• Bernd Oppold, Partner |

Keyfacts

  • Die Sicherung der Liquidität und die Aufrechterhaltung der Geschäftsaktivitäten sind angesichts drastisch eingebrochener Verkaufszahlen von hoher Relevanz.

  • Zusätzlich ist die Stärkung der Vertriebsaktivitäten entscheidend, um die schwächelnde Nachfrage kurzfristig anzukurbeln.

  • Als Reaktion auf die sich abzeichnenden veränderten Kundenbedürfnisse bietet sich die Weiterentwicklung von Produkt- und Serviceangeboten an.

Wir erleben, wie sich Disruption anfühlt: Stillgelegte Fabriken, geschlossene Geschäfte, leere Straßen und tiefgreifende Einschnitte in das wirtschaftliche und private Leben. Nichts ist mehr, wie es war, und vieles wird sich auch zukünftig verändern. Eine neue Normalität zeichnet sich ab.

Die Covid-19-Pandemie hat nach ihrem Ursprung in China ihren Weg von Ost nach West gefunden, mit signifikanten Auswirkungen auch für Automobilhersteller, ihre Händler-Netzwerke und ihre Financial-Services-Einheiten. Obwohl Gesundheit und Sicherheit ihrer Beschäftigten zweifellos die Hauptsorge aller Manager sind, müssen sie ihre Unternehmen auch wirtschaftlich durch diese turbulenten Zeiten steuern.

Covid-19 gibt dabei das Tempo vor. Mit der Ausbreitung des Virus nehmen auch die globalen wirtschaftlichen Auswirkungen zu, deren Zeitverläufe sich jedoch pro Land unterscheiden. Einige Märkte erholen sich, andere Märkte sind weiterhin abgeschaltet. Für die Automobilhersteller und ihre Automotive-Financial-Service-Einheiten bedeutet das, in dieser asynchronen Entwicklung jeden Markt getrennt zu berücksichtigen. 

Auswirkungen auf Automotive-Financial-Services

Schon vor der Covid-19-Pandemie befand sich der gesamte Mobilitätsmarkt und damit einhergehend Automotive-Financial-Services in einem tiefgreifenden Wandel:

Grafik

Obwohl die grundsätzliche Struktur dieser Trendlandkarte nicht signifikant durch die Covid-19- Pandemie beeinflusst ist, wird die Pandemie die Wichtigkeit bestimmter Trends deutlich steigern und ihr Eintreten beschleunigen. Zum Beispiel: Homeworking und damit reduziertes Pendeln zur Arbeitsstäte haben schon jetzt nachhaltige Auswirkungen auf den Mobilitätsbedarf, wodurch sich der Bedarf an einer beruflichen Fahrzeugnutzung in Zukunft verringert. Zusätzlich wird der Bedarf an kostengünstigen und flexiblen Mobilitätslösungen ohne langfristige Verpflichtungen steigen. Wichtig ist hierbei, dass Fahrzeuge digital bestellt und unter Berücksichtigung von aktuellen Hygienestandards zur Verfügung gestellt werden.

Covid-19 kann für einzelne Marktteilnehmer als Katalysator dienen. Folglich ist eine entsprechende Anpassung der Geschäftsstrategie erforderlich, die neben der Krisenbewältigung auch eine Vielzahl von Chancen für Unternehmen bietet, die den Mut für eine schnelle Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingungen haben. So können Veränderungen im Unternehmen durchgesetzt werden, die früher undenkbar gewesen sind.

Drei zentrale Handlungsfelder als kurzfristige Antwort auf die die Krise

1. Krise managen

Die Priorität liegt in der Sicherung der Liquidität und der Aufrechterhaltung der Geschäftsaktivitäten. Transparenz in Bezug auf Kosten und Liquidität ist angesichts eingebrochener Verkaufszahlen von entscheidender Bedeutung. Es geht nicht darum, die Kosten so weit wie möglich zu senken, sondern vielmehr darum, die Cash-Burn-Raten des Unternehmens sowie die Liquiditätslage zu verstehen und dementsprechend sinnvolle Kosteneinsparungsmaßnahmen zu identifizieren.

Außerdem sollten die unterschiedlichen Förderprogramme auf Bundes- und Länderebene ausgeschöpft werden, um zusätzliche Liquidität für das Unternehmen, verbundene Händler-Netzwerke aber auch (systemrelevante) Zulieferer zu generieren und für die Zeit nach der Krise zu sichern.

Auch außerhalb der Förderprogramme gilt es, in konstantem Dialog mit den wichtigsten Handelspartnern zu stehen, um Liquiditätsprobleme bei Händlern, Zulieferern und Kunden frühzeitig zu antizipieren und zu managen  - ggf. unter Einbindung der eigenen Captive-Bank. Das Risikomanagement wird somit zu einem wichtigen Erfolgsfaktor bei der Bewältigung der Krise.

Last but not least: Ein funktionsfähiges Operations zur Abwicklung erhöhter Kundenanfragen (u.a. Stundung von Finanzierungs-/Leasingraten) sichert die Kundenzufriedenheit und -bindung auch für die Zeit nach der Krise.

2. Vertrieb ankurbeln

Aus unserer Sicht stellt die Unsicherheit auf der Nachfrageseite allerdings mindestens ein gleich großes Risiko wie die Herausforderungen auf der Angebotsseite dar. Unsere Markteinblicke aus China zeigen, dass die Nachfrage auch nach Beendigung der Shutdowns nicht schnell wieder steigt. Customer Ownership und der direkte Kundenkontakt sind daher wichtiger denn je. Erforderliche kurz- und mittelfristige Maßnahmen zur Stützung des Vertriebs sind aus unserer Sicht:

  • Erhalt bzw. Stärkung der Vertriebsaktivitäten für die Zeit nach der Krise  - die Restrukturierung der Vertriebskraft ist daher keine kurzfristige Option.
  • Vertriebsorganisationen für die zu erwartende Rabattschlacht in Stellung bringen  - es wird dauern, bis die Nachfrage wieder anspringt.
  • Auf-/Ausbau des Online-/Direkt-Vertriebs inklusive Delivery-Modellen  - Anbieter mit einer „echten“ end-to-end digital journey kommen deutlich besser durch die Krise. 
  • Neuklassifizierung der Kunden in „gute alte“ und „gute neue“ Kunden aufgrund der von Covid-19 unterschiedlich betroffenen Branchen  - Kundenbedürfnisse/-Erwartungen werden durch die Krise neu definiert.

3. Neue Produkte und Services anbieten

Die Kundenbedürfnisse ändern sich bereits jetzt aufgrund von Kurzarbeit, Rezessionsängsten, Unsicherheit vor einer zweiten Viruswelle und einem erhöhten Bedürfnis nach Sicherheit und Gesundheit  - um nur einige Beispiele zu nennen. Folgendes sollte bereits jetzt berücksichtigt werden, um auf die veränderten Kundenbedarfe zu reagieren und das Produktangebot für den Neustart zu optimieren:

  • Entwicklung neuer Angebote für Kunden in einem gestressten wirtschaftlichen Umfeld, z.B. vereinfachte Verlängerung auslaufender Leasingverträge oder Stärkung des Gebrauchtwagenleasing
  • Neue, flexible, kostengünstige Mobilitätsangebote mit verkürzten Nutzungszyklen ohne langfristige Verpflichtungen für den Kunden (Kurzzeitleasing (Neu-/Gebrauchtwagen),  Auto-Abos)
  • Zusätzliche Services wie „Touchless Delivery“-Programme unter Einhaltung weitreichender Hygienemaßnahmen
  • Verständnis für die Restwertentwicklung und -anpassung bei Leasing-, Finanzierungs- oder Abonnementprodukten aufbauen, um Problemen bei existierenden Produkten vorzubeugen und Kunden außerdem kostengünstigere Mobilitätslösungen anbieten zu können

Fazit und Ausblick

Diese Krise wird den Mobilitätsmarkt und einhergehend Automotive-Financial-Services tiefgreifend verändern. Neben einem stringenten Krisenmanagement zur Sicherung der Liquidität und der Aufrechterhaltung der Geschäftsaktivitäten angesichts drastisch eingebrochener Verkaufszahlen sind die Vertriebsaktivitäten zu stärken, um die schwächelnde Nachfrage kurzfristig anzukurbeln. Im Rahmen der Neuausrichtung des Vertriebs hin zu einem Online-/ Direktvertrieb ist es zwingend erforderlich die Händlerrolle neu auszugestalten. Gleichzeitig sollten bestehende Produkte auf veränderte Kundenbedürfnisse (hohe Flexibilität, kurze Vertragslaufzeiten, Fokus auf Sicherheit und Gesundheit) angepasst werden.

Mein Profil

Speichern Sie Inhalte, verwalten Sie Ihre Bibliothek und teilen Sie die Inhalte mit Ihrem Netzwerk.