• Dr. Steffen Wagner, Partner |

Keyfacts

  • Neue Finanzierungsquellen sollen helfen, den globalen Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft voranzutreiben.

  • Eine der größten Herausforderungen zur Mobilisierung nachhaltiger Finanzmittel ist das Greenwashing. Es birgt ernste Reputationsrisiken für Regierungen und Investoren.

  • Standards für die Berichterstattung erhöhen das Verständnis für nachhaltige Investitionen.

Durch die vermehrten Aktivitäten zur Bewältigung des Klimawandels nehmen institutionelle Anleger und Finanzinstitute immer mehr nachhaltige und grüne Infrastrukturprojekte in ihre Anlagemandate auf. Dadurch werden von Finanzinstituten bei Investitionen und Kreditvergaben neben anderen Kriterien nun auch ökologische, soziale und Governance-Aspekte (ESG) berücksichtigt.

Nachhaltige Finanzierung ist Teil der unternehmerischen Verantwortung

Die nachhaltige Finanzwirtschaft misst der Rolle der sozialen Verantwortung bei Investitionsentscheidungen einen großen Wert bei. Investieren unter dem Aspekt einer Social Responsibility hat an Bedeutung gewonnen und institutionellen Anlegern wie Pensionsfonds und Versicherungsunternehmen veranlasst, ihre Modelle für langfristige Investitionsrisiken neu zu denken. 

Seit 2015 haben ESG-Investmentfonds ihr verwaltetes Gesamtvermögen um mehr als 170 Prozent erhöht. Zwischen Januar und Oktober 2020 verzeichnete diese Fondskategorie in Europa Nettozuflüsse von mehr als 150 Milliarden Euro, fast 80 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Nach Ansicht der Marktteilnehmer wird sich dieser Trend fortsetzen. 

Es gibt verschiedene Ansätze für nachhaltige Finanzierungen. Einige Anlagestandards zielen darauf ab, einen positiven Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten, während andere lediglich einen „Do-no-harm“-Ansatz verfolgen und ESG-Kriterien berücksichtigen. Nachhaltige Finanzierungen können somit in zwei Kategorien unterteilt werden:

  • Negative nachhaltige Finanzierungen beinhalten das Screening potenzieller Investitionen nach ihrer Leistung in den drei ESG-Dimensionen, mit dem vorrangigen Ziel, nicht mit den Nachhaltigkeitszielen in Konflikt zu stehen
  • Positive nachhaltige Finanzierungen beziehen sich auf Investitionen, die das Potenzial haben, erhebliche soziale oder ökologische Auswirkungen zu haben, die typischerweise mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) in Einklang stehen.

Es ist zu erwarten, dass drei Faktoren das Wachstum des nachhaltigen Finanzwesens in Zukunft antreiben werden. Erstens dürfte das Befürworten von Unternehmen und Regierungen im Hinblick auf einen Fahrplan für Net-Zero-Kohlenstoffemissionen Anreize für nachhaltige Finanzierungen schaffen und gleichzeitig die Prüfung nachhaltiger Projekte verstärken. Zweitens sollte das Aufkommen innovativer und alternativer Kapitalquellen die Nachfrage nach solchen Projekten ankurbeln. Und schließlich ist davon auszugehen, dass die regulatorischen Rahmenbedingungen und Richtlinien, welche sich derzeit entwickeln, in den kommenden Monaten für mehr Klarheit und Sicherheit sorgen werden.

Sustainable Finance gewinnt in Europa an Dynamik

Im Jahr 2015 wurden mit der Verabschiedung der UN-Agenda 2030 und der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) sowie des Pariser Klimaabkommens wegweisende Vereinbarungen getroffen. Im Jahr 2019 hat die Finanzierungsinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UN) die Grundsätze für ein „Responsible Banking“ eingeführt. 

Was Europa betrifft, so ist die Europäische Union international ein Vorreiter hinsichtlich der Regulierung nachhaltiger Finanzen. Die Kommission hat seit 2018 eine umfassende politische Agenda für nachhaltige Finanzen entwickelt, die einen Aktionsplan zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum und die Entwicklung einer neuen Strategie für nachhaltige Finanzen im Rahmen des europäischen Green Deal umfasst. Zudem ist dort eine Strategie zur Finanzierung des Übergangs hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft enthalten. 

Die Kommission hat im Januar 2020 den europäischen Green-Deal-Investitionsplan vorgestellt, der in den kommenden zehn Jahren mindestens eine Billion Euro an nachhaltigen Investitionen mobilisieren soll. Damit sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die für den Übergang zu einer klimaneutralen, grünen, wettbewerbsfähigen und integrativen Wirtschaft erforderlichen öffentlichen und privaten Investitionen zu erleichtern und zu fördern. 

Neue Finanzierungsquellen sollen helfen, den globalen Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft voranzutreiben

Speziell für nachhaltige städtische Infrastrukturen gibt es immer mehr neue Finanzierungsquellen. Investoren stellen Kapital für umweltfreundliche Infrastrukturprojekte bereit, aber auch für Produkte, die durch die Schaffung von sozialem und ökologischem Mehrwert finanzielle Erträge erzielen. Zu diesem Zweck sind die SDGs ein leistungsfähiger Rahmen, um strukturierte Investitionen in Richtung langfristiger finanzieller Werte und Auswirkungen zu lenken. Der Investitionsplan des europäischen Green Deals schafft zusätzlich einen Rahmen, der nachhaltige Investitionen erleichtert. Dies wiederum legt den Grundstein für den globalen Wandel hin zu einer „Impact Economy“, einem System, in dem sich finanzielle und soziale Erträge ergänzen und dazu beitragen, eine nachhaltige Zukunft zu sichern.

Green Bonds und Kredite haben sich zuletzt als attraktive Anlagemöglichkeiten erwiesen. Allein im Jahr 2020 wurden Green Bonds im Wert von rund 270 Mrd. USD emittiert und diese Zahl wird nach Angaben einer führenden globalen Ratingagentur9 im Jahr 2021 voraussichtlich auf 375 Mrd. USD ansteigen.

Betrachtet man den europäischen Markt, halten Investoren in Frankreich (21,6 Milliarden Euro) und Deutschland (19,5 Milliarden Euro) die höchsten Anteile an Green Bonds. Außerdem halten die Niederlande einen großen Anteil (zehn Milliarden Euro), welche an dritter Stelle folgen. Luxemburg folgt mit einem Volumen von 6,7 Milliarden Euro. an vierter Stelle. Zu den Inhabern von Green Bonds in Europa zählen Investmentfonds, Versicherungsgesellschaften, Geschäftsbanken, Pensionsfonds und Regierungen.

Darüber hinaus ist die KfW-Bankengruppe als weltweit größte Förderbank und drittgrößte Bank Deutschlands mit einem Gesamtvolumen von rund 31 Milliarden Euro bis Ende 2020 auch einer der weltweit größten Emittenten von Green Bonds.

Greenwashing stellt ein großes Risiko für nachhaltige Investitionen dar

Eine der größten Herausforderungen zur Mobilisierung nachhaltiger Finanzmittel ist das Greenwashing. Dabei werden Erlöse aus grünen Finanzmitteln in Projekte mit wenig oder keinem Umweltnutzen gesteckt. Verstärkt wird das Risiko vom Greenwashing aufgrund des Mangels einer klaren Definition von nachhaltiger Finanzierung und der Unklarheit über die mit der Nachhaltigkeit verbundenen Ziele.

Greenwashing birgt ernsthafte Reputationsrisiken für Regierungen und Investoren. Die Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) in der Europäischen Union (EU) ist Teil der Bemühungen der EU, echte nachhaltige Investitionen zu fördern. Unter anderem wird vorgeschrieben, dass von vermeintlich nachhaltigen Produkten offengelegt werden muss, wie sehr die Produkte dem Klimawandel wirklich entgegenwirken. Die Einführung dieser Verordnung im März 2021 in der EU könnte auch Auswirkungen auf Asien und Singapur haben, da dort immer häufiger eine vergleichbare Regelung gefordert wird.

Die Europäische Kommission hat außerdem den Artikel 8 als Teil der Taxonomie-Verordnung erlassen, welcher von Finanz- und Nichtfinanzunternehmen verlangt, den Anlegern Informationen über die Umweltleistung ihrer Vermögenswerte und Wirtschaftstätigkeiten zu liefern. Märkte und Investoren brauchen klare und vergleichbare Nachhaltigkeitsinformationen, um Greenwashing zu verhindern. Das derzeitige Recht legt fest, welche Informationen über den Anteil ihrer Geschäfts-, Investitions- oder Kreditaufnahmeaktivitäten entsprechend der EU-Taxonomie große Finanz- und Nichtfinanzunternehmen offenlegen müssen. Zudem ist geregelt nach welcher Methodik und in welcher Form dies geschehen muss.

Standards für Berichterstattung erhöhen das Verständnis für nachhaltige Investitionen

Auch für Investoren kann es oft herausfordernd sein, investitionswürdige Projekte zu finden, da es schwierig ist, nachhaltige Ziele mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Einklang zu bringen. Möglicherweise erfüllen zu wenige Projekte das „Risiko-Rendite“-Profil, an dem traditionelle Investoren interessiert sind. Regierungen und Entwicklungsbanken müssen sich daher darauf konzentrieren, Unterstützung bei der Projektvorbereitung sowie technische Hilfe zu leisten, um die Attraktivität solcher Projekte zu erhöhen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Wachstum nachhaltiger Finanzierungen im Infrastrukturbereich, koordinierte Unterstützung von Interessengruppen aus Regierungen, Investoren, Unternehmen und Finanzinstituten erfordert. Die Einführung von Standards, Rahmenwerken zur Wirkungsmessung und Taxonomien wird dazu beitragen, ein einheitliches Verständnis für nachhaltige Finanzen zu schaffen. Dies wiederum wird das Vertrauen und die Transparenz schaffen, die für ein Wachstum des grünen Handels und die Finanzierung unerlässlich sind.