• Dipl. oec. Uwe Fanselow, Senior Manager |

Keyfacts

  • ERP-Systeme werden auch in Zukunft die tragende Säule der IT-Architektur bilden.

  • Cloud und Blockchain verändern die Datenhaltung und die inhaltliche Qualität der Daten.

  • Durch Process Mining und intelligente Automatisierung werden Immobilienunternehmen zu selbstlernenden Organisationen.

Es herrscht Aufbruchstimmung in der Immobilienwirtschaft. Experten sprechen sogar von einem nie zuvor dagewesenen Ruck. Die Digitalisierung und aktuell insbesondere die ESG-Themen Environmental, Social und Governance stellen die Immobilienwirtschaft vor eine ihrer größten Herausforderungen. 

Die passende IT-Architektur

Dabei können Immobilienunternehmen von innovativen Technologien profitieren, durch deren Einsatz sie effizienter und effektiver werden. Zahlreiche etablierte Softwarehersteller und neue Start-ups, sogenannte PropTechs (Property Technology) oder ConTechs (Construction Technology), vermarkten zahlreiche IT-Lösungen für das Smart Enterpise. Hieraus ergibt sich für viele Entscheider von Wohnungsunternehmen aber auch für Corporates und Facility Manager eine grundlegende Thematik: Welche Technologien und Systemkomponenten bringen wirklich einen nachhaltigen Mehrwert in der IT-Landschaft? Was ist die richtige IT-Architektur für die Zukunft?

Für Unternehmen bedeutet dies, zu Beginn ihrer digitalen Transformation erst einmal eine IT-Strategie zu entwickeln sowie den Markt für immobilienwirtschaftliche Systeme zu analysieren und auszuloten, welche Produkte, Apps und Plattformlösungen perspektivisch für die Gestaltung des eigenen Smart Enterprise in Frage kommen.

Ein digitales Ökosystem als Plattform für Interaktion und Datenmanagement

Im Kern jeder immobilienwirtschaftlichen IT-Architektur steckt aus unserer Sicht auch weiterhin ein robustes und flexibel skalierbares System zur immobilienwirtschaftlichen Ressourcenplanung (ERP-System), das die gewünschten Informationen auf Grundlage klar definierter Entitäten und Werteflüsse bereitstellt. Spezialanbieter mit immobilienwirtschaftlichen Add-ons ergänzen dies zu einem digitalen Ökosystem, das jedoch gut integriert sein sollte.

Dieses digitale Ökosystem bietet eine neue Qualität in der Interaktion mit Mietern und Nutzern sowie Lieferanten, Investoren und öffentlichen Institutionen. Apps können von offenen und skalierbaren Technologieplattformen gemanagt werden, auf der sich möglichst viele Industriestandards als technologische Anknüpfungspunkte integrieren lassen. Hierdurch werden End-to-End-Prozesse über verschiedenste Systeme einer komplexen IT-Landschaft, wie z. B. Handwerkerkopplung, Dokumentenmanagement- und graphische Informationssysteme (CAD, GIS) erst möglich.

ESG als Katalysator für die Digitalisierung der Immobilienbranche

Die für die Geschäftsprozesse notwendigen Daten werden im Gegensatz zu monolithischen Software-Architekturen zukünftig verteilt in der Systemlandschaft gehalten. Diese ist skalierbar im Hinblick auf neue Datenanforderungen, wie zum Beispiel dem wachsenden Verlangen nach der Integration von Benchmarking- und Marktdaten. Darüber hinaus wird auch eine zunehmende Flexibilität in der Datenhaltung zur Erfüllung von regulatorischen Berichts- und Nachweispflichten notwendig sein, die häufigen Veränderungen unterworfen sind. Das gilt insbesondere auch bei den ESG-Themen. Dafür werden valide und verifizierte ökologische Daten (beispielsweise zu Klimaschutz, Energie- und Wasserverbrauch, Wertstoffmanagement) und zahlreiche soziale Daten benötigt. Somit wirkt ESG zwangsläufig als Katalysator für die Digitalisierung der Immobilienbranche. Für das Management dieser Daten bietet sich in naher Zukunft die zunehmend reifere Blockchain-Technologie an, die vor allem die Bestandsdatenbanken dezentralisiert und diese transparent und sicher bereitstellt.

Die Möglichkeiten der Blockchain-Technologie nutzen

Die Vorteile der Blockchain sind offensichtlich. Intermediäre werden überflüssig, sodass Transaktionskosten niedrig gehalten werden können. Die schutzbedürftigen und sensiblen Daten sind sicher und verifiziert. Durch die Digitalisierung werden Dokumente in Papierform überflüssig. Als Folge könnte eine nie dagewesene Transparenz gegenüber Nutzern, Anlegern, Investoren und staatlichen Organen und eine unwiderrufbare Dokumentation der Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette einer Immobilie entstehen. Das wiederum sind perfekte Voraussetzungen für das `G' in ESG.

Durch offene Schnittstellen in low-code- und no-code-basierten Systemen werden darüber hinaus neue technische und fachliche Optionen zur dezentralen Verwaltung ganzer Geschäftsprozessketten ermöglicht. Erst eine Abbildung der unternehmensweiten Informations- bzw. Datenströme auf orchestrierten Multi-Cloud-Lösungen bietet die technischen Voraussetzungen, die enormen Datenmengen zu beherrschen. Für die IT-Architektur bedeutet dies noch mehr die Abkehr von der klassischen, zentralen Datenverarbeitung als On-Premise (der Installation auf Hardware im Unternehmen) hin zum Management in der Cloud.

Business Warehouses und Date-Analytics-Systeme

Das Geschäft der Immobilienwirtschaft war immer schon sehr datenintensiv. Die Datenmenge wird durch den Einzug der Digitalisierung um ein Vielfaches potenziert. Die Datenvolumina von Smart Homes, Smart Buildings und Smart Cities durch den Einsatz von Smart Metering, Internet-of-Things-Sensoren und Internet of Services sprengen noch immer die Vorstellungskraft vieler Entscheider. Die Messgröße für diese Menge an Daten ist nicht mehr Terabyte, sondern bewegt sich eher in Sphären von Peta- und Exabyte. 

Die daraus resultierende Herausforderung besteht nicht nur im Management und in der Aufbewahrung der rasch zunehmenden Datenmenge, sondern viel mehr noch in der Verwertung der Informationen für den Betrieb, die Prozesssteuerung und das Treffen agiler Entscheidungen. 

Bedauerlicherweise haben die wenigsten Unternehmen bislang Konzepte entwickelt, wie unstrukturierte Massendaten mit dem weitgehend strukturierten und redundanzfreien ERP-Kern zusammenspielen. Für viele Unternehmen wird daher ein wichtiger Schritt sein, zur ersten Strukturierung und Auswertung Business Warehouses und Data-Analytics-Systeme einzuführen. 

Diesen Umstand nutzen nun auch vermehrt PropTechs, die Ihre Geschäftsmodelle darauf ausrichten, mit kombinierten Daten- und IT-Services immobilienbezogene Informationen zu messen, zu verarbeiten und auszuwerten und diese bereits aufbereitet in Software-Applikationen zur Verfügung zu stellen. Die entspreche Software gilt es dann sowohl technisch als auch fachlich in die IT-Architektur und die Werteflüsse zu integrieren.

Robotic Process Automation ermöglicht eine erweiterte Datenverarbeitung

Als wichtiger Baustein auf dem Weg zur effizienten Datenverarbeitung und Prozessoptimierung gilt die Minimierung von manuellen Prozessschritten. Diese entstehen häufig bei der Bereitstellung, Übergabe und Anreicherung von Daten zwischen den im Prozess involvierten Systemen. Mit Hilfe von Process-Mining-Technologien lassen sich Optimierungspotenziale in den Geschäftsprozessen sehr einfach identifizieren und entsprechende Handlungsfelder für Automatisierungstechniken ermitteln. Robotic-Process-Automation-Lösungen (RPA) übernehmen dabei meist einfache, wiederkehrende Tätigkeiten. RPA bietet gleicher Weise auch die Option einer Prozesserweiterung um Routinen zur Transformation, Anreicherung und Qualitätskontrolle der prozessierten Daten sowie zur Fehleranalyse. Wird diese Prozessautomatisierung durch künstliche Intelligenz unterstützt, spricht man von „Intelligent Automation“. 

Bei der Herausforderung, immer mehr externe Datenquellen an die eigenen Datenstrukturen anzubinden, kann RPA zu einer Brückenanwendung für Datentransfers heranwachsen, bis dafür Application Programming Interfaces (APIs) und andere Integrationstechnologien zur Verfügung stehen.

Immobilienunternehmen: digital und selbstlernend

Resümierend kann festgehalten werden, dass ERP-Systeme in Smart-Enterprise-Szenarien weiter als Rückgrat des Unternehmens fungieren, aber in technologisch veränderte Multi-Cloud-Umgebungen umziehen werden. Technisch verteilte Geschäftsprozesse und Informationsflüsse werden durch die darunter liegenden Integrationsplattformen wieder zusammengeführt. Die effiziente Informationsanalyse erfolgt nicht mehr manuell, sondern wird mit Hilfe von RPA und KI voll automatisiert durchgeführt. Process Mining liefert die Basis für die zielgerichtete Identifikation von Möglichkeiten zur Prozessoptimierung. Mit der Kombination der vorgestellten Technologien befinden sich die Smart Enterprises der Immobilienwirtschaft schon bald auf dem Weg zur digitalen, selbstlernenden Organisation.

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