Keyfacts
-
Die überarbeitete CSR-Richtlinie wird in Deutschland rund 15.000 statt gegenwärtig 500 Unternehmen betreffen, die ab 2024 der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen.
-
Ökologische und soziale Auswirkungen der Geschäftstätigkeit spielen zukünftig eine wesentlich größere Rolle in den Berichten.
-
Es bestehen ernsthafte Bedenken, wie die Umsetzung insbesondere in kleinen Unternehmen geschafft werden soll, v.a. vor dem Hintergrund zahlreicher anderer Herausforderungen. Dennoch bietet die CSRD Fertigungsunternehmen viele Chancen.
In den letzten Jahren hat Nachhaltigkeit in allen Sektoren erheblich an Relevanz gewonnen. Klimatische Veränderungen können mittlerweile systematische Störungen verursachen und Kettenreaktionen auslösen. Sie können ganze Geschäftsmodelle aus den Angeln heben oder gänzlich irrelevant machen. Das trifft nicht nur das eigene Unternehmen, sondern die komplette Lieferkette und führt zu Lieferverzögerungen, Produktionsausfällen und somit zu Umsatz- und Margeneinbußen.
CSR-Richtlinie gilt seit 2017
Viele Unternehmen haben bereits erkannt, dass sich nachhaltiges Wirtschaften lohnt. Beispielsweise steigern ressourcenschonende Prozesse die Effizienz. Auch die Reputation profitiert, wenn eine Firma zum Beispiel für ihre guten Arbeitsbedingungen bekannt wird. Zugleich steigen die regulatorischen Anforderungen in Bezug auf die Nachhaltigkeit. Risiken durch Strafzahlungen und Bußgelder nehmen zu. Eine konsistente Nachhaltigkeitsstrategie ist daher wichtiger denn je. Diese findet unter dem Schlagwort „Corporate Social Responsibility“, kurz CSR, seit einiger Zeit Einzug in viele Unternehmen.
Damit der Grad von CSR in Unternehmen messbar wird, hat die Europäische Union im Jahr 2014 eine Richtlinie für die CSR-Berichterstattung von Unternehmen entwickelt. Diese wurde 2017 mit dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR RUG) in deutsches Recht überführt, war aber lediglich für kapitalmarktorientierte Unternehmen relevant.
Der nächste Schritt ist nun die CSRD. Die EU weitet damit den Anwenderbereich bereits auf alle etwas größere Unternehmen aus. Wir werfen einen Blick auf die Anforderungen des Gesetzes und analysieren, was insbesondere auf die Fertigungsindustrie zukommt.
CSR 2.0: Weitere Unternehmen im Fokus
Betroffen sind alle Unternehmen, die nicht als Kleinstunternehmen eingestuft werden - also sowohl Kapitalgesellschaften gemäß §267 Abs. 3 HGB als auch Personengesellschaften nach §264a HGB.
Erstmalig anzuwenden sind die neuen Regelungen wie folgt:
- ab dem 1. Januar 2024 für Unternehmen, die bereits der Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD) unterliegen (kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern);
- ab dem 1. Januar 2025 für große Unternehmen, die derzeit nicht unter die Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung fallen;
- ab dem 1. Januar 2026 für börsennotierte kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU), kleine und nicht-komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen.
Für KMU soll während einer Übergangszeit bis 2028 die Möglichkeit eines so genannten Opt-out von der Anwendung der Richtlinie bestehen.
Nach Angaben in den Pressemitteilungen des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments werden auch Nicht-EU-Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet, sofern sie in der EU einen Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. Euro erzielen und mindestens eine Tochtergesellschaft oder Niederlassung in der EU haben.
Mit der Implementierung der neuen CSRD steigt die Anzahl der betroffenen Unternehmen in der EU von derzeit 11.600 auf über 49.000 Organisationen, die ab der Berichtsperiode 2024 ausführliche Angaben zu Nachhaltigkeit machen müssen. In Deutschland würden 15.000 statt bisher 500 Unternehmen einer Berichtspflicht unterliegen - also dreißig Mal so viel.
Die CSRD enthält außerdem Regelungen zum Inhalt der künftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung, die durch die EU Sustainability Reporting Standards (ESRS) der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) konkretisiert werden sollen, sowie zur Prüfung und Veröffentlichung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Diese ist entsprechend der CSRD zu erstellen und wird künftig zudem einer Prüfungspflicht unterliegen. Dabei wird es sich im ersten Schritt um die Prüfung mit sogenannter „limited assurance“ (begrenzte Sicherheit) handeln. Das stellt noch einen fundamentalen Unterschied im Vergleich zu der Prüfungssicherheit (reasonable assurance; hinreichende Sicherheit), die im Rahmen einer Abschlussprüfung verlangt wird. Man geht davon aus, dass sich aber auch dies zukünftig annähern wird und die Prüfung im Rahmen nicht-finanzieller Berichte langfristig mit einer reasonable assurance durchzuführen sein wird. Derzeit ist davon auszugehen, dass den Mitgliedsstaaten ein Wahlrecht gegeben wird, ob die Prüfung zum einen eine Vorbehaltsaufgabe des Wirtschaftsprüfers darstellt und zum anderen in die Abschlussprüfung integiert werden kann. Nach unserer Einschätzung wird Deutschland die Option ausüben, dass eine integrierte Prüfung durch den Abschlussprüfer erfolgen kann. Das entspricht auch dem Wunsch der Industrie. Eine getrennte Prüfung würde unverhältnismäßig hohe Kosten für die Unternehmen verursachen.
Nachhaltige Berichterstattung trotz vielfältiger Herausforderungen
Das Ziel der neuen Richtlinie ist es, die Marktteilnehmer zu verantwortungsbewusstem und nachhaltigem Handeln zu verpflichten. Daher sollen zukünftig im Lagebericht Angaben zu den Auswirkungen der Geschäftstätigkeiten auf die Umwelt erläutert werden - unabhängig davon, ob das Unternehmen davon profitiert oder nicht. Dasselbe gilt für Risiken für Mitarbeitende und Arbeitsschutzmaßnahmen. Neben klassischen Elementen wie Erläuterungen zur allgemeinen Lage des Unternehmens und zum Geschäftsergebnis erhalten die Berichte somit auch eine ökologische und soziale Komponente.
Nach meiner persönlichen Einschätzung wird die Berichterstattung zu nicht-finanziellen Informationen mindestens so umfangreich werden wie die heutigen Konzernabschlüsse (Geschäftsberichte), die oft weit mehr als 200 Seiten haben. Die Vorgaben müssen innerhalb von zwei bis drei Jahren von einer extrem hohen Anzahl an Unternehmen umgesetzt werden.
Schon die großen börsennotierten Unternehmen sind dadurch gefordert, ihre Prozesse und die Systeme zur Sammlung dieser Daten ordentlich aufzurüsten. Für kleinere Unternehmen ist diese Aufgabe noch gewaltiger. Es besteht das ernsthafte Bedenken, wie dies geschafft werden soll - und das in einer Zeit, in der die Unternehmen andere Herausforderungen haben. Nehmen wir nur mal die Lieferkettenprobleme durch den anhaltenden Krisenmodus, die Unsicherheiten am Weltmarkt bedingt durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine, Inflation sowie die drohende Lohn-Preis-Spirale.
CSR als Chance für die Fertigungsindustrie
In vielen Unternehmen mag ein zusätzlicher Bericht auf den ersten Blick lediglich als höherer Aufwand betrachtet werden. Dennoch lohnt sich CSR langfristig für Fertigungsunternehmen. Nur nachhaltige Geschäftsmodelle werden zukünftig erfolgreiche sein und das muss transparent in der Berichterstattung dargestellt werden.
Besonders hohes Optimierungspotenzial besteht in den Lieferketten: Hierdurch können etwa 40 Prozent aller Emissionen reduziert werden, beispielsweise durch Schritte hin zu einer Kreislaufwirtschaft, Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien. Unternehmen, die ihre Abhängigkeit von preisvolatilen fossilen Brennstoffen durch Umstellung auf erneuerbare Energie verringern, steigern so auch die Resilienz ihrer Supply Chain.
Die Unternehmen gehen das ausgerufene Klimaziel der EU mit hohem Engagement an. Sie sehen oft selbst die sehr aufwendigen, erweiterten Berichtspflichten als wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Die Transparenz und die Vergleichbarkeit helfen Unternehmen, ihr Geschäft zukunftssicher zu lenken, die Finanzierung sicherzustellen sowie als attraktiver Arbeitgeber Mitarbeitende zu halten und zu gewinnen.