Wie in einem vorangegangen Newsletter bereits thematisiert, erweitert der IFRS 9 die Absicherungsmöglichkeiten unter Anwendung der Hedge Accounting Vorschriften. Anstelle der Absicherung des gesamten beizulegenden Zeitwerts bzw. der gesamten Cashflows, lässt sich bei Commodities häufig auch nur ein Teil der Risiken des Grundgeschäfts finanzwirtschaftlich absichern, so dass eine Designation bestimmter Komponenten des Grundgeschäfts (sog. Risikokomponente) wünschenswert ist. In diesem Beitrag soll vor allem die spezifische Vorgehensweise für die Designation einer Risikokomponente weitergehend dargestellt werden. Allgemein stellt die Designation einer Risikokomponente eine wesentliche Änderung gegenüber den bisherigen Vorschriften (IAS 39) dar, bei denen nicht-finanzielle Grundgeschäfte entweder nur gegen das Fremdwährungsrisiko oder insgesamt gegen sämtliche Risiken (in its entirety for all risks) designierbar waren. Als Voraussetzung zur Designation einer Risikokomponente unter IFRS 9 muss jeweils eine separate Identifizierbarkeit der Komponente(n) sowie eine verlässliche Bewertung der Veränderungen der Cashflows bzw. des Fair Value des Grundgeschäfts erfüllt sein (IFRS 9.6.3.7(a) i.V.m. IFRS 9.B6.3.8). Es ist nicht zulässig, vereinfachend eine dem Sicherungsinstrument gleichwertige Risikokomponente ohne Weiteres auch dem Grundgeschäft zuzuschreiben.

Im Hinblick auf die Designation einzelner Risikokomponenten nach IFRS 9 kann dabei zwischen vertraglich vereinbarten (explizite Risikokomponente) und nicht vertraglich festgelegten Risikokomponenten unterschieden werden. Nicht vertraglich festgelegte Risikokomponenten sind (implizit) in den Cashflow- bzw. Fair Value-Veränderungen des Gesamtpostens enthalten, auf den sich die Risikokomponente bezieht (IFRS 9.B6.3.10). Das alleinige Vorliegen einer physischen Komponente als Teil des gesamten Grundgeschäfts reicht allgemein nicht aus, um die Voraussetzungen (das heißt eigenständige Identifizier- und zuverlässige Bewertbarkeit) als Risikokomponente vollständig zu erfüllen. In diesem Sinne kann das Vorhandensein einer physischen Komponente im Grundgeschäft allenfalls einen Ausgangspunkt für die weitere Analyse darstellen. Sofern neben der physischen Komponente auch eine vertragliche Spezifizierung der Risikokomponente erfolgt, lässt sich der Nachweis einer separaten Identifizierbarkeit und verlässlichen Bewertung des Grundgeschäfts einfacher führen, da regelmäßig auf eine vertraglich vereinbarte Preisformel oder anderweitige Indexierung zurückgegriffen werden kann. In diesen Fällen ist häufig auch die zuverlässige Bewertbarkeit als unkritisch(er) anzusehen, da für die Bewertung üblicherweise auf beobachtbare Daten zurückgegriffen werden kann. Es kann jedoch auch Konstellationen geben, in denen zwar Kassakurse für die Bestimmung der vertraglichen Cashflows zur Verfügung stehen, die Terminkurse zur Bewertung jedoch nicht zuverlässig messbar sind. Grundsätzlich verlangt eine verlässliche Bewertung hierbei, dass veröffentlichte Preise auf aktiven Märkten vorliegen oder die Preisfaktoren anderweitig verlässlich bestimmt werden können (IFRS 9.6.3.7(a) i.V.m. IFRS 9.B6.3.10). 

Weder das Vorliegen einer physischen Komponente als Bestandteil noch eine weitergehende vertragliche Spezifizierung der Risikokomponente ist aber explizit vorgeschrieben. Gegenüber vertraglich festgelegten Risikokomponenten muss bei nicht vertraglich festgelegten Risikokomponenten für den Nachweis der separaten Identifizierbarkeit eine noch detailliertere Beurteilung vorgenommen werden. Zur Erfüllung der Anforderungen hat diese Beurteilung im Kontext der jeweiligen Marktstruktur und den damit verbunden Fakten und Umständen einzelfallabhängig zu erfolgen (IFRS 9.B6.3.9f.). 

Im Zusammenhang mit der Identifizierbarkeit sowie der Bewertung hat unabhängig von der vertraglich festgelegten oder nicht vertraglich festgelegten Risikokomponente eine weitere Analyse der Preisstruktur des Grundgeschäfts zu erfolgen. Zur Darstellung der maßgeblichen Faktoren und Begründung der Preisbildungsstruktur bedarf es einer glaubwürdigen Darstellung und intersubjektiven Nachprüfbarkeit, inwiefern die jeweilige Komponente den Preis des gesamten nicht finanziellen Postens beim Produktionsprozess bzw. der Preisermittlung beeinflusst. Das alleinige Abstellen auf eine Korrelation der Preise zwischen der Komponente und dem gesamten Grundgeschäft wird als nicht ausreichend angesehen. Es muss somit ein direkter Zusammenhang zwischen der Risikokomponente und der Preisbildungsstruktur (zum Beispiel explizite oder implizite Preisformeln) nachgewiesen werden. Insbesondere bei der Absicherung von Risikokomponenten bei Produkten mit höherem Fertigstellungsgrad, wie Halbfertig- und Fertigprodukte, kann der Nachweis der Preisbildungsstruktur herausfordernd bis nur schwer zu führen sein. Als Beispiel für eine mögliche Risikokomponente wäre der Rohölanteil bei Raffinerieprodukten wie Kerosin denkbar. Es ist jedoch weitergehend notwendig, den Einfluss des Rohölpreises auf den Kerosinpreis zuverlässig zu identifizieren, da unter Umständen noch weitere Einflussfaktoren den Preisbildungsprozess (wesentlich) beeinflussen. Demgegenüber scheint beispielsweise die Absicherung des Preises für Kautschuk als Bestandteil von Autoreifen (in Form einer Risikokomponente) trotz physischem Bestandteil als fragwürdig. Der Hintergrund ist hierbei, dass der Preisbildungsprozess für Autoreifen nicht direkt, sondern scheinbar nur indirekt über den Preis für Kautschuk bestimmt wird.

Als weitere Beispiele für mögliche (vertraglich festgelegte) Risikokomponenten im Commodity-Bereich lassen sich die folgenden Sachverhalte nennen: 

  • ein Erdgaspreis, der vertraglich zu einem Teil an einen Gasöl-Benchmarkpreis und zum anderen Teil an einem Benchmarkpreis für Heizöl gebunden ist, 
  • ein Strompreis, der vertraglich zu einem Teil an einen Kohle-Indexpreis gebunden ist und zum anderen Teil auf Übermittlungsentgelte, die auch eine Inflationsindexierung enthalten, 
  • der Preis eines Kabels, der vertraglich zu einem Teil an einen Kupfer-Bechmarkpreis und zum anderen Teil an einen variablen Aufschlag in Abhängigkeit von den Energiekosten gekoppelt ist,
  • ein Kaffeepreis, der zu einem Teil vertraglich an einen Referenzpreis für Arabica-Kaffeebohnen und zum anderen Teil an Transportkosten mit einer Indexierung an den Dieselpreis gebunden ist.

Die Einschätzung, ob eine Risikokomponente ein zulässiges Grundgeschäft darstellt, kann in nicht eindeutigen Fällen sehr aufwendig sein, um ausreichende qualitative wie auch quantitative Nachweise zu erbringen. Die Zusammenhänge der Risikokomponente auf den Gesamtpreis des Grundgeschäfts (ohne Preisformel) sind mit Hilfe von quantitativen bzw. statistischen Analysen weitergehend zu belegen. Hierbei bietet es sich an, bei keinen vorhandenen Preisformeln hilfsweise eine implizite Preisformel zu ermitteln. Beispielsweise kann zur Beurteilung der Preisbildungsstrukturen auf eine multiple Regressionsanalyse zurückgegriffen werden, um die entsprechenden Einflussfaktoren und Interdependenzen zwischen den verschiedenen Inputvariablen bezüglich der Preisbildungsstruktur zu bestimmen. Um den Aufwand sowie die Nachweise zur Designation von Risikokomponenten als Grundgeschäfte im Hedge Accounting zu verringern, sind auch entsprechende Anpassungen am betrieblichen Risikomanagement sowie der Vertragsausgestaltung denkbar. Als besonders vorteilhaft erweisen sich hierbei eine transparentere Preisgestaltung der Lieferverträge sowie die Inkludierung von expliziten Preisformeln, sofern diese betriebswirtschaftlich umsetzbar sind. 

Die Notwendigkeit einer weiteren Analyse führt dazu, dass neben dem Accounting und dem Treasury in jedem Fall auch weitere Abteilungen wie der Einkauf und der Vertrieb eingebunden werden müssen, die den relevanten Markt ausreichend gut kennen. So scheint eine Separierung einer Risikokomponente insbesondere möglich, wenn die Komponente üblicherweise im nationalen bzw. internationalen Handel oder ein in der jeweiligen Branche regelmäßig verwendetes Element in der Preisbildungsstruktur der Grundgeschäfte am Markt darstellt. Unter Berücksichtigung der üblichen Handelsusancen resultiert eine individuelle sowie von der jeweiligen Marktstruktur im Einzelfall abhängige Beurteilung (IFRS 9.BC6.176). 

Abschließend gilt es noch zu erwähnen, dass basierend auf den Kriterien einer eindeutigen Identifizierbarkeit und separaten Bewertung die Designation einer Residualgröße ausgeschlossen ist. Insofern kann eine Designation des verbleibenden beizulegenden Zeitwerts oder der Cashflows eines Grundgeschäfts oder einer Transaktion nicht designiert werden, wenn diese Residualgröße keine eindeutig quantifizierbare Auswirkung auf das Grundgeschäft hat. Als weitere Anforderung ist hierbei zu beachten, dass die Risikokomponente kleiner als die gesamte Position sein muss. 

Nicht zu vernachlässigen sind ebenso die spezifischen Angabepflichten bei Anwendung der Designation spezifischer Risikokomponenten. So bedarf es einerseits einer Erläuterung der Bestimmung der designierten Risikokomponente (IFRS 7.22C(a)) sowie andererseits einer Beschreibung der Beziehung zwischen Risikokomponente und Grundgeschäft (IFRS 7.22C(b)).

Vor dem Hintergrund der volatilen Rohstoffpreise bieten die Regelungen zur Designation von Risikokomponenten weitreichende Möglichkeiten, neuartige Grundgeschäfte zur Absicherung von Commodity-Preisrisiken zu evaluieren und zu designieren. Das Finanz- und Treasury-Management Team steht Ihnen gerne für einen praxisnahen Austausch und eine weitere Diskussion zur Verfügung.

Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 128, Dezember 2022
Autoren:
Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG 
Björn Beckmann, Manager, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG