• Dr. Steffen Wagner, Partner |

Keyfacts

  • Unser Head of Transport Dr. Steffen Wagner beschreibt im Interview, wie sich das Coronavirus auf die Transport- und Logistikbranche auswirkt.

  • Konsequenzen: Viele Kunden fallen vorübergehend aus und es kommt weltweit zu Disruptionen.

  • Maßnahmen: Neben dem Schutz der Mitarbeiter sollten Firmen etwa auf eine gesicherte Liquiditätsplanung achten und sich rechtliche Unterstützung einholen.

  • Ausblick: Langfristig könnte sich die Weltwirtschaft deglobalisieren – Logistikunternehmen sollten bei der entsprechenden Flexibilisierung der Lieferketten unterstützen.

Herr Wagner, in vielen Ländern der Welt gibt es derzeit Ausgangssperren, ganze Fabriken stehen seit Wochen still. Wie betrifft Covid-19 die Transport- und Logistikbranche?

Die Krise trifft den Sektor derzeit aus zwei Gründen besonders stark. Zum einen durch einen signifikanten Rückgang von Transportvolumina, da einige Branchen als Kunden vorübergehend ausfallen, etwa die Automobilindustrie oder Sportartikelhersteller. Zum anderen kommt es entlang der gesamten Lieferkette zu Disruptionen. Einige Länder schließen ihre Grenzen vollständig, in anderen dauert die Zollabfertigung sehr viel länger als in normalen Zeiten.

Mit erheblichen Konsequenzen für die Transporteure.

Richtig, für Logistiker kommt es zu drastischen Einschränkungen, etwa weil tausende Passagierflüge gestrichen werden. Das ist für die Branche ein Problem, denn etwa 50 Prozent der globalen Luftfracht werden normalerweise in den Frachträumen von Passagierflugzeugen befördert. Auch der Landtransport wird schwieriger, etwa durch längere Warte- und Fahrzeiten oder auch gestiegene Schulungsanforderungen. Wenn nun Erkrankungen hinzukommen oder an Ländergrenzen ein Fahrerwechsel vorgeschrieben ist, verschärft das die Situation zusätzlich. Und nicht zuletzt ist auch die globale Schiffahrt stark betroffen, viele Container liegen leer in den Häfen.

Wie gehen Unternehmen mit diesen Entwicklungen um?

Für alle Firmen ist derzeit der Schutz ihrer Mitarbeiter am wichtigsten. Darüber hinaus sind je nach Kundenstruktur sehr unterschiedliche Schritte nötig. Logistikunternehmen beliefern oft mehrere Branchen. Deshalb kommt es nicht selten dazu, dass in einem Lager kaum noch Arbeit anfällt, während ein anderes überlastet ist. Unternehmen versuchen in solchen Fällen, Kapazitäten zu verlagern. Für Großunternehmen im Landtransport kommt eine weitere Herausforderung hinzu: Sie unterstützen ihre vielen kleinen Subunternehmern. Denn diese sind oft nicht besonders finanzstark und benötigen Hilfe, um die Krise zu überstehen.

Welche Maßnahmen können Firmen in dieser Situation helfen?

Zunächst einmal ist eine gesicherte Liquiditätsplanung entscheidend. So verschaffen sich Unternehmen einen Überblick, wie sich ihre Finanzierung je nach Verlauf der Pandemie entwickeln könnte. Das hilft ihnen abzuschätzen, wann sie staatliche Förderprogramme beantragen oder Kurzarbeit einführen sollten. Bei der Umsetzung solcher Maßnahmen wiederum ist es wichtig, sich auch rechtliche Unterstützung einzuholen. Weiterhin sollten Firmen Möglichkeiten ausloten, ihre Steuerzahllast kurzfristig zu verringern.

Ist abzusehen, dass sich die Rahmenbedingungen der Branche durch die Krise nachhaltig ändern werden?

Ja. Es zeichnet sich ab, dass die Weltwirtschaft künftig deutlich weniger global sein wird. Ein Trend zur Deglobalisierung, der schon vor dem Coronavirus vorhanden war, verstärkt sich jetzt. Denn Covid-19 hat Staaten gezeigt, dass eine starke Abhängigkeit von internationalen Handelsströmen auch zu einer gewissen Verwundbarkeit führt. In Zukunft werden deshalb viele Länder dazu übergehen, Redundanzen aufzubauen. Das heißt, sie werden dafür sorgen, dass sie essenzielle Güter wie medizinische Geräte und Ausrüstung vorrätig halten oder zur Not auch im Inland produzieren können. 

Was bedeutet das für Logistikunternehmen?

Viele Wirtschaftszweige werden ihre Lieferketten flexibler gestalten wollen. Darauf wird sich der Sektor einzustellen haben. Für Logistiker, die ihre Routen besonders dynamisch anpassen können, liegt hierin eine große Chance. Weiterhin ist damit zu rechnen, dass die Grenzkontrollen auf absehbare Zeit zunehmen und dass es zu einer gewissen Konsolidierung des Transport- und Logistiksektors kommt. Firmen sollten sich darauf vorbereiten und gleichzeitig auf Nachhaltigkeit setzen. Denn geringe CO2-Emissionen werden auch nach der Krise ein wichtiger Erfolgsfaktor sein.

Kurzfristige Maßnahmen
Mittelfristige Maßnahmen
Langfristige Maßnahmen

Was macht Hoffnung?

Es lässt sich derzeit häufig beobachten, dass Marktteilnehmer miteinander kooperieren. Besonders kleine und mittelgroße Firmen teilen ihre Lager oder machen eine Fahrt für den Wettbewerber mit. Diese Entwicklung hin zu einer Sharing Economy war schon vor der Ausbreitung des Coronavirus nicht zuletzt angesichts zahlreicher Gründungen von digitalen Plattformen in Ansätzen erkennbar und verstärkt sich nun. Es ist auch im Sinne der Nachhaltigkeit sehr wünschenswert, dass sich dieser Trend fortsetzt. Denn in normalen Zeiten sind etwa 60 bis 70 Prozent der Lkw-Transporte nicht voll beladen.

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