• Sebastian Korporal, Senior Manager |

Keyfacts

  • Die Frachtraten für den Schiffstransport sind zuletzt stark gestiegen.

  • Ursache sind logistische Probleme durch die Corona-Maßnahmen und Nachfrageverschiebungen.

  • Die Reederei-Allianzen dürften versuchen, dauerhaft höhere Preise durchzusetzen.

In einer dreiteiligen Blog-Reihe werfen wir einen genauen Blick auf den Warentransport zwischen Europa und Asien. Wie entwickeln sich die Frachtraten? Welche Infrastrukturen entstehen neu? Wir beurteilen die Entwicklung und schätzen Trends ab. Im ersten Beitrag widmen wir uns dem Containertransport per Schiff und Zug. Im zweiten Teil wird die Luftfracht betrachtet. Eine Verlagerung auf die Straße erscheint in Zukunft als eine mögliche Alternative und wird daher in dem letzten Teil der Blog-Serie näher analysiert.

Seefracht: Sind die Corona-Preisaufschläge von Dauer?

Die Nachfrage nach Konsumgütern hat sich weltweit sehr positiv entwickelt. Das hat auch Auswirkungen auf den Warenverkehr. Der Bedarf an Transportkapazitäten steigt und lässt die Frachtraten in die Höhe schießen. Ein vorübergehender Höhenflug ausgelöst durch die Corona-Krise? Oder gibt es andere Trigger und die Entwicklung zu höheren Frachtpreisen wurde durch die Ereignisse nur vorweggenommen? 

Handel mit China hat Corona-Einbruch schnell überwunden

Der sprunghafte Nachfrageanstieg war so nicht vorauszusehen. Im Jahr 2020 war China sogar Deutschlands zweitgrößter Exportkunde. Deutschland importierte in dem Jahr am meisten Waren aus China. Der europäische Export nach China stieg im Jahr 2020 im Vergleich zu dem Jahr 2019 um 2,2 Prozent auf 202,5 Milliarden Euro [1]. Ebenso sind die europäischen Importe aus China um 5,6 Prozent auf 383,5 Milliarden Euro gestiegen [1]. China ist bereits seit dem Jahr 2016 der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Auf diesen sprunghaften Anstieg, der trotz der Corona Pandemie stattgefunden hat, waren die meisten Händler nicht vorbereitet.

Reedereien legten zu viele Schiffe still

Insbesondere die Reedereien sahen sich gezwungen, kurzfristig auf den starken Einbruch zu reagieren. Sie kappten zeitlich beschränkt wichtige Verbindungen und legten Schiffe still. Global betrachtet waren Anfang Februar ca. 310 Containerschiffe davon betroffen [2]. Das führte bei dem anschließenden Nachfrageboom zwangsläufig zu einem Engpass. Sollte die Nachfrage weiterhin ansteigen, ist ein Ende des Engpasses nicht abzusehen.

Viele Reedereien haben in den letzten Jahren weniger neue Schiffe geordert, Neubestellungen für Schiffe gingen bereits 2019 um 10 Prozent und 2020 um 50 Prozent zurück [3]. Das heißt, dass ein schneller Anstieg der Schiffskapazitäten nicht zu erwarten ist, da eine heute getätigte Bestellung der Containerschiffe zu einer Auslieferung in ca. 3 Jahren führt. 

Containerstau

Der Warenverkehr wird zudem durch die eingeschränkte Verfügbarkeit von Containern behindert. Es gibt nicht genügend Container, um Nachfrageschwankungen wie die durch die Covid-19-Krise aufzufangen. Zudem haben sich zum Anfang der Pandemie viele Container im Westen gestaut. Im Lockdown Ende Februar bzw. Anfang März 2020 haben die europäischen Abnehmer trotz Lockdown noch große Mengen an Lieferungen bestellt. Somit kamen zu diesem Zeitpunkt Container aus China an, die nicht abgeholt bzw. weitertransportiert wurden und sich stattdessen in den Container-Terminals stauten.

Eine ähnliche Entwicklung ist bei den Rücktransporten zu beobachten. Quarantäne-Maßnahmen für Schiffsbesatzungen und Beschäftigte in der Containerabwicklung führten zu mangelndem Personal in den Häfen und für den Weitertransport in das Hinterland. Die Lagerung der Container verlängerte sich und damit die Rücklaufzeiten.

Die Container-Nachfrage steigt hingegen. Daraus resultiert, dass die Frachtraten steigen. Im März sowie April sind die Raten pro FEU zwar konstant geblieben. Seit Mai 2021 steigen sie jedoch wieder rasant. 

Reedereien ordern neue Container

Die Reedereien wirken dieser Entwicklung nun teilweise entgegen. Hapag-Lloyd reagiert auf diese Knappheit mit Neubestellungen von Containern. Im April 2021 wurden 150.000 TEU Trockenboxen sowie hochmoderne Kühlcontainer aus China bestellt. Darüber hinaus wurden 8.000 TEU Spezialcontainer geordert und somit insgesamt 550 Mio. US-Dollar investiert [4]. Die Reederei Wan Hai Lines hat ebenfalls neue Container gekauft. Im Januar 2021 wurden 50.000 FEU angeschafft [5].

Bestellungen der Reedereien führen zu erhöhten Kapazitäten auf dem Markt und lassen dementsprechend auf vergünstigte Angebote für Kunden hoffen. 

Allianzen: der Schlüssel zur Steuerung von Frachtraten?

Eine entscheidende Rolle für die Preisfindung spielt allerdings die Entscheidungsmacht der großen Reedereien und ihrer Allianzen. Sie könnten die Frachtraten zur Ertragssteigerung auf einem höheren Niveau als vor der Krise halten.

Die Reedereien bilden Allianzen, um ihr Serviceangebot zu verbessern. Dabei wird nicht nur die Auslastung der Schiffe besser koordiniert, sondern es wird auch eine Kostensenkung erreicht. Durch diese Kooperation der größten Reedereien erzielen die Allianzen einen umso größeren Umsatz.

In der folgenden Grafik werden die enormen Kapazitäten an Containern und die hohe Anzahl der Schiffe der zehn größten Reedereien deutlich.

TEST

Die Reedereien der größten Allianzen gehören zu den Top 10 der Marktanbieter. Auf der Fernost-Strecke dominieren ausschließlich diese den Markt. Dabei umfasst die „2M Alliance“ (Maersk, MSC) ca. 1.300 Schiffe, die „Ocean Alliance“ (CMA, COSCO, Evergreen) ungefähr 1.260 Schiffe und die „THE Alliance“ (Hapag-Lloyd, ONE, Yang Ming) nahezu 570 Schiffe.

Das folgende Diagramm zeigt die Kapazitätsanteile der größten Schifffahrts-Allianzen weltweit nach Fahrtgebieten im Januar 2021. Insbesondere auf der Fernost-Nordeuropa-Route werden ultragroße Containerschiffe (Ultra Large Container Ship) eingesetzt. Durch die Neuanschaffung bzw. Inbetriebnahme dieser rotieren „kleinere“ Schiffe in andere Fahrtgebiete und werden bspw. auf anderen Linien wie den Südamerika-Europa-Linien eingesetzt. Unter Umständen können diese Verlagerungen zu einem steigenden Angebot führen, wodurch die Frachtpreise unter Druck geraten. Ein Aspekt, den die Reedereien zukünftig bei der Anschaffung neuer Super-Frachtschiffe in ihre Entscheidung einbeziehen werden. Eine Stabilisierung des Angebot-Nachfrage-Verhältnisses ist das langfristige Ziel.

Warenverkehr: Schiene als Preis-Leistungssieger der Zukunft?

2019 wurden über 95 Prozent der Waren zwischen Deutschland und China hauptsächlich über den Seeweg transportiert [6]. Grund dafür sind die geringeren Kosten. Während sie bei dem Seeweg mit 19,22 Mrd. Tonnen bei ca. 75 USD/FEU pro Tag liegen, liegen sie bei der Schiene bereits im Bereich von 397 USD/FEU pro Tag [6]. Zum aktuellen Zeitpunkt ist der Seeweg somit die günstigste Transportart der gängigsten Varianten.

Dennoch bringt die Wahl des Seeweges im deutsch-chinesischem Warenverkehr einen großen Nachteil mit sich: die Transportdauer. Diese beträgt ca. einen Monat. Transporte auf der Schiene benötigen für die gleiche Strecke nur ungefähr zwei Wochen [6].

Das chinesische Infrastrukturprojekt „One Belt, One Road“ bzw. „Neue Seidenstraße“ soll der Besserung des Handelsnetzwerkes zwischen Europa, Asien und Afrika dienen und könnte langfristig die Kapazitäten auf dem Schienenweg erhöhen und zu Preisreduktionen führen. Dem gegenüber steht allerdings eine stetig steigende Nachfrage.

Steigende Nachfrage für Schienenverkehr von China nach Deutschland

Bedingt durch das Projekt „Neue Seidenstraße“ ist der Schienengüterverkehr zwischen Deutschland und China in dem Jahr 2013 mit 56.716 Tonnen bis zum Jahr 2019 um fast 760 Prozent auf 430.952 Tonnen stark gewachsen [6].

Der Eisenverband UIC (International Union of Railways) schätzte die Entwicklung des Transportvolumens des Güterbahnverkehrs zwischen China und Europa im Jahr 2016 bis zum Jahr 2027 von 145.000 TEU auf 640.000 TEU [7]. Dies entspricht einem Anstieg von ca. 440 Prozent. Allerdings wurden bereits im Jahr 2020, bedingt durch die Covid-19-Krise und dem darauffolgenden Boom an Nachfrage nach Gütern ca. 1,135 Millionen Standardcontainer (TEU) über die China-Europa-Züge transportiert [8].

Ausblick: Frachtraten pendeln sich auf höherem Niveau als vor der Covid-19-Krise ein

Das langfristige Ziel der Reedereien sind stabile, profitable Raten. Nach der ersten Covid-19-Welle hat sich gezeigt, dass es zu wenige Kapazitäten gibt, um die rasant gestiegene Nachfrage zu bedienen. Den Reedereien mangelt es an verfügbaren Containern und die Preise explodierten. Der Markt ist zu träge, um kurz- oder mittelfristig auf die unterschiedlichen Kapazitätsengpässe zu reagieren. Die Allianzen können somit den Markt steuern und ihr Interesse an einer Stabilität auf höherem Niveau durchsetzen. Ein Preisdruck durch den Schienenverkehr ist ebenso wenig zu erwarten.

Parallele Entwicklungen sind ebenso im Luftfrachtverkehr zu erkennen. Auch hier existieren Kapazitätsengpässe und eine erhöhte Nachfrage. Eine Einschätzung wie sich dieser Markt entwickelt, können Sie in dem nächsten Beitrag lesen.

Quellen:

[1] https://www.gtai.de/gtai-de/trade/wirtschaftsumfeld/bericht-wirtschaftsumfeld/china/chinas-aussenhandel-schreibt-in-der-coronakrise-neue-rekorde-616472

[2] https://www.statista.com/statistics/1106576/inactive-container-ships-due-to-covid-19/

[3] https://www.dw.com/de/container-schifffahrt-reeder-export-handel/a-56663481 23.02.21, Insa Wrede

[4] https://www.hapag-lloyd.com/en/press/releases/2021/04/hapag-lloyd-orders-150-000-teu-of-standard-and-reefer-containers.html 14.04.2021

[5] https://www.hellenicshippingnews.com/wan-hai-orders-50000-containers-amid-shortage/

[6] https://www.boell.de/sites/default/files/2020-11/Infrastrukturatlas%202020.pdf?dimension1=ds_infrastrukturatlas

[7] https://www.hk24.de/blueprint/servlet/resource/blob/4399366/acf8e888a003f7440d01bea9541679c6/hamburg-europa-hub-auf-der-neuen-seidenstrasse-data.pdf 2018

[8] http://de.china-embassy.org/det/sshsz/t1847543.htm 20.01.2021

Mehrsprachiger Beitrag

Dieser Beitrag ist ebenfalls in den folgenden Sprachen erhältlich