Keyfacts
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Konzerne haben aus der Corona-Krise vor allem eine Lehre gezogen: Der Schutz der Lieferketten genießt oberste Priorität.
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Technologien sollen dabei helfen, die Lieferketten abzusichern und transparenter zu gestalten.
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Da sich China und die USA immer weiter voneinander entfernen, werden Produktionsstandorte in Europa wieder reizvoller.
Aktuell erleben wir, wie die globalen Lieferketten heftig durcheinandergeraten - Lieferengpässe, wie wir sie lange nicht mehr gesehen haben und Logistik- und Rohstoffpreise, die explodieren. Wenn Holz, Stahl, Kunststoff, Mikrochips und Elektronikbauteile fehlen, gerät die Produktion auch in Deutschland in Gefahr, denn sobald in der Produktionskette auch nur ein einziges Teil fehlt, stockt die gesamte Produktion. Temporäre Fabrikschließungen und Kurzarbeit trotz voller Auftragsbücher sind die Folge. Die Pandemie hat die Schwachstellen komplexer internationaler Lieferketten sichtbar werden lassen wie nie zuvor: Auswirkungen waren vor allem beim verarbeitenden Gewerbe spürbar, führten zu Engpässen bei wichtigen Komponenten und zu steigenden Kosten. Weitere Herausforderungen entlang der Lieferkette erwarten die Fertigungsunternehmen durch gestiegene Anforderungen an die zu erfüllenden Sorgfaltspflichten zur Einhaltung der Menschenrechte, schärfere Klimaschutzgesetze und politisch motivierte Handelsrestriktionen.
Unsere Studie zeigt, was Unternehme aus der Pandemie gelernt haben
Wie sich Industrieunternehmen auf diese Herausforderungen vorbereiten können, verdeutlicht unsere Studie „Global Manufacturing Prospects 2022“. Dafür wurden weltweit CEOs großer Industrieunternehmen befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass Pandemie, Klimawandel und Geopolitik die Führungskräfte dazu bewegen, sich noch stärker als bisher auf eine doppelte Transformation zu konzentrieren: intelligente Digitalisierung und die Fokussierung auf ökologische, soziale und Governance-Ziele (ESG). Getrieben durch den Fachkräftemangel und die zunehmenden Erwartungen von Arbeitnehmer:innen, Kund:innen und Investor:innen werden Investitionen in entsprechende Technologien notwendig, um die Erfüllung der Zielvorgaben sichtbar, messbar und kontrollierbar zu machen.
Resiliente Lieferketten haben bei strategischen Entscheidungen oberste Priorität
Die CEOs haben aus der Pandemie zwei wichtige Lehren gezogen: Eine widerstandsfähige Lieferkette und Investitionen in neue Technologien sind die entscheidenden Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit. Durch ein wirksames Risikomanagement lassen sich rechtzeitig Maßnahmen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit und zur Vermeidung von Geschäftsunterbrechungen gestalten. Unternehmen können so künftige wirtschaftliche Schocks besser meistern.
Der Schwerpunkt auf der Resilienz der Lieferketten spiegelt eine neue Priorität wider: Unternehmen wollen und müssen künftig agiler sein und fähig zu schnellen Entscheidungen. Die Digitalisierung leistet hierbei einen entscheidenden Beitrag. So lassen sich beispielsweise durch ein automatisiertes und vernetztes Lieferanten-Risiko-Management auch Dritte in das eigene Netzwerk integrieren und die damit verbundenen Risiken erkennen, bewerten und managen. Eine noch größere Transparenz wird über Tracking-Tools erreicht, die in Echtzeit die gesamte Lieferkette abbilden und die Lokalisierung von Komponenten ermöglichen. Die intelligente Vernetzung mit dem Auftragseingang und der Produktionsplanung führt darüber hinaus zu einer Steigerung von Flexibilität und Effizienz.
Dies wird nicht nur die gesamte Wertschöpfung nachhaltig verändern. Das Management der eigenen Lieferketten stellt zunehmend eine wettbewerbsentscheidende Herausforderung dar.
Geopolitische Herausforderungen setzen den Lieferketten zu
Aus Sicht der befragten Unternehmen werden auch die Folgen der Geopolitik künftig immer mehr zum Störfaktor in der Lieferkette. Es scheint, als hätte die Weltwirtschaft einen Wendepunkt erreicht: Das von den USA dominierte Handelssystem droht sich zunehmend von dem von China dominierten System abzukoppeln. Dies geht einher mit Einfuhr- und Ausfuhrverboten, etwa für Chips, Netzwerkausrüstung und Grundstoffe wie seltene Erden oder bestimmte Chemikalien. Hinzu kommen Nutzungsverbote für geschäftsrelevante Software und Limitierungen im Datentransfer.
Langfristig besonders bedeutsam ist das Festlegen unterschiedlicher Standards, Regeln und Gesetze, die in den jeweiligen Wirtschaftsblöcken gelten. Die Standardisierung hat dabei sowohl eine technische als auch eine regulatorische Komponente. Unternehmen, die sich nicht an die jeweiligen Regularien halten, müssen mit Strafen bis hin zum Betätigungsverbot rechnen.
Trotz aller politischen Diskussionen werden weder europäische noch US-amerikanische Unternehmen die Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten deutlich reduzieren können und wollen, zumal sich China für viele Unternehmen zum wichtigsten Absatzmarkt entwickelt hat. Nearshoring ist eine zunehmend beliebte Methode, den geopolitischen Risiken in der Lieferkette zu begegnen. Für Hersteller in Westeuropa werden dementsprechend Fabriken in der Türkei, Ungarn, Polen und Rumänien interessant, die im Hinblick auf Kosten mit denen in China mittlerweile nahezu vergleichbar sind. Dementsprechend gewinnen Fabrikstandorte in Europa wieder zunehmend an Reiz.
Was heißt das für meine eigene Lieferkette?
Die Veränderung der globalen Lieferketten wird dauerhaft sein. Viele Unternehmen haben dies längst realisiert. Es werden Wege gesucht, um sich an die neuen Realitäten anzupassen.
Deutsche Unternehmen, deren größte Absatzmärkte die USA und zugleich China sind, sollten in diesem Spannungsfeld eigene Strategien entwickeln und sich positionieren.