Keyfacts
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In China und Europa wurden weltweit im Jahr 2020 die meisten Elektroautos verkauft.
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Fortschritte bei der Batterietechnologie und der Ladeinfrastruktur sowie Kundenakzeptanz und Kaufanreize sind Voraussetzungen für den künftigen Erfolg der Elektromobilität.
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Chinesische E-Autobauer arbeiten bereits an internationalen Expansionsstrategien; den deutschen Autoherstellern fehlen noch wettbewerbsfähige Modelle mit Elektroantrieb für die Bedürfnisse des chinesischen Marktes.
Der Abschied vom Verbrennungsmotor scheint beschlossene Sache. Um den Klimawandel aufzuhalten und den CO2-Ausstoß zu reduzieren, hat die EU-Kommission ambitionierte Pläne vorgestellt, die keine Neuzulassungen von Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 und Klimaneutralität bis 2050 vorsehen. Auch China - weltweit größter Automobilmarkt - will die CO2-Neutralität bis 2060 erreichen. Im aktuellen 5-Jahres-Plan ist das Thema Elektromobilität daher ein Schwerpunkt.
Potenziale des Elektrofahrzeugmarktes
In Bezug auf den globalen Automarkt wird erwartet, dass die jährlichen Neuzulassungen in China bis 2035 denen in Europa und den USA zusammengenommen entsprechen werden (China: 34 Mio., Europa 17 Mio., USA 18 Mio.). Daraus folgt: Der Erfolg aller Anbieter ist sehr stark anhängig vom chinesischen Markt. Im Elektrofahrzeug-Markt werden die größten Volumenzuwächse überwiegend in China und Europa stattfinden, da die Motivation in den USA, sich vom Verbrennungsmotor zu verabschieden, schon allein wegen der niedrigen Benzinpreise nicht so ausgeprägt ist. In China wurden im Jahr 2020 1,33 Millionen Elektroautos neu verkauft, und auch der gesamte europäische Markt bietet mit 1,39 Millionen verkauften E-Fahrzeugen im Jahr 2020 interessante Perspektiven. Das haben einige chinesische Hersteller, insbesondere die neuen Start-ups in dem Marktsegment, erkannt und arbeiten bereits an ihrer internationalen Expansionsstrategie.
Der Erfolg der Elektromobilität und der Hersteller dieser neuen Mobilität wird von folgenden Faktoren abhängen:
1. Antriebs-/Batterietechnologie
Bisher waren die Batterien für die Elektromotoren aufgrund ihrer deutlich geringeren Reichweite im Vergleich zu herkömmlichen Motoren ein wunder Punkt. Kürzlich stellte ein deutscher Automobilbauer einen neuen Reichweitenrekord von 531 Kilometern auf, und die führenden Anbieter arbeiten schon daran, die 1000-Kilometer-Marke zu erreichen. Das sollte für den Alltag reichen, da Autos in China zumeist nur für kürzere Strecken und oft in der Stadt eingesetzt werden. Aber auch in Deutschland ist die durchschnittliche Fahrstrecke nicht länger als 30 bis 40 Kilometer am Tag.
Gleichzeitig sind die Batteriepreise als Hauptkostentreiber eines E-Fahrzeugs deutlich gesunken. So fiel der durchschnittliche Preis für ein übliches Lithium-Ionen-Batteriepack 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent auf 137 Dollar pro Kilowattstunde (kWh). Spätestens ab 2023 sollen die Kosten unter 100 Dollar/kWh liegen. Mit der Senkung der Kosten für die Batterien, die in China übrigens überwiegend von einheimischen Unternehmen hergestellt werden, können neue Player, die zusätzlich von Subventionen profitieren, ihre Autos in China nun für etwa 260.000 RMB anbieten. Damit liegen sie unterhalb der 300.000 RMB-Grenze (das entspricht ca. 39.500 Euro), bis zu der gegenwärtig bestimmte staatliche Subventionen gewährt werden. Gewinne können allerdings bislang die wenigsten mit dem Verkauf von Elektroautos machen. Es geht den chinesischen und anderen E-Autoherstellern in erster Linie darum, Marktanteile zu gewinnen. Dies gilt insbesondere für die neuen Anbieter, die sogenannten jungen Wilden wie Nio, Xpeng, Weltmeister oder Lixiang. Sie haben mittlerweile immerhin schon einen Marktanteil von acht Prozent bei Elektrofahrzeugen in China.
2. Ladeinfrastruktur
Autofahrer:innen in den meisten Ländern und Regionen sind ein flächendeckendes Tankstellennetz gewöhnt. Für Elektrofahrzeuge muss ein entsprechendes Ladenetz erst einmal geschaffen werden. Es ist davon auszugehen, dass sich ein stark individualisiertes Netz durchsetzen wird, beispielsweise im eigenen Haus, am Arbeitsplatz, in der Reichweite von Shoppingmalls und Entertainment-Centern. Fortschritte bei den Ladeintervallen sind bereits zu verzeichnen, und einige Anbieter in China setzen neue Konzepte wie beispielsweise austauschbare Akkus und Batterien schon ein. Aufgrund der starken staatlichen Investitionen kommt in China auf sechs E-Autos eine Ladestation, in Deutschland liegt das Verhältnis bei einer Ladestation für durchschnittlich 17 Autos. Die Verfügbarkeit und die Geschwindigkeit von Ladepunkten sind auch Kaufkriterien bei Neuanschaffungen. Insofern gilt es, beide Entwicklungen parallel voranzutreiben.
3. Kundenakzeptanz und technologische Anforderungen
Bei Elektroautos überzeugen ein hoher Fahrkomfort und die ruhige und schnelle Beschleunigung. So verwundert es nicht, dass E-Auto-Besitzerinnen und Besitzer nicht zu Verbrennungsmotoren zurückkehren möchten.
Technologie und Innovation sind wichtige Aspekte bei Elektrofahrzeugen, und sie sind gerade für chinesische Kunden über die reine Antriebsform hinaus ein wichtiges Merkmal der neuen Generation von Autos. Chinesische Verbraucher:innen sind sehr offen für neue technologische Spielereien und sehen das Elektroauto als verlängertes Mobiltelefon oder Spielekonsole. Die vertraute oder besser noch erweiterte Vernetzung mit der Umwelt ist ein wichtiges Kaufkriterium. Die jungen chinesischen Hersteller punkten mit diesen Aspekten, bei denen sich europäische Hersteller häufig noch schwertun. Wichtig ist, die Kundinnen und ihre Bedürfnisse in dem jeweiligen lokalen Markt wirklich zu kennen und schnell auf geändertes Kund:innenverhalten zu reagieren. Die chinesische Automobilbranche kann mit eigenen Plattformen der Tech-Firmen diese Aspekte erfolgreich bedienen, und ist im heimischen Markt daher auch als First-Mover führend.
4. Investitions- und Kaufanreize
In China hergestellte Elektrofahrzeuge werden abhängig von ihrer Reichweite und ihrem Kaufpreis subventioniert. Aktuell liegt der Zuschuss für Elektroautos bei einer Reichweite von mehr als 400 Kilometern bei ca. 20.000 RMB (2.602 Euro). Die Zuschüsse schmelzen allerdings jährlich ab und sollen nach derzeitigem Stand lediglich noch bis 2022 laufen. Nur über diese Subventionen können Hersteller bislang die höheren Herstellungskosten der Batterietechnik kompensieren, allerdings werden sie nur für inländisch produzierte E-Autos gewährt.
Ein weiterer Kaufanreiz: Beim Kauf eines Elektroautos lassen sich in China auch die Zulassungshürden umgehen. Ein Nummernschild für ein konventionelles Auto kostet nicht nur Geld, sondern erfordert auch oft jahrelange Wartezeit, da man in vielen Städten an einer Lotterie teilnehmen muss.
In Deutschland werden reine E-Autos mit bis zu 9.000 Euro und Plug-in-Hybride bis zu 6.750 Euro gefördert unabhängig davon ob sie lokal gefertigt oder importiert werden. Vielleicht kommt es ja eines Tages zu einer ähnlichen Entwicklung wie bei Solarpaneelen, bei denen hauptsächlich günstige Anbieter aus China von den Förderungen profitierten, die zuvor staatliche Unterstützung bei der Produktion in ihrer Heimat erfahren hatten.
Chancen für Chinas Autoindustrie
Viele traditionelle Automobilhersteller haben aufgrund der guten Absatzzahlen die Mobilitätswende lange vernachlässigt und so einen möglichen technologischen Vorsprung verloren. China sieht hier nun eine klare Chance, die Technologieführerschaft in einem neu aufkommenden Segment zu übernehmen. Für technikverwöhnte Chinesen ist bei Elektroautos nicht der umweltschonende Antrieb entscheidend, sondern es geht ihnen um die integrierte Software, um Monitore und Kameras sowie um Infotainmentangebote und Merkmale wie Gesichts- oder Spracherkennung. Große Tech-Firmen arbeiten bei der E-Mobilität eng mit chinesischen Herstellern zusammen und sind außerdem bei vielen jungen Autobauern investiert.
Chinesische Hersteller gehen aber auch eigene Wege, um die lokalen Bedürfnisse zu bedienen. Das erfolgreichste Modell in China ist nicht etwa ein amerikanisches Elektroauto, sondern ein kleines Kompaktfahrzeug eines heimischen Herstellers für enge Gassen und den schmalen Geldbeutel.
Auch durch neue Vertriebsmodelle, wie dem Verkauf über das Internet, oder Vertriebsprovisionen von Autohäusern, versuchen die chinesischen Autobauer sich Zugang zu neuen Kundengruppen zu verschaffen.
Ausblick
Auch für deutsche Autobauer ist der chinesische Automarkt nach wie vor extrem wichtig. Sie haben im ersten Halbjahr 2021 etwa 38,5 Prozent ihrer Fahrzeuge in China abgesetzt - überwiegend mit Verbrennungsmotoren. Bei einer stetig wachsenden Nachfrage nach Elektrofahrzeugen wird sich dieser Anteil ohne ein steigendes Angebot an wettbewerbsfähigen deutschen E-Autos allerdings nicht halten lassen.
Umgekehrt haben chinesische Autobauer wie Nio, Polstar, Lynck&Co, Aiways oder MG schon den europäischen Markt entdeckt. Insbesondere günstige Modelle, die mit Verbrennerfahrzeugen des Mittelklassesegments preislich konkurrieren können (auch Dank der ebenso für importierte Fahrzeuge gewährten Elektrofahrzeug-Prämie), haben gute Chancen - selbst wenn ihr Marktanteil aktuell noch unter einem Prozent liegt.