Volatile Rohstoffmärkte, steigende Zinsen, die Bedrohung durch Cyber-Attacken und zudem ein äußerst kompetitives Ringen um qualifiziertes Personal – die exogen getriebenen Anforderungen an die Treasury Organisation nehmen weiter zu. Und gleichzeitig wollen auch endogene Anforderungen an die Treasury Organisation verlässlich erfüllt sein, denn hier werden schließlich äußerst sensible Daten verarbeitet.

In diesen dynamischen Zeiten sollte die Treasury Policy als Orientierungspunkt und Rückgrat der Governance & Compliance Anforderungen dienen und gleichzeitig eine Resilienzquelle gegenüber äußeren und inneren Störfaktoren darstellen. Grund genug sich dem wichtigen Dokument in diesem Artikel eingehend zu widmen.

Adressatenkreis und Freigabe

Typischerweise ist eine Treasury-Policy bindend für alle Personen, die in der Treasury Funktion tätig sind, sowie für alle weiteren Mitarbeitenden eines Unternehmens, die Treasury-spezifische Tätigkeiten wahrnehmen. Dies können Mitarbeitende aus den Bereichen Finance, Controlling und Accounting sein und gelegentlich werden auch Mitarbeitende aus dem Einkauf oder der Rechtsabteilung zu Treasury-nahen Tätigkeiten herangezogen. Somit wären auch sie zur Einhaltung der Vorgaben der Treasury Policy verpflichtet. Eine klare Kommunikation des Geltungsbereichs der Treasury Policy und die Verteilung des Dokuments an die entsprechenden Adressat:innen ist an dieser Stelle von entscheidender Bedeutung. Die initiale Freigabe sowie die zyklischen Freigaben im Falle von Änderungen benötigen idealerweise die Zustimmung des CFO. Oftmals wird das über die Schaffung eines Treasury oder Finance Komitees, das für den Beschluss von strategischen Themenstellungen verantwortlich ist, dargestellt.

Typischer Inhalt einer Treasury Policy

Ein allgemeingültiger Ansatz zur Ausgestaltung der Treasury Policy existiert nicht. In erster Linie ist beim Verfassen der Treasury Policy darauf zu achten, dass diese im Einklang mit dem geltenden nationalen und internationalen Recht steht. Bei der Erarbeitung der Richtlinien sind stets die unternehmensspezifischen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Abhängig beispielsweise vom Geschäftsmodell und den dazugehörigen Marktbedingungen können unterschiedliche Schwerpunkte in der Policy gesetzt werden. Es ist jedoch wichtig, dass die Richtlinie die wesentlichen Bereiche der Treasury Funktion abdeckt. Einige zentrale Bereiche lassen sich demnach in nahezu sämtlichen Treasury Richtlinien vorfinden:

Treasury Funktionen & Ziele: Zu Beginn einer Treasury Policy werden regelmäßig die Rolle, die Funktionen und die Ziele der Treasury Abteilung definiert. Ergänzend zu dieser positiven Abgrenzung kann auch eine negative Abgrenzung angeführt werden mit Verantwortlichkeiten, die explizit nicht in der Treasury Funktion sondern in einem anderen Finance-Bereich abgedeckt werden sollen. Dieser einleitende Abschnitt bietet den Adressat:innen der Richtlinie ein grundlegendes Verständnis davon, wie sich die Treasury Abteilung in das Gesamtunternehmen eingliedert, welche Aufgaben in ihren Verantwortungsbereich fallen, welche personellen Rollenprofile die dazugehörigen Aufgabenpakete übernehmen und auf einer Meta-Ebene, welche inhärenten Zielvorstellungen ihrem Handeln zugrunde liegen.

Bankwesen & Finanzierungen: Ein Abschnitt zu den unterschiedlichen Facetten des Bankenwesens ist ebenfalls essenzieller Bestandteil einer Treasury Richtlinie. Während kleinere Unternehmen teilweise nur mit einer geringen Anzahl an Banken Geschäftsbeziehungen unterhalten, kann gerade in Konzernen die Bankenlandschaft schnell unübersichtlich und komplex werden. Insbesondere in solchen Fällen ist es erforderlich, im Rahmen der Treasury Richtlinie eine ganzheitliche und bei Bedarf auch internationale Bankenstrategie auszuarbeiten. Diese basiert auf einem fundierten Kontrahenten-Risikomanagement und regelt neben den auszuwählenden Kernbanken auch eine Indikation zur maximalen Anzahl an Bankkonten und Limiten pro Bank. Eng verwandt mit der Bankenstrategie wird häufig auch festgelegt, welche Finanzierungsinstrumente ausgewählt werden können und zu welchen Zwecken diese eingesetzt werden dürfen.

Cash- & Liquiditätsmanagement und Zahlungsverkehr: Mit Blick auf die Kernfunktionen einer Treasury Abteilung ist es unabdingbar, auch die verschiedenen Dimensionen des Cash- und Liquiditätsmanagements an zentraler Stelle einheitlich zu regeln. Bei Formulierung dieses Abschnittes sollte sich die Treasury Abteilung den folgenden Fragen widmen: Welche Ziele möchte ich mit der Steuerung meiner Liquidität verfolgen? Nach welchem Modell möchte ich meine Liquidität steuern (dezentral vs. zentral)? Wird eine externe Cash Pool Struktur aufgesetzt oder übernimmt eine eigene Payment Factory die Cash Concentration? Über welche Wege und mit welchem Berechtigungskonzept möchte ich meinen Zahlungsverkehr steuern und manipulationssicher gestalten? Dies stellt nur einen Bruchteil der Fragen dar, die für ein erfolgreiches Cash- und Liquiditätsmanagement von elementarer Bedeutung sind. Die Treasury-Policy beantwortet diese Fragen und manifestiert sie in einem ganzheitlichen, kommunizierbaren Dokument.

Finanzrisikomanagement: Ein weiterer elementarer Bestandteil der Treasury Policy ist das Risikomanagement. Zunächst muss definiert werden, welche Risikoarten konkret im Blick- und Handlungsfeld der Treasury Funktion liegen. Sehr naheliegend ist, sowohl die Risiken aus Fremdwährungsgeschäften sowie Zinsrisiken aus externen Finanzierungen in der Treasury Funktion zu verorten. Daneben legen Energie- und Rohstoff-intensive Unternehmen oft auch das Management der Risiken, die von den Energie- und Rohstoffmärkten ausgehen, ebenfalls in den Verantwortungsbereich der Treasury Funktion. Eine in die Treasury Policy eingebettete Risikostrategie regelt den Risikoappetit, die in Frage kommenden Sicherungsinstrumente und den Handelsprozess und verankert beispielsweise auch ein üblicherweise generelles Spekulationsverbot für den Handel mit Derivaten.

Es wird deutlich, dass Form und Inhalte der Treasury Policy von einer Vielzahl unterschiedlicher Einflussfaktoren abhängig sind, deren Wichtigkeit sich von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden kann. So wird die Erforderlichkeit und der Detailgrad der Richtlinien häufig wesentlich von der Größe des jeweiligen Unternehmens beeinflusst, gleichwohl jedoch auch von dessen Organisationsstruktur. So können beispielsweise auch große Unternehmen über dezentralisierte Rollen und Verantwortlichkeiten agieren, wodurch Tochtergesellschaften zu einem gewissen Grad eigenständig mit lokalen Spezialrichtlinien agieren können. Im Regelfall findet sich in Großkonzernen eine zentralisierte Treasury-Organisation vor, die eine allgemeingültige, übergeordnete Treasury Policy auf Gruppenebene definiert und dann im Rahmen einer zweiten, detaillierteren Richtlinienebene auf Einzelprozessbeschreibungen und Arbeitsplatzanweisungen heruntergebrochen wird. Zu einer professionellen Richtliniensystematik gehört nicht nur, dass das Regelwerk gelebt und nachgeprüft wird, sondern auch eine regelmäßige inhaltliche Revision.

Resultierende Anforderungen an die Treasury Policy aus drei übergeordneten Entwicklungen

Letzteres gilt für alle Unternehmen gleichermaßen: die Treasury Policy sollte regelmäßig einem Review unterzogen werden. Dabei sollten interne und externe Entwicklungen im Treasury Umfeld berücksichtigt werden. Und aktuell scheint ein Update dringender denn je: die multiple Krisensituation, makroökonomische Entwicklungen und der Einfluss von Megatrends wie ESG und der digitalen Automatisierung stellen die Treasury Abteilungen von Unternehmen vor große Herausforderungen. Insbesondere in der Treasury Policy, als zentralem Handlungsleitfaden und Orientierungspunkt, sollten diese Entwicklungen berücksichtigt werden. Im Folgenden möchten wir daher beispielhaft einige Trends und ihren möglichen Einfluss auf die Treasury Richtlinie genauer beleuchten.

  1. Environmental Social Governance (ESG)
    Wer die aktuelle Fachberichterstattung rund um das Corporate Treasury verfolgt, dem wird schnell klar: Das Thema Nachhaltigkeit hat sich in den Finanzabteilungen von Unternehmen sämtlicher Größenklassen längst von einem Nischenthema zu einem zentralen Faktor entwickelt. Das Volumen grüner Finanzierungsinstrumente befindet sich auf einem rasanten Wachstumskurs, Unternehmen bemühen sich vermehrt um ein ESG-Rating und Nachhaltigkeitsberichterstattungen gewinnen rapide an Umfang und Detailgrad – das alles sind nur beispielhafte Ausprägungsformen des Bedeutungsanstiegs von Nachhaltigkeit aus Sicht der Finanzabteilung. Gedrängt von regulatorischen Initiativen (zum Beispiel CSRD, Lieferkettengesetz und EU-Taxonomie) stehen Unternehmen vor der großen Herausforderung, die veränderten Marktbedingungen schnell zu adaptieren und auf gesamtunternehmerischer Ebene in konkrete Umsetzungspläne zu übersetzen.

    Langsam, aber sicher etabliert es sich als Standard, dass Unternehmen ihre Bemühungen auf diverseren Ebenen in einer übergeordneten ESG-Strategie aggregieren und manifestieren. Auch wenn sich das allgemeine Interesse an nachhaltigen Geschäftspraktiken wohl nicht mehr bestreiten lässt, stellt sich gerade für das Corporate Treasury häufig noch die Frage nach der Materialisierung der Einflussfaktoren. Welche Maßnahmen sollten wann getroffen werden? Welche Green Finance Instrumente könnten für uns in Frage kommen? Welches Ziel verfolgen wir damit langfristig? Bei der Beantwortung dieser Fragestellung kommt die Treasury Policy ins Spiel. Als Rückgrat der Geschäftstätigkeit der Treasury Abteilung kann die Treasury Policy in solchen Fällen ein geeignetes Vehikel darstellen, um das Handeln der Treasurer mit den Inhalten der gesamtunternehmerischen ESG-Strategie in Einklang zu bringen. So kann beispielsweise die Bankenstrategie um die Komponente der ESG-Ratings der Banken erweitert werden oder die bevorzugte Nutzung von grünen Finanzierungsinstrumenten als Zielbild in der Finanzierungsstrategie definiert werden. Erste Untersuchungen zeigen, dass ausgewählte Unternehmen diese Interdependenzen bereits erkannt haben und ESG-Faktoren in ihre Treasury Richtlinien integrieren.

  2. Bedrohung durch Cyber-Angriffe und Fraud
    Die jüngsten Nachrichten aus der Treasury Welt zeigen, dass Cyber-Attacken und Payment Fraud trotz aller Bemühungen nicht gänzlich auszuschließen sind. Neben der Sensibilisierung der Treasury Mitarbeiter:innen und Motivation zur Wachsamkeit sollten Verhaltensweisen zum Umgang mit Payment Fraud und Cyber-Attacken in der Treasury Policy manifestiert werden. In Form eines Stufenplans können Handlungsanweisungen dabei helfen, im Ernstfall Zeit zu gewinnen und dafür zu sorgen, dass die Organisation handlungsfähig bleibt. Kommunikationswege sowie interne und externe Ansprechpartner:innen, wie die eigene IT- und Compliance Abteilung, System-Vendoren und Banken sollten für den Krisenfall klar definiert sein. Eine vorher festgelegte Person für das Incident-Management könnte als zentrale Ansprechpartner:in dienen und die Koordination übernehmen. Ein möglicher Stufenplan bei erfolgreicher Identifizierung eines Vorfalls könnte wie folgt aussehen:

    i. Ersteinschätzung Schadenausmaß und Kommunikation an wichtige Stakeholder
    • Welche Systeme sind betroffen?
    • Welche Personen müssen informiert werden?
    ii. Festgelegen und Durchführung von Sofort-Maßnahmen zur Schadensbegrenzung
    • Wie lange dürfen Systeme ausfallen, ohne die Geschäftsfähigkeit zu gefährden?
    • Welche Nebenwirkung von Maßnahmen sind zu befürchten?
    • Sind entsprechende Service Level Agreements vereinbart?
    iii. Planung weiterer Handlungsoptionen für die vollständige Beseitigung der Störung
    • Welche Schritte müssen folgen, um die Systemfunktionalität wieder herzustellen?
    • Welche Maßnahmen müssen erfolgen, um ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden?

  3. Steigender Technologie-Einsatz
    Die Digitalisierung der Treasury Organisation ist im vollen Gange. Aus aktuellem Anlass sei an der Stelle auf den jüngsten Technologiesprung innerhalb der sprachgenerierenden, vor-trainierten künstlichen Intelligenz (wie ChatGPT von Openai) hingewiesen. Derartige Instrumente bieten Akteur:innen in Unternehmen eine scheinbare Wunderwaffe, die zunächst ganz gezielt bei Informationsrechercheprozessen unterstützen kann und mittelfristig auch operative Aktivitäten, die bislang von Personen durchgeführt werden, ersetzen wird. Auch in Treasury Abteilungen sind Einsatzszenarien solcher Technologien vorstellbar. So können Reporting-Dokumente und ganze Präsentationen durch die KI erstellt, Rechercheprozesse automatisiert oder empirische Analysen Zeit- und Ressourcen-effizienter gestaltet werden. Gleichwohl dürfen die KI-Lösungen nicht blauäugig eingesetzt werden. Den Akteur:innen müssen die damit verbundenen Tücken bewusst sein. Das bedeutet, dass für den Umgang mit ihnen sensibilisiert werden muss. Einheitliche Vorgaben in der Treasury Policy sollten in diesem Zusammenhang dazu beitragen, eventuelle Potenziale zu identifizieren und gleichzeitig auch die Grenzen der Einsatzmöglichkeiten der Technologien klar festzulegen.

Fazit:

Die dargestellten Entwicklungen sind aktuelle Beispiele, deren Relevanz für Finanzfunktionen vor wenigen Jahren noch nicht in dem Ausmaß erkennbar war, wie das heute der Fall ist. Sie zeigen uns also, dass ein regelmäßiger Revisionsansatz insbesondere für die Treasury Policy sehr wichtig ist.

Mit dem Artikel soll vorallem auch das Bewusstsein für diejenigen Themenstellungen geschärft werden, die bislang noch gar nicht in der Gliederung von bestehenden Richtlinien vorkommen. In einem regelmäßigen Review-Prozess sollten also nicht nur Veränderungen in bereits bestehenden Gliederungspunkten beleuchtet werden, sondern stets auch die Frage, ob im inhaltlichen Gesamtgefüge auch alle relevanten Themenstellungen abgedeckt sind.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 130, März 2023
Autoren:
Nils Bothe, Partner, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
Cornelius Bonz, Manager, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG