• Michael Wild, Senior Manager |

Keyfacts

  • Kriminelle nutzen verschiedene Wege, um an Corona-Hilfen zu gelangen.

  • Die Bedarfs- und Identifikationsprüfung wird wegen des hohen Aufwands für Behörden und Banken oftmals vernachlässigt.

  • RegTechs können mit ihren innovativen KYC-Lösungen Unterstützung gegen den Betrug leisten.

  • Das aktuelle Videoidentifizierungsverfahren könnte bald von neuen Methoden zur Identitätsfeststellung abgelöst werden.

Seit der Ausbreitung des Coronavirus ist die Wirtschaftsleistung in Deutschland stark eingebrochen. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bekommen die Folgen der Covid-19-Pandemie zu spüren, da sie ihre Geschäftsräume und Produktionsstätten schließen mussten. 

Daher verabschiedete die Bundesregierung, in Absprache mit den Bundesländern, frühzeitig ein umfangreiches Hilfsprogramm, das die liquiditätsschwachen KMU unterstützen soll. Es sieht ein schnelles und unkompliziertes Verfahren vor, um Corona-Hilfen in Form von Zuschüssen oder Krediten als Soforthilfen an die notleidenden Unternehmen zu vergeben. 

Corona-Hilfen stellen Behörden und Banken vor Herausforderungen

Seit Inkrafttreten dieses Hilfsprogramms ist sowohl bei den einzelnen Behörden als auch bei den Banken eine Vielzahl von Anträgen eingegangen. Allein in Hessen wurden bis zum 26. April „weit über 100.000 Anträge“ auf Corona-Soforthilfe gestellt. Die Antragsflut sowie die geforderte schnelle, unkomplizierte Auszahlung stellen Banken und Behörden allerdings vor verschiedenste Probleme.

Zum einen macht die hohe Anzahl der gestellten Anträge eine individuelle Betrachtung und Bedarfsprüfung durch einen Mitarbeiter unmöglich. Zum anderen schließt das Kontaktverbot eine persönliche Beratung des Antragsstellers aus. Außerdem werden bei der Beantragung und der Auszahlung der Corona-Hilfen die Antragssteller nicht ausreichend identifiziert und verifiziert. Dies nutzen Kriminelle mehr und mehr aus.

Kriminelle nutzen verschiedenste Möglichkeiten

Mithilfe von gefälschten Behörden-Websites sammeln Cyberkriminelle persönliche Daten. Potenziell antragsberechtigte Privatpersonen und KMU geben dort alle nötigen Daten ein, um Hilfen zu beantragen  - doch dann reichen die Betrüger mit den erlangten Daten die Anträge bei den richtigen Stellen ein und ändern dabei lediglich die Kontoverbindung für die Auszahlung.

Darüber hinaus versuchen Antragssteller, die grundsätzlich zu Corona-Hilfen berechtigt sind, durch die mehrfache Beantragung sich die Unterstützung mehr als einmal auszahlen zu lassen. Dies kann unbewusst oder bewusst geschehen. So wird zum Beispiel sowohl für die natürliche als auch für die juristische Person ein Antrag gestellt. Weil die persönlichen Daten unzureichend oder nicht vollständig geprüft werden und etwa keine Dublettenprüfung vorgenommen wird, werden Corona-Hilfen zunehmend mehrfach ausgezahlt.  

Aber auch Personen, die kein Anrecht auf Corona-Hilfen haben, stellen Anträge bei Banken und Behörden. Aufgrund der hohen Anzahl an Antragsstellern und der geringen Prüfungsmöglichkeiten werden die staatlichen Hilfen ohne wirkliche Bedarfsprüfung ausgezahlt. 

Wie RegTechs helfen können

Als RegTech (Regulatory Technology) werden Unternehmen bezeichnet, die durch den Einsatz innovativer Technologien regulatorische Herausforderungen und Compliance-Belastungen effektiver und effizienter lösen. Gerade in Corona-Zeiten, in der es um schnelles, aber dennoch wirkungsvolles und bedarfsgerechtes Handeln geht, ist es sinnvoll und empfehlenswert, solche Technik einzubeziehen. Dies wird nicht nur zur Entlastung der Mitarbeiter, sondern auch zu einer geringeren Anzahl an Betrugsfällen führen. 

Ist das Videoidentifizierungsverfahren die Lösung?

Die BaFin hat im Jahr 2017 eine Lösung in Deutschland zugelassen, die trotz räumlicher Trennung eine Identifizierung ermöglicht, und die mit dem Geldwäschegesetz (GWG) konform ist. Die Videoidentifizierung  - beschrieben in den Auslegungs- und Anwendungshinweisen zum GWG (5.1.3.2 f. Videoidentifizierungsverfahren, AuA)  - darf seitdem als Alternative zur persönlichen Vor-Ort-Identifizierung von natürlichen Personen genutzt werden.

Für die Durchführung der Videoidentifizierung stellt die BaFin bestimmte Anforderungen. Diese beziehen sich unter anderem auf die räumlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen und verlangen zudem speziell geschulte und ausgebildete Mitarbeiter. Verlangt werden von den Mitarbeitern beispielsweise Fachkenntnisse in den Prüfverfahren der akzeptierten Dokumente, Wissen über gängige Fälschungsmöglichkeiten dieser Dokumente und Kenntnisse der geldwäscherechtlichen und datenschutzrechtlichen Vorschriften.

Die Ausbildung der Mitarbeiter sowie die organisatorischen Rahmenbedingungen sind kostspielig und zeitaufwendig. Allerdings ist dadurch eine Identifizierung bequem von zu Hause aus möglich. Das Verfahren stößt jedoch an seine Leistungsgrenzen. Oftmals muss auf einen Termin gewartet werden. Zusätzlich können Datenschutzprobleme durch die Nutzung von zu Hause auftreten.

Trends im europäischen Ausland

In vielen anderen europäischen Ländern geht deshalb der Trend zu einem neuen Verfahren der Identifizierung, welches ohne den Einsatz eines geschulten Mitarbeiters auskommt. Die Identifizierung, zum Beispiel beim Eröffnen eines neuen Kontos, erfolgt dabei komplett digital und automatisiert.

Nach der Eingabe aller benötigten persönlichen Daten wird die Person aufgefordert, ihre Identität zu verifizieren. Dabei kann sie auswählen, mit welchem Dokument sie sich verifizieren will. Im ersten Schritt werden Fotos vom Ausweisdokument erstellt. Danach fordert die Applikation dazu auf, ein Selbstportraits (Selfies) für den Bildabgleich zu erstellen. Nach dem Upload untersucht im Hintergrund ein KI-gesteuertes Programm sowohl die Bilder vom Ausweis als auch die Selfies auf bestimmte Sicherheitsparameter. Innerhalb von knapp zehn Minuten wird die Identität geprüft, dann ist der Onboarding-Prozess abgeschlossen. 

Eine weitere Möglichkeit der Identifizierung wird durch den elektronischen Personalausweis möglich. Dabei wird das Smartphone mithilfe der NFC-Funktion, die bei den meisten neuen Geräten eingebaut ist, sowie mit speziellen Apps zum Lesegerät für das Ausweisdokument. Der volldigitale Prozess erlaubt es Kunden, sich innerhalb kürzester Zeit aus der Ferne zu verifizieren.

Im Vergleich zum Videoidentifizierungsverfahren sind dies neue Methoden, von denen sowohl der Antragssteller/Kunde als auch beispielsweise die Bank profitiert. Dem Antragssteller/Kunden kommt die zeitunabhängige Verifikation entgegen, da der vollautomatisierte Vorgang jeden Tag und rund um die Uhr sowie ortsunabhängig verfügbar ist. Zudem ist der komplett digitale Identifizierungsprozess deutlich schneller. Der Vorteil für Banken liegt derweil in geringeren Betriebskosten pro durchgeführte Identifikation und demzufolge in einer erhöhten Conversion Rate. 

RegTechs, die die beschriebenen Lösungen zur Identifizierung und Verifizierung von Antragsstellern vertreiben, bieten in der aktuellen Corona-Krise einen Mehrwert. Mit ihrer Hilfe kann es Kriminellen erschwert werden, unberechtigt an Hilfsgelder zu gelangen.

  • Michael Wild

    Michael Wild

    Senior Manager, Financial Services, Head of Regulatory Technology (RegTech)

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