Covid-19 und das Gesundheitswesen Covid-19 und das Gesundheitswesen
Keyfacts
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Unser Head of Healthcare Axel Bindewalt beschreibt im Interview, wie sich das Coronavirus auf den Gesundheitssektor auswirkt.
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Konsequenzen: Die Akteure des Gesundheitswesens ordnen sämtliche Aktivitäten der Bewältigung von Covid-19 unter.
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Maßnahmen: Krankenhäusern, Arztpraxen & Co. hilft nun Unterstützung etwa bei der Materialbeschaffung oder in Finanzierungsfragen.
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Ausblick: Langfristig kann die Pandemie die Digitalisierung der Branche beschleunigen.
Herr Bindewalt, es gibt wohl kaum einen Sektor, der in der Coronavirus-Pandemie so im Fokus steht wie das Gesundheitswesen. Wie betrifft Covid-19 die Branche selbst?
Das lässt sich derzeit schwer abschätzen, da sich die Lage so schnell entwickelt und wir uns in Deutschland vermutlich noch am Anfang der Pandemie befinden. Schon jetzt ist aber zu beobachten, dass die Krise etablierte Prozesse auf den Kopf stellt. Das fördert auch Schwachstellen zu Tage. So zeigt sich besonders deutlich, dass manche Organisationen stark von globalen Lieferketten abhängig sind – und nun beispielsweise Schwierigkeiten haben, Atemschutzmasken oder Desinfektionsmittel zu beschaffen. Auch eine dünne Personaldecke wird deutlich spürbar.
Wie gehen die Akteure der Gesundheitsbranche mit dieser Situation um?
Sie ordnen im Krisenmanagement sämtliche Aktivitäten der Bewältigung des Coronavirus unter und bereiten sich auf einen Anstieg der schwer an Covid-19 erkrankten Patienten vor. In Krankenhäusern helfen dann etwa Verwaltungsmitarbeiter in der Wäscherei aus, um Schutzkleidung schnell wieder nutzbar zu machen. Oder Angestellte aus Fachabteilungen, die gerade nicht gebraucht werden, unterstützen beispielsweise in der Apotheke. Darüber hinaus tauschen sich Ärzte mit Kollegen in Italien, Spanien, Südkorea und China aus, um mehr über die Krankheit und ihren Verlauf zu erfahren. Alle Gesundheitsberufe leisten derzeit Außergewöhnliches, da sie trotz der aktuellen Situation dem Gesundheitssystem zur Verfügung stehen und ihre Arbeit wie auch an jedem anderen Tag bestmöglich ausüben.
Gibt es denn Maßnahmen, die Organisationen derzeit entlasten können?
Ja, die gibt es. Viele Organisationen richten momentan ihre ganze Konzentration auf zwei Themen: Wie gelingt die Versorgung der Patienten? Und wo lässt sich das dafür nötige Material beschaffen? Alles andere tritt in den Hintergrund. Ein Beispiel ist die Logistik in Krankenhäusern. In vielen Kliniken funktioniert die normale Anlieferung nicht mehr wie sonst. Manche Zulieferer stellen Hilfsmaterialien nun direkt bei der Zentrale ab – und nicht wie sonst dezentral, zum Beispiel in der Station, die diese benötigt. Und da Krankenhäuser häufig riesige Organisationen sind, ist in der Folge unklar, wo sich die Güter befinden. Digitale Anwendungen können bei der Materialsuche unterstützen oder auch bei der Inventurzählung sowie der Warenstromberechnung. Das entlastet bei der Krisenbewältigung. Ebenfalls wichtig ist jetzt Unterstützung bei der Beantragung von staatlichen Fördermitteln und anderen Fragen der Finanzierung.
Ist abzusehen, dass sich die Branche durch die Krise nachhaltig ändern wird?
Ich glaube, die Erfahrung der Pandemie wird die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben. Denn gerade jetzt werden die großen Vorteile des digitalen Wandels offensichtlich. Und das führt vielfach dazu, dass Hürden fallen. Zum Beispiel gab es lange kein deutschlandweites Verzeichnis, das anzeigt, wo gerade Intensivbetten in Krankenhäusern frei sind. Nun haben sich innerhalb kürzester Zeit mehr als 1.000 Kliniken in ein digitales Intensivregister eingetragen. Auch wird nach der Krise sicherlich die Bettenstruktur im deutschen Gesundheitswesen noch einmal neu bewertet werden. Denn während sich noch vor einigen Monaten alle weitestgehend einig waren, dass es zu viele Krankenhausbetten in Deutschland gibt, zeigt sich nun, welche Vorteile diese Infrastruktur hat. Um die medizinische Versorgung zu verbessern, wäre es zudem wichtig, die Vernetzung im Gesundheitssystem deutlich voranzutreiben.
In der Medienberichterstattung über das Coronavirus dominieren oft die Negativmeldungen. Was macht Hoffnung?
Auf der politischen Ebene finde ich die derzeit diskutierten Corona-Datenspende-Apps vielversprechend. Diese könnten die Ausbreitung des Virus eindämmen und so den Akteuren des Gesundheitswesens Zeit verschaffen. Mut macht mir auch zu sehen, wie viel in Bewegung ist und wie Gesundheitsexperten auf der ganzen Welt zusammenarbeiten, um Antworten auf das Coronavirus zu finden. Meiner Meinung nach können wir die Krise nur gemeinsam in Europa lösen. Gleichzeitig zeigt die momentane Situation, wie solide die Grundbasis unseres Systems ist und auf welch hohem Niveau die Leistungsträger arbeiten.