Handel China-Europa: Luftfracht Handel China-Europa: Luftfracht
Keyfacts
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Durch den Einbruch des Passagierverkehrs während der Pandemie nahmen die Kapazitäten im Luftfrachtgeschäft stark ab.
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Die Nachfrage nach Luftfracht ist unter anderem durch den akuten Halbleitermangel extrem hoch.
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Die Luftfrachtraten bleiben weiterhin auf einem sehr hohen Niveau.
In einer dreiteiligen Blog-Reihe werfen wir einen genauen Blick auf den Warentransport zwischen Europa und Asien. Wie entwickeln sich die Frachtraten? Welche Infrastrukturen entstehen neu? Wir beurteilen die Entwicklung und schätzen Trends ab. Im ersten Beitrag widmeten wir uns dem Containertransport per Schiff und Zug. Im zweiten Teil wird die Luftfracht betrachtet.
Der Luftfrachtmarkt während der Pandemie
Die Frachtkapazitäten auf dem Markt werden im Wesentlichen durch reine Frachtflugzeuge und durch Passagierflugzeuge gestellt. Letztere transportieren die sogenannte Bellyfracht im Unterdeck der Flugzeuge, neben den Koffern der Reisenden. Vor der Covid-Pandemie war das Verhältnis zwischen Fracht- und Belly-Kapazitäten nahezu ausgeglichen - man ging zumeist von einer 50:50-Verteilung aus [1].
Wie sich in der nachfolgenden Grafik erkennen lässt, ist das Verhältnis im Zuge der globalen Gesundheitskrise deutlich aus dem Gleichgewicht geraten. Hauptursache sind Reisebeschränkungen, die den Linienflugverkehr schwächten. Der internationale Luftverkehr brach im Jahr 2020 massiv ein und die verfügbare Cargo-Kapazität ging gegenüber dem Vorjahr um 52,6 Prozent zurück.
Quelle: https://www.iata.org/en/iata-repository/publications/economic-reports/air-freight-monthly-analysis---may-2021/
Insbesondere durch den sehr starken Rückgang der Belly-Kapazitäten während der Pandemie ist das Gesamtvolumen der vorhandenen Frachtkapazitäten gesunken. So fielen im April 2020 im Vergleich zum Vorjahr nahezu 75 Prozent der Kapazitäten weg. Sinnbildlich hierfür sind abgestellte Passagiermaschinen auf den dafür zweckentfremdeten Start- und Landebahnen.
Allein Deutschland exportierte vor der Krise ca. 30 Prozent seiner Güter via Luftfracht. Der Großteil entfiel dabei sowohl im Import als auch im Export auf hochwertige und zeitkritische Waren wie beispielsweise elektrotechnische Geräte [2]. Entsprechend maßgeblich ist hierbei demnach auch die Luftfrachtverbindung von und nach China. So war China im Jahr 2020 der drittgrößte Markt für EU-Exporte und der größte Importeur nach Europa [3].
Die Auswirkungen dieser Entwicklung sind auch 2021 noch deutlich spürbar. Fluggesellschaften parken weiterhin große Teile ihrer Flotten - einige Airlines wie etwa die Lufthansa mustern sogar ganze Flugzeugtypen aus (beispielsweise Boeing 747-400). Die Rückkehr des von Passagieren geschätzten Airbus A380 scheint ebenso unwahrscheinlich.
Die vorhandenen Frachtmaschinen können die weggefallenen Kapazitäten nicht kompensieren.
Steigende Frachtnachfrage
Dem reduzierten Frachtangebot steht eine erhöhte Nachfrage vor allem nach Belly-Kapazitäten gegenüber. Der Grund: Hochwertige und sensible Güter, darunter insbesondere medizinische und pharmazeutische Produkte, wurden bisher als Belly-Fracht in Passagierflugzeugen transportiert. Wegen der Pandemie stieg temporär der Bedarf an Atemschutzmasken und Covid-Schnelltests. Insbesondere medizinische Schutzausrüstung wurde damit zum zeitkritischen Gut mit Herkunftsland China. Aber auch Elektronikartikel wurden verstärkt nachgefragt.
Seit einigen Monaten wird die Nachfrage zudem massiv durch die Verknappung von Rohstoffen und Materialien, insbesondere Halbleiter, getrieben. So ist China der wichtigste Lieferant von seltenen Erden als kritischen Prozessstoffen für die europäische Industrie. Doch aufgrund der Pandemie sind nach wie vor weniger Passagierflugzeuge im Einsatz.
Eine Zwischenlösung: Prachter
Bedingt durch den Boom des Online-Handels bzw. der steigenden Nachfrage und angesichts der steigenden Infektionszahlen wurde der Großteil der leer geräumten Passagierflugzeuge zu Frachtern umfunktioniert. Diese „Prachter“ (eine Kombination aus Passage und Frachtmaschine) werden beispielsweise bereits von TUI in der Boeing 787, aber auch vom Ferienflieger Condor eingesetzt. Diese Umbauten sind möglich, da die meisten der zu transportierenden Güter leicht, ungefährlich und kartonisiert sind.
In Europa steigerten die Prachter die Frachtkapazität im Jahr 2020 zeitweise um bis zu sechs Prozentpunkte [4]. Mittlerweile ist der Höhepunkt dieser Entwicklung überschritten. Einige Fluggesellschaften, wie z. B. Austrian Airlines, entscheiden sich wieder zum Rückbau der Maschinen. So erhöhten Prachter Anfang 2021 das europäische Cargo-Angebot nur noch um zwei Prozent [4].
Möglich ist allerdings, dass geparkte Flugzeuge nicht mehr in die Passage zurückkehren, sondern dauerhaft zu Frachtmaschinen umgebaut werden (Passenger-to-cargo conversion). Das Umrüsten bzw. Anschaffen umgerüsteter Flugzeuge ist günstiger und schneller als der Kauf neuer Frachtflugzeuge.
Aufgrund dieser Entwicklung könnte der Frachtanteil kurz- bis mittelfristig stärker werden oder es länger dauern, bis das 50:50-Verhältnis zwischen Passage und Fracht wiederhergestellt ist. Eine geringe Abhängigkeit von der volatilen Passage wäre die Folge. Allerdings stellen die neuen Maschinen nicht immer zusätzliche Kapazitäten dar, da Airlines intensiv an der Erneuerung ihrer Flotten arbeiten. Auch im Frachtverkehr liegen Kerosin sparende Flugzeuge im Trend.
Trotzdem muss das voraussichtliche Verkehrswachstum gedeckt werden. Hierzu wird bis zum Jahr 2039 die Auslieferung von ca. 2.430 Frachtern erwartet [5]. Davon werden ungefähr ein Drittel neue Großraumflugzeuge und zwei Drittel Umbauten von Passagierflugzeugen ausmachen [5].