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Die fortwährenden Zinsanstiege und die damit einhergehende Verteuerung von klassischen Finanzierungen (beispielsweise Darlehen, Anleihen) lässt Steuerungsmaßnahmen im Working Capital Management wieder in den Fokus rücken. Mit ABS-Transaktionen oder klassischem Factoring stehen Unternehmen hierfür beliebte und gegenwärtig wieder vermehrt genutzte Vehikel zur Verfügung.  

Mit Blick auf die bilanziellen Auswirkungen stellt sich für Unternehmen bei der Durchführung entsprechender Maßnahmen regelmäßig die Frage, ob die im Rahmen von ABS-Transaktionen oder Factoringvereinbarungen veräußerten Handelsforderungen ausgebucht werden dürfen. In diesem Zusammenhang wurde im Corporate Treasury Newsletter Ausgabe 135/August 2023 bereits auf entsprechende Herausforderungen und Fallstricke bei der Würdigung nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften (insb. IFRS 9) hingewiesen. Stellen Unternehmen, die Ihre Handelsforderungen weiterveräußern, zusätzlich oder lediglich einen handelsrechtlichen Einzel- oder Konzernabschluss auf, gilt es die mitunter ähnlichen, jedoch im Detail von IFRS abweichenden Regelungen für einen Forderungsabgang nach HGB zu beachten. 

Das Handelsrecht enthält keine konkreten Vorgaben, wann ein Forderungsabgang als sachgerecht zu erachten und bilanziell abzubilden ist. Die zu beachtenden Vorgaben ergeben sich vielmehr aus Sekundärliteratur wie dem IDW RS HFA 8.1

Sollten die Forderungen im Rahmen einer ABS-Transaktion an eine Special Purpose Entity (SPE) veräußert werden, welche wiederum unter Hingabe der Forderungen als Sicherheiten Finanzmittel am Kapitalmarkt aufnimmt, so ist in Analogie zu IFRS zunächst die Konsolidierungspflicht für die SPE zu überprüfen (HFA 8, Tz. 16). Sofern die Konsolidierung der SPE geboten ist, ist die Ausbuchung der veräußerten Forderungen im handelsrechtlichen Konzernabschluss zu verneinen. 

Für die handelsrechtliche Beurteilung eines Forderungsabganges sind in der Folge zwei Ebenen zu betrachten: Der Übergang des zivilrechtlichen sowie des wirtschaftlichen Eigentums. Der Übergang des zivilrechtlichen Eigentums stellt hierbei ein zwingendes, jedoch nicht allein hinreichendes Erfordernis für die Ausbuchung dar. Es wird gefordert, dass alle (gegebenenfalls bedingten) Rechtsansprüche auf Zahlungsströme, die dem Übertragenden zustehen, dauerhaft, unwiderruflich und bedingungslos auf den Käufer übertragen werden. Erfahrungsgemäß erfolgt die zivilrechtliche Übertragung in der Regel durch einen Kaufvertrag neben dem eine dingliche Übertragung in Form einer Abtretung der Forderungen an den Erwerber tritt. Zwingend erforderlich ist hierbei, dass der Erwerber in der Lage ist, alle eigentümertypischen Rechte, beispielsweise die Forderungen an Dritte weiter zu veräußern, auszuüben (HFA 8 Tz. 10). 

In diesem Rahmen ist auch die Frage zu beurteilen, ob die Abtretung auf Dauer erfolgt oder eine fest vereinbarte Rückübertragung der Forderungen im Sinne eines echten oder unechten Pensionsgeschäftes nach § 340b HGB existiert (HFA 8 Tz. 11). Analog zu den Regelungen des IFRS erfüllt eine offene Zession i.S.v. §409 BGB, bei der die Abtretung gegenüber dem Schuldner offengelegt wird, grundsätzlich die Anforderungen an eine solche Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums. Während die IFRS für stille Zession i.S.v. 407 BGB fordern, dass der Erwerber dem Schuldner die Abtretung unbedingt oder unter Voraussetzungen, die den eigentümertypischen Rechten und Interessen des Erwerbers Rechnung tragen, anzeigen kann, gilt handelsrechtlich, dass auch eine stille Zession grundsätzlich unschädlich für die Ausbuchungsentscheidung ist (HFA 8, Tz. 13; BeBiKo §264 HGB Tz. 47).

Weiterhin ist für eine zivilrechtliche Übertragung der Rechte in der Regel unschädlich, wenn der Forderungsverkäufer gewisse eigentümertypische Rechte wie Forderungsverwaltung und Forderungseinzug (Servicing) weiterhin durchführt (HFA 8 Tz 10). 

Neben dem Übergang des zivilrechtlichen Eigentums ist insbesondere die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums von Bedeutung (§246 Abs 1 S2 HS2 HGB). Fallen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinander, ist ein Vermögensgegenstand beim wirtschaftlichen Eigentümer auszuweisen (BeBiKo zu §246 HGB, Rn 5.) Ob es durch den Veräußerungsvorgang im Rahmen von ABS-Transkationen oder Factoringprogrammen auch zur Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums kommt, hängt insbesondere davon ab, inwiefern der Verkäufer „keinerlei Bonitätsrisiken" aus den veräußerten Forderungen mehr trägt und diese vollständig auf den Erwerber übergegangen sind (HFA 8, Tz. 7). 

Dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums steht nichts entgegen, wenn der Veräußerer für den rechtlichen Bestand der übertragenen Forderungen oder ihre pflichtgemäße Auswahl einzustehen hat (Veritätsrisiken), da es sich hierbei um Gewährleistungspflichten außerhalb des Bonitätsrisikos handelt (HFA 8, Tz. 20). Weiterhin ist es für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums unerheblich, ob der Verkäufer für Kaufpreisminderungen einsteht, die sich aus der Inanspruchnahme von Rabatten, Boni, Skonti, u. a. (sogenannte Verwässerungsabschläge) ergeben (HFA 8, Tz 24). Hierfür gegebenenfalls gebildete Reserven sind typischerweise nicht in die Ausbuchungsentscheidung einzubeziehen. 

Der Forderungskäufer behält im Rahmen der Kaufpreisbemessung in der Regel einen Risikoabschlag für das Delkredererisiko (Bonitätäsrisiko) ein. Ist der Kaufpreisabschlag fixiert, so handelt es um einen regresslosen Verkauf, welcher unschädlich für eine Ausbuchung ist. Würde zu Veranschaulichungszwecken ein hoher, aber fixierter bzw. nicht erstattungsfähiger Kaufpreisabschlag definiert, so würde dies zwar einen ungünstigen Vertrag für den Übertragenden darstellen, die Übertragung der Chancen und Risiken würde jedoch außer Frage stehen. Analog zu IFRS entfällt für diesen Fall eine quantitative Würdigung (BeBiKo zu §246 HGB, Tz. 48). 

Ist der Kaufpreisabschlag (bzw. First-Loss-Garantie oder Reserve) jedoch nicht fixiert bzw. erstattungsfähig und somit von der Bonität der Debitoren abhängig, so hat regelmäßig eine quantitative Würdigung zur Angemessenheit des erhobenen Abschlages zu erfolgen. In Abhängigkeit der Portfoliozusammensetzung ist für die quantitative Analyse eine geeignete Methode auszuwählen. Ein unangemessen hoher, erstattungsfähiger Kaufpreisabschlag führt insofern dazu, dass der Veräußerer weiterhin maßgeblich an den bonitätsbedingten Chancen und Risiken partizipiert (HFA 8 Tz. 21ff.). In der Folge kommt es nicht zu einem Abgang der veräußerten Forderungen.

Auch wenn nach HFA 8, Tz. 7 explizit auf das Delkredererisiko als wesentliches Entscheidungskriterium verwiesen wird, ist analog zu IFRS auch der Einfluss weiterer, den Forderungen inhärenter Risiken, zu analysieren. Hierbei könnte es sich beispielsweise um Währungsrisiken oder Zinsrisiken handeln. In der Regel wird eine Verzinsung des verkauften Nominals vereinbart, die auch für Zeiträume, in denen die Forderungen bereits überfällig geworden sind, zu entrichten ist. Hierdurch entsteht ein Risiko verspäteter Zahlung, welches bis zum Eintritt des Delkrederefalles regelmäßig durch den Veräußerer zu tragen ist. Inwiefern der Verbleib dieses „Spätzahlerrisiko“ einer bilanziellen Ausbuchung entgegensteht ist im Einzelfall zu untersuchen.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass sich die anzuwendenden Ausbuchungskriterien zwischen IFRS und Handelsrecht zumeist ähneln, im Detail aber Unterschiede bestehen. Insofern sollte bei der Anbahnung entsprechender Transaktionen das Vertragswerk sowie das Risikoprofil des zum Verkauf vorgesehenen Portfolios auch nach den handelsrechtlichen Vorgaben gewürdigt werden. Gerne stehen Ihnen unsere Experten des Finanz- und Treasury Managements für einen praxisnahen Austausch und eine weitere Diskussion zur Verfügung.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 137, Oktober 2023
Autoren:
Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG 
Jan-Philipp Wallis, Senior Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Christopher Wilksen, Assistant Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG

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Weitere Quellen sind u.a. der Becksche BiKo, sowie das WP-Handbuch.