Das Jahr 2022 war für das Finanzrisikomanagement ein ereignisreiches Jahr. Neben dem oft im Vordergrund stehenden Thema des Rohstoff- bzw. Energiepreisrisikos en-dete dieses Jahr auch die Phase negativer Referenzzinsen. Als Reaktion auf drastisch gestiegene Verbrauchermarkt-preise änderte die EZB Mitte des Jahres ihre Geldpolitik und vollzog eine historische Zinswende. Nach 7 Jahren negativer Referenzzinsen hob die EZB die Leitzinssätze unter anderem im Herbst in zwei Schritten um 75 Basispunkte an. Nach einer weiteren Erhöhung im Dezember 2022 um 50 Basispunkte, passte die EZB die Leitzinsen zuletzt am 02.02.2023 um erneut 50 Basispunkte an und erklärte sich gleichzeitig zu weiteren Zinsanhebungen in der Zukunft bereit. 

Diese Entwicklungen bringen die Absicherung von Zinsrisiken und der Abbildung mittels Hedge-Accounting nach IFRS 9 wieder zurück in den Fokus der Unternehmen. Auch Unternehmen, die aktuell nicht unmittelbar von Zinsanstiegen betroffen sind, sollten sich mit der Entwicklung und den verschiedenen Absicherungsmöglichkeiten befassen. Plant beispielsweise ein Unternehmen eine neue Schuldemission in der Zukunft, ist es aus heutiger Sicht dem Risiko ausgesetzt, dass das Zinsniveau bis zur tatsächlichen Emission weiter ansteigt und sich die Finanzierung somit verteuert. Durch einen sogenannten Pre-Hedge können Unternehmen sich gezielt gegen dieses Risiko absichern. Die bilanzielle Umsetzung eines solchen Pre-Hedges mittels Hedge-Accounting sowie etwaige Punkte, die für eine erfolgreiche Umsetzung zu berücksichtigen sind, werden in diesem Beitrag näher beleuchtet.

Durch einen Pre-Hedge können Unternehmen sich jeweils aktuelle Referenzzinssätze für zukünftige Schuldemissio-nen sichern. Ist im Rahmen der Finanzierungsstrategie eine (Re-)Finanzierung geplant oder erforderlich, kann das Unternehmen bereits zum Planungszeitpunkt entsprechende Sicherungsgeschäfte, beispielsweise Forward Starting Zinsswaps, abschließen. Ein Forward Starting Zinsswap sieht vor, mit dem Austausch von Zins-Zahlungsströmen erst zu einem zukünftigen Termin zu beginnen, dieser soll jedoch zu am Abschlusstag festgelegten Konditionen erfolgen. Mit Hilfe eines solchen Instruments lässt sich das aktuelle Zinsniveau für eine zukünftige Schuldemission fixieren. Soweit die Sicherungsbeziehung alle Anwendungsvoraussetzungen erfüllt, kann diese bilanziell im Rahmen des Cash Flow Hedge Accounting abgebildet werden. Zum Zeitpunkt der Aufnahme einer gesicherten, festverzinslichen Verbindlichkeit erfolgt sodann eine Glattstellung des Sicherungsgeschäfts und eine kontinuierliche Umgliederung der Sicherungsergebnisse in das Zinsergebnis.1

Beispielsweise könnte das Unternehmen A im Januar planen, im Juli desselben Jahres eine festverzinsliche Anleihe mit einem Volumen von €100 Mio. und einer Laufzeit von 5 Jahren zu emittieren. Um sich das gegenwärtige Zinsniveau zu sichern, entscheidet sich A dafür einen Forward Starting Zinsswap mit der Bank B abzuschließen. Der im Januar abgeschlossene Swap stimmt in den wertkritischen Parametern (beispielsweise Laufzeitbeginn im Juli über 5 Jahre, Nominal €100 Mio.) mit denen der geplanten Anleihe überein. Der Swap soll am Tag der Emission glattgestellt werden. A designiert den Swap als Hedging Instrument (IFRS 9.6.2.1) im Rahmen eines Cash Flow Hedges, das Grundgeschäft stellt die geplante Emission dar (IFRS 9.6.3.1). In der Folge werden die Marktwertänderungen des Swaps bis zu seiner Glattstellung in der Cash Flow Hedge Reserve erfasst und in der Folge über die Laufzeit der Anleihe in das Zinsergebnis amortisiert. 

Um ein stabiles Hedge Accounting zu ermöglichen, sind durch das bilanzierende Unternehmen einige Sachverhalte zu berücksichtigen. So hat die kontinuierliche Umgliederung des in der Cash Flow Hedge Reserve aufgelaufenen Sicherungsergebnis grundsätzlich unter Anwendung der Effektivzinsmethode zu erfolgen. Neben der Bestimmung des Effektivzinses für die finanzielle Verbindlichkeit (IFRS 9.5.3.1) wird ein weiterer fiktiver Effektivzins unter Einbezug des Marktwertes des Swaps bei Glattstellung errechnet. Dieser Effektivzins wird anschließend für die Umgliederung der Sicherungsergebnisse in das Zinsergebnis herangezogen und führt dazu, dass der Zinsaufwand der jeweiligen Periode annähernd dem im Designationszeitpunkt herrschenden Zinsniveau entspricht. Inwiefern eine lineare Umgliederung praktikabler ist, ist unter Beachtung der Wesentlichkeit mit dem Wirtschaftsprüfer abzustimmen. Auch ist zu bewerten, ob im Einzelfall der Effektivzins ohnehin dem Nominalzinssatz entsprechen würde.

Weiterhin ist die Tilgungsstruktur der Verbindlichkeit im Rahmen der Umgliederung der Sicherungsergebnisse zu beachten. Sollte es sich beispielsweise um ein Annuitätendarlehen mit entsprechend kontinuierlichen Tilgungszahlungen handeln, so ist das kontinuierlich abnehmende Nominal der Verbindlichkeit bei der Umgliederung des Marktwertes des Swaps zu beachten. Eine nominalgewichtete Auflösung der Cash Flow Hegde Reserve verhindert in diesem Fall einen systematischen Falschausweis des Zinsaufwands.

Zusätzlich sind Situationen zu berücksichtigen, in denen es während der Laufzeit der gesicherten Verbindlichkeit zu einer Änderung in den erwarteten Cash Flows kommt. Eine solche Änderung (IFRS 9.5.4.3, 9.B5.4.6) tritt exemplarisch auf, wenn der ursprüngliche Vertrag der Verbindlichkeit eine Verlängerungsoption beinhaltet, eine vorzeitige Tilgung auf Basis einer Kündigungsoption ermöglicht oder vorsieht, dass sich Zinszahlungen entsprechend eines Margin Grids verändern. In diesen besonderen Situationen ist eine dezidierte Einzelfallanalyse notwendig, um hinreichend sicherzustellen, dass weiterhin eine korrekte Reklassifizierung erfolgt.

Sollte es statt einer Änderung der erwarteten Cash Flows zu einer Anpassung des Vertragswerkes und daher zu einer Modifikation der finanziellen Verbindlichkeit (IFRS 9.3.3.6) kommen, so ist zu unterscheiden, ob es sich bei der vertraglichen Anpassung um eine substanzielle oder nicht-substanzielle Modifikation handelt. Handelt es sich nicht um eine nicht-substanzielle Modifikation, so ist analog zur Änderung der erwarteten Cash Flows der Einzelfall hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Auflösung der Cash Flow Hedge Reserve zu würdigen. Handelt es sich jedoch um eine substanzielle Modifikation der vertraglichen Cash Flows, so ist entsprechend IFRS 9.3.3.2 die ursprüngliche Verbindlichkeit auszubuchen und eine neue Verbindlichkeit zu erfassen. Für das Hedge Accounting bedeutet dies, dass das ursprüngliche Hedged Item nicht mehr existiert und Hedge Accounting somit aufzulösen ist. Der in der Cash Flow Hedge Reserve residual verbleibende Betrag ist hierbei zum Zeitpunkt der Modifikation vollständig in die Gewinn- und Verlustrechnung zu überführen.

Abschließend ist zu erwähnen, dass der Umgang mit dem Kreditausfallrisiko eine nicht zu vernachlässigen Rolle bei der Anwendung eines Pre-Hedges spielt. So darf nach IFRS 9.6.4.1(c)(ii) das Kreditrisiko die Sicherungsbeziehung nicht dominieren. Dies bedeutet, dass das Kreditrisiko die gegenläufigen Wertänderungen von Grund- und Sicherungsgeschäft nicht fortlaufend neutralisieren darf. Weiterhin ist der Fair Value des Hedging Instruments um den Effekt des Kreditausfallrisikos (CVA/DVA, siehe IFRS 13.42) zu korrigieren. Da dieses nicht Teil der Sicherungsbeziehung bzw. Bestandteil des gesicherten Grundgeschäftes ist, führt die Berücksichtigung des CVA/DVA folglich zu rechnerischen Ineffektivitäten. Insbesondere bei langlaufenden und großvolumigen Swaps hat die Wahl der entsprechenden Berechnungsmethode einen signifikanten Einfluss auf die Höhe der errechneten Ineffektivität. 

Nicht zu empfehlen ist hierbei die Anwendung des sogenannten Add-on Verfahrens. Hierbei wird der aktuelle Marktwert um einen laufzeit- und instrumentenspezifischen Zuschlag ergänzt, der als Schätzwert der Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Wertentwicklung Rechnung tragen soll. Dieses vereinfachte Verfahren führt bei Zinsswaps regelmäßig zu einer Überschätzung der Risikoposition und folglich des Korrekturbetrages für das CVA/DVA. Stattdessen sind das Variable Exposure Verfahren oder gar eine simulationsbasierte Methode zu empfehlen. Im Rahmen des Variable Exposure Verfahren wird der Exposureverlauf anhand der für die Fair Value-Ermittlung berechneten Cashflows nachgezeichnet. Simulationsbasierte Verfahren ermitteln hingegen verschiedene Exposureverläufe basierend auf Angaben einer Verteilung. Beide Verfahren führen im Vergleich zum Add-on Verfahren zu genaueren CVA/DVA-Ergebnissen und somit zu verringerten Ineffektivitäten im Hedge Accounting.

Vor dem Hintergrund des aktuellen Zinsumfeldes bietet die Umsetzung eines Pre-Hedge sowie dessen bilanzielle Abbildung mittels Hedge-Accounting eine sinnvolle Möglichkeit , sich das aktuelle Marktzinsniveau für geplante Schuldemissionen zu sichern. Das Finance und Treasury Management Team steht Ihnen gerne für einen praxisnahen Austausch und eine weitere Diskussion zur Verfügung.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 129, Januar/Februar 2023
Autoren:
Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Management, Treasury Accounting &  Commodity Trading, KPMG AG 
Jan-Philipp Wallis, Senior Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG

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Bei Emission einer variabel verzinsten Verbindlichkeit wird hingegen der Swap fortgeführt.