• Dr. Arvind Sarin, Partner |

Keyfacts

  • Automobil-, Luftfahrt- und Hotelindustrie benötigen Milliarden Euro. Von Covid-19 betroffene Unternehmen schöpfen ihre Kreditlinien aus, womit die Liquiditätsreserven der Banken schmelzen.

  • Banken haben die ersten Herausforderungen der Covid-19-Krise gemeistert - nun sollte das Liquiditätsmanagement angepasst werden, um die Herausforderungen der Krise mittel- und langfristig zu umschiffen.

  • Strategische Verbesserungen des Liquiditätsmanagements sind erforderlich, um im Normalbetrieb effizienter zu werden und zielgerichtet und effektiv durch die nächste Krise zu steuern.

Die Covid-19-Krise hat zu einem deutlich erhöhten Liquiditätsbedarf von Unternehmen geführt. Insbesondere Automobil-, Luftfahrt- und Hotelindustrie waren unter den Ersten, die von der Krise getroffen wurden. Betroffene Unternehmen haben früh ihre Kreditlinien ausgeschöpft, um sich Liquidität zu sichern. Dieser erhöhte Liquiditätsbedarf großer Unternehmen ließ im Gegenzug die Liquiditätsreserven vieler Banken schmelzen. Besonders betroffen waren Banken, die große und komplexe Unternehmen bedienen, welche schnell in den Krisenmodus wechselten. Darüber hinaus hat die erhöhte Volatilität an den Märkten bei einigen Banken erhöhte Sicherheitenforderungen (‚Collateral Calls`) und damit weiteren Liquiditätsbedarf ausgelöst.

In den ersten Wochen der Corona-Krise befanden sich die meisten Banken im Krisenmodus, wobei viele Institute ihre Liquiditätsnotfallpläne aktiviert hatten. Finanzinstitute, Regulierungsbehörden und Zentralbanken ergriffen Maßnahmen, um die Liquiditätsreserven der Finanzindustrie wiederherzustellen. Während sich die Verbreitung von Covid-19 zwischenzeitlich in mehreren europäischen Ländern verlangsamt hat und Maßnahmen von Zentralbanken und Regierungen eine gewisse Wirkung zeigen, konnten einige Banken in den Normalbetrieb zurückkehren. Die Finanzindustrie geht vom ad-hoc Krisenmodus in eine mittel- bis langfristige Steuerung über. Aus meiner Sicht sind strategische Verbesserungen des Liquiditätsmanagements erforderlich, um im Normalbetrieb effizienter zu werden und zielgerichtet und effektiv durch diese und die nächste Krise zu steuern:

Krisenszenarien anpassen und Steuerungsansatz erweitern

Liquiditätsstressszenarien, die in den vergangenen Jahren genutzt wurden (idiosynkratrisches, marktweites, kombiniertes Szenario), ermöglichen keine Erkenntnisse über die aktuelle Covid-19-Krise. Im derzeitigen, gestressten Umfeld lassen sich die Ergebnisse von Liquiditätsstresstests nur schwer interpretieren. Viele Banken werden zusätzliche Metriken für das Liquiditätsmanagement in Krisenzeiten einführen. Darüber hinaus ist die aktuelle Krise nicht mit den (häufig an der Finanzmarktkrise 2007/2008 angelehnten) Krisenszenarien der meisten Banken vergleichbar. Banken werden ihre Steuerungsszenarien deutlich flexibler ausgestalten, um gezielt auf die nächste Krise reagieren zu können.

Methoden und Modelle des Liquiditätsmanagements überarbeiten

Liquiditätsstressmodelle, die unter dem Eindruck der Finanzkrise 2007/2008 aufgesetzt und parametrisiert wurden, bieten keine aussagekräftigen Erkenntnisse über die weitere Liquiditätsentwicklung während der Covid-19-Krise. Banken werden zudem bestimmte Modelle überprüfen und entsprechend der Erfahrung aus der Krise anpassen (z. B. konservativere Modellierung von Kreditlinienziehungen). Darüber hinaus werden Banken verstärkt an der Vereinfachung und Flexibilisierung bisher komplexer und starrer Modelle arbeiten. Dies würde beispielsweise ad-hoc Rekalibrierungen ermöglichen, um sich flexibel der jeweiligen Krise anzupassen.

Liquiditätsnotfallpläne detaillierter und klarer formulieren

Viele Banken haben aufgrund der Covid-19-Krise erstmals seit Jahren ihre Liquiditätsnotfallpläne aktiviert, wodurch Schwachstellen in der Governance und den Eskalationsmechanismen ersichtlich wurden. Vor der Krise beinhalteten die meisten Liquiditätsnotfallpläne bereits Übersichten generischer Notfallmaßnahmen, die während einer Krise genutzt werden könnten. Jedoch war kaum eine Bank in der Lage, anhand des vorliegenden Detailierungsgrads tatsächlich durch die Krise zu steuern. Einige Banken hatten Schwierigkeiten, ihre Notfallmaßnahmen ad-hoc zu aktualisieren und kurzfristig einzusetzen. Angesichts dieser Erfahrung planen viele Banken die Einführung regulärer Prozesse zur detaillierteren Überprüfung und Aktualisierung der Notfallmaßnahmen.

Berichterstattung und Analytik verbessern

In vielen Banken kam es während der Covid-19-Krise zu erheblichen Zeitverzögerungen in der Liquiditätsberichterstattung, wodurch die Effektivität des Liquiditätsmanagements beeinträchtigt wurde. Insbesondere die hohe Anzahl erforderlicher ad-hoc Analysen stellte Banken vor Herausforderungen. Zudem sahen einige Banken die Notwendigkeit, ihre interne Berichterstattung in Krisenzeiten sowie im Normalbetrieb verständlicher auszugestalten.

Fazit

Während die Welt entschieden die direkten und indirekten Folgen von Covid-19 bekämpft, konzentrieren sich Banken bereits auf die Erweiterung ihrer strategischen Fähigkeiten, um durch diese und die nächste Krise zu steuern. Die zu erwartenden Verbesserungen des Liquiditätsmanagements werden nicht nur eine robuste Steuerung in Krisenzeiten, sondern auch gesteigerte Effizienz im Normalbetrieb ermöglichen.

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