, Anwenderzahl und Zielbild unterscheiden sich Systeme sowie die Fokussierung auf einzelne Themen. Im Folgenden möchten wir auf die besonderen Erfordernisse im Versicherungsbereich eingehen.

Die BaFin hat eine Überwachungsfunktion und die Versicherung unterliegt bei der Sicherstellung ihrer Liquidität strengeren Regulatorien als andere Unternehmen. Es gelten die Vorschriften der Solvency II Richtlinie, die sicherstellen soll, dass Versicherungsunternehmen ausreichend Kapital haben, um ihre Zahlungsverpflichtungen einzuhalten. Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in Deutschland gilt grundsätzlich ebenfalls und wurde durch die Solvency II Richtlinie ergänzt und angepasst. Die Solvency II Richtlinie besteht aus 3 Säulen: Aus den quantitativen Anforderungen an das Risikomanagement, also die Berechnung von Mindestkapitalanforderungen und Solvabilität. Als Zweites aus den qualitativen Anforderungen an das Risikomanagement wie die Implementierung von Prozessen und Systemen zur Risikoeinschätzung und Überwachung. Die dritte Säule betrifft die Offenlegung von Informationen, um Transparenz über die Risikosituation zu schaffen.

Das Treasury-Team ist in Versicherungsunternehmen für das Management der finanziellen Ressourcen des Unternehmens verantwortlich, einschließlich der Verwaltung von Liquidität, Kapital und Risiken. Bei der Liquiditätssteuerung ist ein diversifiziertes Portfolio wichtig. Zur Steuerung des Risikomanagements sind Automatismen nötig, um die Vorgaben des VAG einzuhalten und risikoarm, aber kapitaloptimiert zu arbeiten.

Unterstützung des Liquiditätsmanagements bietet eine strukturierte Liquiditätsanalyse im ERP-System. In einem SAP-System gibt es die Möglichkeit mit der detaillierten Aufteilung von Cash Flows und deren regelbasierten Zuweisung zu versicherungsspezifischen Geschäftsvorfällen. Diese werden in einer Liquiditätshierarchie dargestellt. Durch das regelmäßige Monitoring lassen sich alle Liquiditätspositionen visualisieren: Sowohl regelmäßige Versicherungsbeiträge oder andere einmalige eingehende Cash Flows auf Eingangsseite ‒ versicherungsproduktspezifisch geclustert ‒ sowie ausgezahlte Schadenregulierungen, Rückzahlung zum Rückkaufswert, Investitionen in Anlagen, die kurz-, mittel- und langfristig sind. Aufbauend auf der Liquiditätsanalyse erfolgt eine Liquiditätsplanung mit einer Planungssoftware, die eine möglichst automatisierte Prognose der Liquidität auf Basis von Eingangsdaten ermöglicht. Ein mögliches Werkzeug ist ein auf SAP basiertes Werkzeug SAP Analytics Cloud. Diese dient der Liquiditätssteuerung, die zu einem verbesserten Risikomanagement beiträgt. Das Ziel ist die Integration von Daten aus verschiedenen Quellen, einschließlich SAP-Systemen, Cloud-Services und lokalen Datenquellen. Moderne Softwarelösungen bieten leistungsstarke Analysefunktionen, einschließlich Predictive Analytics und Machine Learning, die es Unternehmen ermöglichen, Trends und Muster in ihren Daten zu identifizieren. Diese Trends können beispielsweise eine periodische Erhöhung der Schadenszahlungen in bestimmten Versicherungsbereichen sein, die durch Analyse aufgedeckt werden könnte.

Ein weiteres Kapitel im kurzfristigen Liquiditätsmanagement ist das Cash Pooling. Dieses betrifft vor allem die kurzfristige Liquidität. Die Nutzung eines Cash Pools kann in Versicherungen die Liquidität erhöhen. Ein Cash Pooling lässt sich auf Bankenseite oder alternativ auf Unternehmensseite einrichten. Mit den neuesten Cash Management Systemen bietet sich die Möglichkeit, ein automatisiertes Cash Pooling auch für Konten in unterschiedlicher Währung oder bei verschiedenen Banken einzurichten. Dies wird im Gegensatz zum gängigen Cash Pooling über das System des Unternehmens gesteuert. Im Ergebnis erhöht sich die kurzfristig verfügbare Liquidität, was für die zufälligen Zahlungszeitpunkte in der Schadensregulierung von Vorteil ist.

2. Risikomanagement:

Ein Versicherungsunternehmen ist vielen Risiken ausgesetzt, Das Treasury muss daher sicherstellen, dass es geeignete Risikomanagement-Strategien und -Instrumente gibt, um diese Risiken zu minimieren und der Solvency II Richtlinie zu entsprechen.

  • Marktrisiken: Hierbei geht es um Risiken, die aus Schwankungen auf den Finanzmärkten resultieren, zum Beispiel Veränderungen von Zinsen, Aktienkursen oder Wechselkursen.
  • Kreditrisiken: Hierbei geht es um das Risiko, dass ein Schuldner seine Verpflichtungen nicht erfüllen kann, zum Beispiel bei der Investition von Prämien in Anleihen.
  • Konzentrationsrisiko: Dieses entsteht, wenn ein zu großer Anteil der verfügbaren Liquidität in das gleiche Finanzinstrument oder Portfolio investiert wird.
  • Liquiditätsrisiken: Hierbei geht es um das Risiko, das ein Unternehmen nicht in der Lage ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen, zum Beispiel bei der Auszahlung von Schadensersatz.

Ein Liquiditätsrisiko entsteht auch durch die Anlage von Kapital ‒ es ist jedoch unvermeidbar, da durch den Wettbewerb zwischen den Versicherern und den Interessen der Kapitalgeber verfügbare liquide Mittel Ertrag bringend am Kapitalmarkt angelegt werden sollen. Ziel der Liquiditätssteuerung und des Konzeptes sollte die Minimierung dieser Risiken sein, unter Abwägung der Opportunitätskosten.

Zur Steuerung der Risiken setzen Versicherungsunternehmen verschiedene Instrumente ein, um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen und somit das Risiko von Strafen oder Sanktionen reduzieren. Als Grundlage für das Risikomanagement im Treasury-Team eines Versicherungsunternehmens wird ein unternehmensspezifisches Konzept für die Risikotoleranz und Risikotragfähigkeit benötigt. Dieses Konzept bietet dem Treasury-Team Handlungsempfehlungen zur Steuerung des Liquiditäts- und Konzentrationsrisikos. Dabei sollten alle Arten von Finanzinstrumenten bewertet werden, um damit einhergehende Risiken und auch Wechselwirkungen besser einschätzen zu können.

  • Diversifikation: Durch eine breite Diversifikation des Portfolios kann das Risiko von Verlusten aufgrund von Marktschwankungen reduziert werden.
  • Risikomodellierung: Durch die Verwendung von Risikomodellen können Versicherungsunternehmen Risiken besser einschätzen und steuern.
  • Rückversicherung: Durch den Abschluss von Rückversicherungsverträgen können Versicherungsunternehmen das Risiko von hohen Schadensfällen reduzieren.
  • Liquiditätsmanagement: Durch ein effektives Liquiditätsmanagement können Versicherungsunternehmen sicherstellen, dass sie in der Lage sind, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.
  • Compliance-Management: Durch ein effektives Compliance-Management können Versicherungsunternehmen sicherstellen, dass sie alle gesetzlichen und fachlichen Anforderungen an das Treasury erfüllen.

Abschließend lässt sich sagen, dass das Liquiditäts- und Risikomanagement in allen Branchen eine zentrale Rolle spielt. Eine diversifizierte Portfoliostruktur ist hierbei von großer Bedeutung, um das Risikomanagement zu steuern und die Vorgaben der Solvency II zu erfüllen. Ein unternehmensspezifisches Konzept für die Risikotoleranz und Risikotragfähigkeit können dabei helfen, risikoarm und kapitaloptimiert zu arbeiten.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 138, November 2023
Autoren:
Börries Többens, Partner, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG 
Nadine Hauptmann, Managerin, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG