Das vergangene Jahr hat nicht nur private Endverbraucher, sondern selbstverständlich auch Unternehmen vor unerwartete Hürden rund um den Bereich der Energieversorgung gestellt. Viele Unternehmen sind darauf angewiesen, die hohen Energiekosten und die damit zusammenhängenden gestiegenen Produktionskosten an die Kunden weiterzureichen.

Für Energieversorger und Unternehmen, die ihre Energie direkt beziehen, sind darüber hinaus zusätzliche Herausforderungen wegen der hohen Volatilität der Energiemärkte entstanden, mit bisher nicht gekannten Schwierigkeiten für das Liquiditäts- und Risikomanagement. Hierbei sind insbesondere zu leistende Margin-Zahlungen aus abgeschlossenen Preissicherungsgeschäften zu nennen, die aufgrund der preislichen Entwicklung seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs sowie der starken Schwankungsbreite der Energiepreise häufig Zu- und Abflüsse von Zahlungsmitteln in hohen Millionen-, sogar teilweise in Milliardenbeträgen aufweisen. Damit ist mit der Steuerung der Liquidität zur Sicherstellung des operativen Geschäfts eine der wesentlichen Kernaufgaben einer Treasury-Abteilung betroffen. Für das Treasury ist es jedoch äußerst schwierig die Entwicklung relevanter Einflussgrößen wie die Höhe der täglichen Margin-Calls resultierend aus starken Preisbewegungen an den Energiemärkten vorherzusehen. Die Ableitung entsprechender proaktiver Steuerungsmaßnahmen ist somit deutlich erschwert.

Einfache Lösungsansätze führen mittelfristig zu Problemen

Wie kann also ein Ansatz aussehen, der die Liquidität für hohe Margin-Zahlungen sicherstellt? Dies könnte beispielsweise durch die Ausweitung von Kreditlinien sowie die Emission von kurzfristigen Geldmarktpapieren wie Commercial Papers (CPs) geschehen.

Die Emission kurzfristiger Geldmarktpapiere zur Sicherstellung von Margin-Zahlungen führt zu einer Ausweitung des Finanzierungsvolumens über das übliche Maß hinaus. Gleichzeitig sieht sich das Treasury als Instanz der Liquiditätssteuerung damit konfrontiert, dass Margin-Zahlungen in enormer Höhe aufgrund der hohen Volatilität kurzfristig zurückfließen, wobei das Parken der entsprechenden Liquidität in dieser Größenordnung auf Bankenkonten weder ökonomisch sinnvoll und meistens technisch nicht möglich ist: Der Großteil der Banken akzeptiert Salden in dieser Höhe schlichtweg nicht. Zudem birgt die Verteilung von milliardenschweren Kontosalden auf wenige Hausbanken das Risiko einer starken Konzentration. Auch unterliegen die zufließenden Mittel meist Anlagerestriktionen. So kann das Treasury das Geld nicht beliebig an den Kapitalmärkten anlegen. Eine naheliegende Option sind dann liquide Wertpapiere von hoher Bonität, wie zum Beispiel deutschen Staatsanleihen.

Mit diesem Vorgehen holen sich die Unternehmen jedoch mehrere Probleme ins Haus, denen sie sich bewusst seien müssen.

  1. Das Bedienen hoher Margin-Zahlungen und der Rückfluss aus bereits bestehenden Margin-Konten ist schwierig zu koordinieren. Die Gefahr ist damit groß, auf der einen Seite immer mehr CPs zu emittieren oder Kreditlinien aufzunehmen und auf der anderen Seite die zurückfließende Liquidität in zinstragende Wertpapiere anzulegen. 
  2. In Zeiten sich verändernder Zinsen unterliegen Wertpapiere typischerweise größeren Wertveränderungsrisiken. Das Treasury kann so schnell in die Situation geraten, dass bereits gekaufte Wertpapiere nicht kurzfristig verkauft werden können oder die Wertveränderungen als tatsächliche Verluste realisiert werden, mit entsprechenden Auswirkungen auf Treasury-eigenen Limite.

So können Unternehmen leicht in einen Kreislauf geraten, in dem sowohl das Finanzierungs- als auch das Anlagevolumen beträchtliche Größenordnungen erreichen – mit den damit einhergehenden Verlusten durch Cost of Carry, also dem Spread zwischen Anlage- und Refinanzierungszins.

Im Resultat hat das Treasury eines Energieunternehmens bzw. eines energieintensiven Unternehmens mit verschiedenen Effekten zu kämpfen, die sich negativ auf die Profitabilität des Gesamtunternehmens auswirken.

Langfristige Lösungsansätze für das Liquiditäts- & Zinsrisikomanagement

Eine allgemeingültige Formel existiert leider nicht, mit der man Herausforderungen in volatilen Märkten angehen kann. Die denkbaren Lösungen müssen sich immer unternehmensspezifisch an internen Rahmenbedingungen wie der Anlagestrategie, der Limitausgestaltung, der Kostenstellenstruktur und auch der strategischen Ausrichtung des Treasurys innerhalb des Unternehmens orientieren.

Sowohl auf der Anlage- als auch auf der Finanzierungsseite lässt sich an Stellschrauben drehen, um mögliche Quick Wins zu realisieren. Beispielsweise könnte über kürzer laufende Wertpapiere auf der Anlageseite nachgedacht werden, die die Flexibilität erhöhen und den Credit Spread bzw. die Cost of Carry aufgrund eines niedrigeren Zinsniveaus verringern.

Zusätzlich ist die verursachergerechte Verortung der entstehenden Kosten innerhalb des Unternehmens sicherlich adäquat und führt in anderen Unternehmensbereichen zu mehr Transparenz und präziserer Incentivierung, die dem neuen Wettbewerbs- und Marktumfeld Rechnung trägt.

Um jedoch die aktuelle Stellung des Unternehmens im Kontext hoher Margin-Zahlungen und den damit zusammenhängenden Kosten zu verstehen und auf der Grundlage Handlungen abzuleiten, benötigt es einer ganzheitlichen Betrachtung im Zins- und Liquiditätsmanagement.

Fazit

Auch wenn gerade das Zinsrisikomanagement lange kein Fokusthema des Treasurers war: Nur wenn das gesamte zinstragende Geschäft entsprechend analysiert und bewertet wird, können Portfoliorisiko und Kosten verstanden, Ineffizienzen aufgedeckt, eine Absicherungsstrategie konzipiert und Opportunitäten an den Märkten ausgenutzt werden. Spätestens die jüngsten Probleme großer amerikanischer und schweizer Banken rufen die Bedeutung von Zins- und Liquiditätsrisiko zurück auf die Agenda des Treasurys.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 130, März 2023
Autoren:
Börries Többens, Partner, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
Dirk Bondzio, Senior Manager, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG
Jakob Fisahn, Manager, Finance and Treasury Management, Corporate Treasury Advisory, KPMG AG