Auf Grundlage der gesteigerten Relevanz und den künftig umzusetzenden Transparenzanforderungen mit Blick auf die Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens ist der Begriff „ESG“ (“Environmental, Social and Governance“) mittlerweile auch für die Treasury/Finance-Funktion ein alltäglicher Begleiter geworden. Abseits der öffentlichkeitswirksamen Emission von ESG-linked Finanzierungen (beispielsweise Green Schuldscheindarlehen oder Green Bonds1) und deren Absicherungen (ESG-Linked Hedging) spielt der Faktor ESG jedoch auch bei der Ausgestaltung anteilsbasierter Vergütungsformen bereits seit mehreren Jahren eine zunehmend große Rolle.

In den großen deutschen Aktienindices sind Nachhaltigkeitsaspekte bei anteilsbasierten Vergütungsprogrammen zwar nicht flächendeckend, jedoch vereinzelt seit mehreren Jahren zu beobachten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die „ESG“-Dichte in der jüngeren Vergangenheit merklich zugenommen hat und das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile als fester Bestandteil eines modernen, anteilsbasierten Vergütungsprogrammes angesehen werden. 

In der konkreten Ausgestaltung ist eine Vielfalt von Deutungen des Begriffes „ESG“ zu beobachten und entsprechende Zielgrößen oder Kennzahlen werden stark unternehmensindividuell interpretiert. Beispielhaft werden Nachhaltigkeitsziele in Form einer Zielgröße für den künftigen CO2-Ausstoß der Produktionsanlagen,2 eines unternehmensindividuellen Sustainability-Score (gemessen auf Basis diverser Indikatoren wie Emissionen, Recycling-Quoten, Arbeitsbedingungen etc.)3 oder durch Teilnahme eines durchgeführten Corporate Sustainability Assessments und der dortigen Platzierung, operationalisiert.4 Ferner wird der Zielerreichung für etwaige ESG-Komponenten bei anteilsbasierten Vergütungsformen bisweilen ein eher geringes Gewicht in Bezug auf die Gesamtzielerreichung (in der Regel ca. 20%) beigemessen. Es ist jedoch zu erwarten, dass deren Relevanz mit zunehmender Öffentlichkeitswirkung der Nachhaltigkeitsdebatte künftig ansteigen wird. Zudem wird durch das Fortschreiten der Standardisierung des Nachhaltigkeitsreporting durch das ISSB davon auszugehen sein, dass sich standardisierte KPIs etablieren werden, welche „ESG“ gegebenenfalls sogar auf Grundlage künftig verfügbarer Marktdaten objektiv messbar und vergleichbarer machen. 

Bei anteilsbasierten Vergütungsformen erfolgt die Ausgestaltung von ESG-Komponenten derzeit sowohl als non-market performance conditions im Sinne des IFRS 2.19 (Erfüllung der Zielkriterien innerhalb des Erdienungszeitraumes) als auch in Form von non-vesting conditions im Sinne des IFRS 2.21A (Erfüllung der Zielkriterien wird beispielsweise über eine im Vergleich zum Erdienungszeitraum längere Performance-Periode gemessen oder bedingt die Werthaltigkeit der gewährten Instrumente). Während non-market performance conditions im sogenannten Mengengerüst abgebildet werden und deren erwarteter Zielerreichung auf Basis eines „more likely than not“-Ansatzes Rechnung getragen werden kann, sind non-vesting conditions in die Bemessung des Fair Values eines anteilsbasierten Vergütungsprogrammes zu berücksichtigen. Die Herausforderung liegt insofern darin, eine Quantifizierung des Effektes ebendieser Bedingungen auf den beizulegenden Zeitwert vorzunehmen. Aufgrund der derzeitigen Datenverfügbarkeit und Heterogenität der Zielausgestaltung kann diese in vielen Fällen jedoch lediglich durch einen per „Management Judgement“ geschätzten Abschlag erfolgen. In anderen anteilsbasierten Vergütungsprogrammen sind ESG-Komponenten hingegen derart eingebettet, dass sie als non-market performance condition behandelt und im Mengengerüst zu berücksichtigen sind. Wenngleich sich für diesen Fall kein wertmäßiger Effekt auf den Fair Value zu bestimmen ist, ist für eine sachgerechte bilanzielle Abbildung eine möglich realitätsnahe Schätzung der erwarteten Zielerreichung erforderlich und aufwandsrelevant. 

Zusätzlich wird durch die zu erwartende Erhöhung des Wertbeitrages an der Gesamtzielerreichung eines anteilsbasierten Vergütungsprogrammes künftig auch die Komplexität der Entscheidungsfindung zur Ausgestaltung und Bemessung von ESG-Komponenten steigen. Durch eine mögliche Standardisierung von ESG-KPIs durch eine vorher gegangene Standardisierung des ESG Reportings ist es denkbar, durch künftig verfügbare Marktdaten eine objektive Messbarkeit und gleichzeitig eine verbesserte Vergleichbarkeit herstellen zu können. Es bleibt insofern abzuwarten und zu beobachten, ob und inwiefern ESG-Komponenten durch Reportings standardisieren und wie gegebenenfalls diesbezüglich allgemein verfügbare Marktdaten Eingang in die Bewertung und Bilanzierung von anteilsbasieren Vergütungsprogrammen finden. Mithin werden Unternehmen zur Aufrechterhaltung eines wettbewerbsfähigen Vergütungsmodelles gezwungen sein, bestehende anteilsbasierte Vergütungsprogramme zu modifizieren oder gar neue Programme ins Leben zu rufen. 

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Quelle: KPMG Corporate Treasury News, Ausgabe 122, Juni 2022
Autoren: 
Ralph Schilling, CFA, Partner, Head of Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Marie Czentarra, Managerin, Finance and Treasury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG
Philipp Wallis, Senior Manager, Finance and Treas-ury Management, Treasury Accounting & Commodity Trading, KPMG AG

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1 Ausgabe 107, KPMG Treasury Newsletter „Zunehmende Bedeutung des Green Finance Marktes“
2 S. dazu BASF Geschäftsbericht 2021, S. 281
3 S. dazu Continental Geschäftsbericht 2021, S. 188.
4 S. dazu Metro Geschäftsbericht 2021, S. 253