Keyfacts
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Für alle Assetklassen der Immobilienbranche ist die Digitalisierung eine Chance, Prozesse zu optimieren, kosteneffizienter zu wirtschaften und die Kundenzufriedenheit zu steigern
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Je nach Assetklasse sind die Anforderungen an Digitalisierungsmaßnahmen sehr unterschiedlich
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In allen Assetklassen besteht bei der Digitalisierung noch erheblicher Nachholbedarf
Die digitale Transformation macht auch vor der Immobilienbranche nicht halt. Die Digitalisierung zeigt aber in den verschiedenen Assetklassen jeweils ein anderes Gesicht. Die Herausforderung ist es, sie jeweils angepasst an die spezifischen Anforderungen und Notwendigkeiten einer Assetklasse zu steuern und zu managen. Im Folgenden betrachten wir vier ausgewählte Assetklassen und ihre Herausforderungen.
1. Büroimmobilien: Corporate Real Estate und New Work
Überspitzt könnte man die Folgen des pandemiebedingten flächendeckenden Homeworkings mit einer Vertreibung aus dem Arbeitsparadies vergleichen und einer damit verbundenen ungeplanten Explosion der Digitalisierung und der Flexibilisierung. Jetzt ist eine der zentralen Aufgaben des Corporate Real Estate Managements (CREM), die neue Realität zu gestalten, tragfähige Betriebsmodelle zur Verfügung zu stellen und dabei die Digitalisierung zu integrieren und zu nutzen.
Vor der Pandemie wurden Fragen zur Attraktivität von Arbeitsflächen und -plätzen noch nicht laut gestellt. Viele Unternehmen planten zwar bereits schrittweise Optimierungen ihrer Arbeitsumgebungen, diese mussten aber noch nicht mit dem Homeoffice als Normalzustand konkurrieren. Jetzt hat das Corporate Real Estate Management die Aufgabe, mit New-Work-Konzepten Umgebungen zu schaffen, die Mitarbeitenden einen Mehrwert bieten und damit einen Anreiz, wieder zurück an den Arbeitsplatz im Unternehmen zu kommen. Für den Aufwand einer Fahrt ins Büro und geringerer Flexibilität erwarten viele Mitarbeitende heute „als Gegenleistung“ Möglichkeiten zur Kollaboration, zum Austausch mit den Kolleg:innen und zur Skalierbarkeit der Nutzungsmöglichkeiten. Besonderen Stellenwert hat dabei die informelle Kommunikation zwischen Mitarbeitenden, die in besonders hohem Maße unter der Virtualisierung der täglichen Arbeit leidet. Die erfolgreich unter Beweis gestellten technologischen Möglichkeiten, immer und überall arbeiten zu können, sollten ebenso am Arbeitsplatz im Unternehmen Anwendung finden.
Die damit einhergehenden digitalen Herausforderungen beim Betrieb der Immobilien liegen unter anderem im Datenmanagement auf allen Ebenen: von kleinteiligen Sensoren eines Internet of Things bis zu digitalen Zwillingen und dem Einsatz von Building Information Modeling (BIM). Diese Technologien lassen die Datenmengen explodieren. Das CREM ist gefordert, diese Daten - oft unter Verwendung von Datawarehouses und Data Lakes - zu koordinieren und die Datenströme in die IT-Architekturen verschiedener Systeme (wie Enterprise Resource Planning (ERP), Computer Aided Design (CAD) und Computer Aided Facility Management (CAFM)) zu integrieren.
Wenn das Betriebsmodell genau an die Anforderungen des Unternehmens angepasst ist, kann das CREM einen essenziellen Beitrag zum Gesamterfolg leisten, indem es den Dreiklang aus Immobilien, Personalwesen und Informationstechnologie, ergänzt um die Anforderungen der CO2-Effizienz ausbalanciert.
2. Öffentliche Gebäude: Public Real Estate und digitaler Wandel
Das Public Real Estate Management (PREM) muss sich ähnlichen Herausforderungen wie das CREM stellen. Die öffentliche Hand hat bei den Immobilien häufig einen Nachteil hinsichtlich der Attraktivität der Arbeitsbedingungen, sodass hier im Wettbewerb um neue Mitarbeitende nachgebessert werden sollte. Moderne Arbeitswelten und insbesondere die Digitalisierung gewinnen für Digital Natives auch hier an Bedeutung.
Die Immobilienportfolien der öffentlichen Hand beinhalten im Gegensatz zum privaten Sektor einen höchst heterogenen Bestand, dessen Funktion zu großen Teilen der Erledigung öffentlicher Aufgaben und der Deckung von gesamtgesellschaftlichen Bedarfen angepasst ist.
Trotzdem kann sich das Management von Immobilien der öffentlichen Hand in vielen Bereichen von den Bemühungen und Aktivitäten des Corporate Real Estate Managements inspirieren lassen. Die im CREM bereits etablierten Vorgehensweisen und Prozesse sowie der Einsatz von IT-Systemen stellen im PREM eine besondere Herausforderung dar, da oft Insellösungen die Grundlagen der aktuellen IT-Landschaften bilden. Hier gilt es, die Systeme weg von der Begrenzung auf einzelne Abteilungen und hin zu einem übergreifenden, behördenweiten ERP auszurichten.
Ein maßgeblicher Erfolgsfaktor ist gerade bei Digitalisierungsvorhaben die Motivation der Mitarbeitenden. Deren Neugierde und Bereitschaft zum Wandel sind notwendig, um neue Systeme in den Arbeitsalltag zu integrieren.
Neben der Steigerung der Effizienz und der Attraktivität kommt der Digitalisierung insbesondere im PREM noch eine besondere Rolle beim Datenmanagement und der Datentransparenz zu. Diese beiden Faktoren sind im Hinblick auf den heterogenen und in Teilen sehr alten Baubestand eine wichtige Grundlage zur Kostensenkung sowie zur Ertrags- und Wertsteigerung. Zudem sind sie unerlässlich bei der Umsetzung der Grundsteuerreform und der Ermittlung des CO2-Fußabdrucks, um geeignete Maßnahmen für einen validen Klimaschutzfahrplan abzuleiten. Beim PREM gibt es noch Nachholbedarf, die speziellen Bedürfnisse der öffentlichen Hand bei der Digitalisierung zu berücksichtigen und zu erfüllen. Auch hier sind die Mitarbeitenden ein zentraler Faktor für einen nachhaltig erfolgreichen Transformationsprozess.
3. Hotelimmobilien: Der Weg der Customer Journey hin zur Operational Excellence
Das Hotelgewerbe ist in besonderem Maß von Covid-19, den begleitenden Lockdowns, dem Ukraine-Krieg und den steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen betroffen. Flankiert wird das alles von einer immer angespannteren Personalsituation und einer unzureichenden Digitalisierung, die die Chance böte, Prozesse zu verschlanken und zu optimieren.
Aber auch die Hotelbranche erwacht und die Betreiber beginnen, Lösungen für die Customer Journey zu entwickeln. Begonnen hat diese Entwicklung im Kundenservice mit Angeboten wie beispielsweise dem kontaktlosen Buchen, aber ebenso großes Potenzial steckt im sogenannten Back-of-House-Bereich. Gerade hier bietet die Digitalisierung viele Ansatzpunkte für effizientere Abläufe, die sich besonders auf das meist knappe Personal positiv auswirken. Alle Mitarbeitenden, die hier durch die Automatisierung von Prozessen entlastet werden, können für den direkten Kundenkontakt eingesetzt werden und so einen höheren Mehrwert stiften als „hinter den Kulissen“, wo ein großer Teil der Arbeiten digital erledigt werden kann.
Anders als die Privathotels holen die Ketten bei der Digitalisierung auf und investieren besonders stark in die IT - beispielsweise für das smarte Hotelzimmer der Zukunft, für Prototypen gänzlich digital gesteuerter Hotelzimmer und für eine KI-basierte Steuerung des Personaleinsatzes, um Arbeitsabläufe zu optimieren und die Gästezufriedenheit zu steigern. Konkrete Maßnahmen wären hier zum Beispiel eine virtuelle Kontaktaufnahme bereits vor dem Check-in (gegebenenfalls über die sozialen Medien sogar schon, bevor der Reisewunsch beim Gast entsteht) und digitale Gästemappen. In Verbindung mit dem Internet of Things kann zudem das Kundenerlebnis im Hotelzimmer verbessert werden. Nachholbedarf besteht hier insbesondere bei der Auswertung und konsequenten Nutzung der Daten, die während eines Aufenthaltes entstehen und erfasst werden.
Eine weitere Möglichkeit, die die Digitalisierung eröffnet, sind situativ angepasste Preise: Wenn das Wetter im jeweiligen Ursprungsland besonders unangenehm kalt ist, steigen automatisch die Preise für Hotelaufenthalte in wärmeren Regionen.
Die langfristige Stabilität von Hotelimmobilien wird insbesondere von den monetären Kapazitäten der Betreiber abhängen und von deren Bereitschaft, digitale Prozesse zu implementieren. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Attraktivität der Betreiber und der Immobilie für Investoren.
4. Einzelhandelsimmobilien: Erfolgsfaktor mobile Daten
Der Onlinehandel wächst seit Jahren, und durch die Pandemie wurde das Wachstum zusätzlich beschleunigt. Der Druck auf den stationären Einzelhandel zur Konsolidierung steigt dementsprechend. Das hat bereits zu etlichen Schließungen von Filialen geführt, was wiederum deutliche Spuren in den lokalen Immobilienmärkten hinterlassen hat. Doch das ist erst der Anfang: Für die Zukunft werden weitere Schließungen, steigende Leerstandsquoten und kürzere Vertragslaufzeiten erwartet. Dieser Trend macht sich besonders in den Innenstädten bemerkbar, macht aber auch vor den Shopping-Centern nicht halt. Sowohl für Geschäfte mit Innenstadtlage als auch in Shopping-Centern gilt, dem Bequemlichkeitsfaktor und den meist sehr kompetitiven Preisen des Onlinehandels etwas entgegenzusetzen, das einen echten Mehrwert für Kund:innen darstellt.
Hierfür bietet die Digitalisierung dem stationären Einzelhandel vielfache Möglichkeiten, beispielsweise die Auswertung von Mobilfunkdaten, um Passantenfrequenzen zu ermitteln. Damit können dann das Umfeld der jeweiligen Immobilie analysiert und Kundenpotenziale ermittelt werden, was als Grundlage für die Ausrichtung der jeweiligen Standortkonzepte dient.
Auch für die Verhandlungen mit Vermietern bekommen solche Informationen eine immer größere Bedeutung, da sie zeigen, ob die Kund:innen, die in der Umgebung des Point of Sale beheimatet sind, überhaupt mit den Angeboten erreicht werden. Durch dieses Wissen steigt die Verhandlungsmacht der Mieter und verändert die Regeln des Marktes. Zu einem entscheidenden Kriterium für die Bewertung und die Marktfähigkeit von Immobilien wird immer mehr die Möglichkeit, Objekte flexibel an sich ändernde Rahmenbedingungen anpassen zu können.