• Antje Müller, Partnerin |

Keyfacts

  • Aufgrund der Steuersatzänderung in Deutschland besteht dringender Handlungsbedarf

  • Der Handlungsbedarf umfasst neben der systemseitigen Umsetzung auch die prozessuale Abbildung

  • Es bestehen branchenspezifische Themen, deren Abbildung zu weiterer Komplexität führt

  • Um diese branchenspezifischen Themen zu identifzieren und rechtssicher abzubilden verbleibt wenig Zeit

Mit dem Konjunkturpaket hat die Bundesregierung die auf den Zeitraum 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 zeitlich begrenzte Absenkung der Umsatzsteuersätze von 19% auf 16% sowie von 7% auf 5% beschlossen.  

Hieraus resultieren für Unternehmen im Bereich Life Sciences und Chemicals - entlang der Lieferkette - vielfältige umsatzsteuerliche Aspekte, die Unternehmen zu beachten haben und die im Rahmen der nun erforderlichen Anpassungen und im laufenden Betrieb zukünftig zu beachten sein werden.  

Zutreffende Allokation von Rabatten

Insbesondere im Bereich Life Sciences war die umsatzsteuerlich zutreffende Behandlung der Herstellerrabatte in der Vergangenheit bis zur Entscheidung in der Rechtssache Boehringer Ingelheim Pharma (EuGH, Urteil vom 20.12.2017, C- 462/16) umstritten. Durch die Umsatzsteuersatzänderung ergeben sich für Herstellerrabatte erneut Herausforderungen. Denn sie sind den jeweiligen Lieferungen und mithin unterschiedlich besteuerten Umsätzen zuzuordnen. Dies wird jedoch auf Basis der Meldungen der Krankenkassen bzw. der ZESAR nur schwerlich möglich sein, da sich daraus lediglich die durch die Apotheken abgegebenen Medikamente, nicht aber der Zeitpunkt der ursprünglichen Lieferung ableiten lassen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Finanzverwaltung Vereinfachungsregelungen vorsehen wird bzw. ob eine individuelle Absprache mit dem zuständigen Finanzamt erforderlich ist.  

Das Erfordernis der Zuordnung zu der jeweiligen Lieferung gilt auch für weitere Sachverhalte, zum Beispiel bei Werbekostenzuschüssen im Falle eines Vertriebs über den (stationären) Einzelhandel. Auch hier ist der Steuerentstehungszeitpunkt für die zutreffende Abbildung entscheidend.  

Schnittstellenthemen gewinnen an Relevanz

Ergänzend ist bei sonstigen Leistungen sowie bei Lieferungen, die über einen Verrechnungspreis vergütet werden (z. B. Auftragsforschung, Lieferungen im Rahmen von Prinzipalstrukturen), sicherzustellen, dass auch hier jedwede Anpassung des über den Verrechnungspreis gesteuerten Entgelts den unterschiedlich besteuerten Umsätzen zuzuordnen ist. Dies gilt bei Wareneinfuhren insbesondere auch dann, wenn Rohstoffe o. ä. eingeführt werden, die sich auf z. B. Arzneimittel beziehen, für die ein Vorsteuerabzug nicht zulässig ist.  

Somit ist zukünftig verstärkt durch geeignete Prozesse und Schnittstellendefinitionen sicherzustellen, dass die für die zutreffende umsatzsteuerliche Würdigung erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen. Bestehende Prozesse - auch im Rahmen von Tax Compliance Management Systemen - sind zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Darüber hinaus ist der Bedarf an neu zu definierenden Prozessen festzustellen und in Abhängigkeit der Analyseergebnisse sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen.  

Eingangsrechnungsprozesse erfordern weitere Prüfschritte

Auch eingangsseitig sind die mit der Steuersatzänderung einhergehenden Herausforderungen vielfältig. So stellt sich zum Beispiel die Frage des zutreffenden Umsatzsteuersatzes bei klinischen Studien und bei Produktion über Lohnveredeler. Denn diesbezüglich ist ausschlaggebend, wann die jeweilige Leistung aus umsatzsteuerlicher Sicht erbracht wurde. Gleiches gilt für Lizenzen, Mieten sowie weitere Dauerleistungen.  

Sofern die Belegprüfung über Shared Service Center im Ausland erfolgt, sind die Mitarbeiter ferner entsprechend zu befähigen, um einen Abgleich zwischen Leistungszeitpunkt und in Rechnung gestelltem Umsatzsteuersatz vornehmen zu können. Darüber hinaus sind erforderliche Anpassungen im Eingangsrechnungsprozess zu berücksichtigen. Zu denken ist hier zum Beispiel an die Anpassung von OCR-Software. Ebenso ist sicherzustellen, dass Abrechnungssysteme, welche Lieferanten für die Rechnungserstellung und -übermittlung verwenden, eine zutreffende Abbildung ermöglichen. 

Daneben besteht auch weiterhin das Erfordernis der systemseitigen Anpassung

Ungeachtet der zuvor genannten Aspekte entlang der Lieferkette, sind auch die systemseitigen Anpassungen zu beachten. Insbesondere ist sicherzustellen, dass die Steuerfindung eine zutreffende Abbildung aller relevanten Geschäftsvorfälle ermöglicht. Daneben sind weitere Fälle zu identifizieren, bei denen ein Steuerkennzeichen (eventuell auch dauerhaft) vergeben und für die Buchung der Belege herangezogen wird. Hieraus könnte sich zum Beispiel ein erheblicher Anpassungsbedarf im Bestellprozess ergeben, sofern die in der Bestellung vermerkten Steuerkennzeichen für die Buchung der Eingangsrechnung von Relevanz sind.  

So können wir helfen

Die Auswirkungen der temporären Absenkung der Steuersätze sind vielfältig und es ist prozessual und systemseitig sicherzustellen, dass sämtlich betroffene Transaktionen rechtzeitig identifiziert werden. Gerne unterstützen wir Sie mit unserem branchenerfahrenen Team bei der entsprechenden Identifikation des konkreten Handlungsbedarfs sowie bei erforderlichen Abstimmungen mit der Finanzverwaltung, Definition von neuen Prozessen oder weiteren denkbaren Schritten, die sich aus der temporären Absenkung der Steuersätze ergeben.  

Mein Profil

Speichern Sie Inhalte, verwalten Sie Ihre Bibliothek und teilen Sie die Inhalte mit Ihrem Netzwerk.