• Angelika Huber-Straßer, Partner |

Ein zentrales Betriebssystem mit intelligenter Software gehört mittlerweile zu den wichtigsten Kriterien, wenn es um den Kauf eines Neuwagens geht. Bisher waren Betriebssysteme in Autos eher Nebensache und Hardware  - wie Motor, Karosserie oder Felgen  - von größerer Bedeutung. 

Das hat sich stark geändert. Erstmals steht das Betriebssystem im absoluten Mittelpunkt der Herstellung. Die stetig wachsende Anzahl an Steuergeräten und Assistenzsystemen im Auto erhöht die Anforderungen an die digitale Infrastruktur und erfordert ein Umdenken bei den Konzepten für die Fahrzeugelektronik. 

Zudem sollen Funktionalitäten, wie wir sie vom Smartphone gewohnt sind, im Auto übernommen werden. Neben personalisierten Nutzerprofilen, Infotainmentsystemen und individuell installierten Apps spielen zukünftig auch andere softwarebasierte Funktionen eine große Rolle  - vollautomatisiertes und autonomes Fahren oder etwa „Over-the-Air-Updates“, also Softwareaktualisierungen über WLAN oder Mobilfunknetz. Diese Entwicklung verändert den Automarkt deutlich und wird einen großen Einfluss auf die beteiligten Akteure haben. 

Smartphones auf vier Rädern

Warum ist ein leistungsfähiges Betriebssystem so wichtig? „Always On“, auf den Nutzer angepasste Infotainment-Profile und assistiertes Fahren  - schon heute spielt sich die Interaktion zwischen Fahrer und Auto hauptsächlich über das Display oder die Sprachsteuerung ab. Zukünftig soll die Interaktion mit weiteren Funktionen ausgebaut werden. 

„Over-the-Air-Updates“ sind eine der gefragtesten Funktionen. Sie ermöglichen Herstellern, die Software zeit- und ortsunabhängig auf dem aktuellen Stand zu halten. Zudem können zusätzliche Funktionalitäten im Auto, wie zusätzliche Navigationsdienste oder die Nutzung der Sitzheizung, temporär oder dauerhaft, leichter hinzugebucht werden. Updates wie diese, laufen vollkommen unabhängig ab, ohne Kundenkontakt und Werkstatttermine. Mit 5G-fähigen Autos könnte das in Zukunft noch einfacher gehen. Um automatische Updates wie bei einem Smartphone auch für Fahrzeuge zu etablieren, sind allerdings noch andere technologische Voraussetzungen nötig. 

Derzeit setzen sich Betriebssysteme in Autos aus einer Vielzahl unterschiedlicher Systeme und Programmiersprachen zusammen. Dies macht es nahezu unmöglich, das System automatisch upzudaten. Hochentwickelte Betriebssysteme führen umfangreiche Abläufe verschiedener Systeme zusammen. Dies reduziert die Anzahl parallellaufender Systeme auf ein komplexeres Zentralsystem und wird so langfristig automatische Updates und weitere Funktionen etablieren.  

Ein Smartphone auf vier Rädern  - so lässt sich die Vision der Branche derzeit zusammenfassen. Wie der Weg dorthin gelingen kann, machen kalifornische Elektroautohersteller vor: clevere Bordcomputer, intelligente Software und eine Autopalette, die dank regelmäßiger Updates auch Jahre später auf dem neuesten Stand bleiben. Deutsche Autohersteller haben nun die Aufholjagd begonnen.

Auf die Plätze, fertig, los: Der Wettkampf um das beste Betriebssystem

Dabei haben sich deutsche Hersteller auch mit Tech-Konzernen zu messen, die gezeigt haben, dass sie mit Softwarelösungen Marktsegmente aufrollen und dominieren können. Denn die wichtigsten Player für Smartphone-Software werden ihren Wettbewerb wohl auch in der Auto-Betriebssystem-Branche fortsetzen. 

Besitzer der Software zu sein, kann sehr wertvoll sein. So lässt sich kontrollieren, welche Applikationen und Funktionen zugelassen werden. Auf diese Weise behält man den direkten Zugang zu den Kunden und kann reglementieren, wer wie Geld verdienen kann. Trotzdem haben nicht alle Fahrzeughersteller das Ziel oder die Möglichkeiten, ein eigenes Betriebssystem zu etablieren. Deswegen setzen einige auf eine Kooperation mit US-amerikanischen IT-Konzernen. 

Andere Autobauer entscheiden sich bewusst gegen die Zusammenarbeit mit dem Silicon Valley. Diese deutschen Hersteller arbeiten bereits seit Jahren an eigenen Assistenten und Betriebssystemen für ihre Fahrzeugpalette. Ziel ist es, nicht nur konkurrieren zu können, sondern besser zu sein als die kalifornischen Tech-Giganten.

Der neue Ansatz der Autoproduzenten betrifft besonders die Zulieferer, die umgehend den Veränderungen gerecht zu werden haben. Entwicklungspartner der Hersteller, die bislang Elektronikbauteile bereitstellten, sind gegenwärtig auch für mehr als 90 Prozent der Software in Fahrzeugen verantwortlich. Führende Automobilzulieferer haben sich bereits neu strukturiert und auf die neuen Erfordernisse ausgerichtet. 

Im Fokus liegt nun das Bereitstellen von leistungsfähigen Systemen aus Soft- und Hardware. Dabei verfolgen einige Zulieferer das Konzept von „Software-Baukästen“, aus dem sie zukünftig die Hersteller mit Teilen von Software beliefern können. An diesem Projekt arbeiten beispielsweise bei einem großen deutschen Konzern etwa 17.000 Spezialisten. Diese Zahlen unterstreichen die Rolle der Zulieferer bei der Entwicklung von intelligenten Auto-Betriebssystemen.

Achtung, Nebenwirkungen

Vernetzte Autobetriebssysteme bringen auch Risiken mit sich. Mit immer intelligenteren, vernetzten Betriebssystemen für Automobile häufen sich zunehmend Daten von Fahrzeugbesitzern an. Für Hacker bedeutet das: neue Möglichkeiten für Cyberangriffe. In nicht allzu ferner Zukunft könnte es Kriminellen gelingen, ganze Flotten von autonomen Pkws fernzusteuern

Beispielsweise schafften es Forscher aus China 2016, aus 20 Kilometern Entfernung die Türverriegelung und die Bremsen eines Elektroautos zu steuern. Die Akzeptanz für autonomes Fahren steht und fällt also mit Cyber Security. Höchste Sicherheitsstandards sind zu gewährleisten, um die Visionen der zukünftigen Mobilität Realität werden zu lassen. 

Um das gemeinsame Ziel von erhöhter Konnektivität, Infotainment, autonomen Fahren und weiteren Mobilitätdienstleistungen zu erreichen, sollten Automobilproduzenten massiv in neue Ansätze investieren. Parallel sollten traditionelle Hersteller agiler und offener gegenüber Softwareentwicklung werden, um mit internationalen Mitstreitern zu konkurrieren. Da das Risiko für Einzelgänger groß ist, nicht gegen die Mitstreiter aus den USA anzukommen, würden Kooperationen nicht nur Risiken mindern, sondern auch die Entwicklung schneller voranbringen. 

Um der amerikanischen Konkurrenz die Stirn zu bieten, sind Kooperationen der Autohersteller so gut wie sicher. Experten erwarten ähnlich wie bei Smartphones zwei bis drei markenübergreifende Betriebssysteme für die Automobilindustrie. Das Motto „analog wird digital“ gilt weiterhin, wodurch zukünftig immer mehr Funktionen in Fahrzeugen von Software realisiert werden.