PKV: "Hände weg" von der Leistungs-Abrechnung PKV: "Hände weg" von der Leistungs-Abrechnung
Keyfacts
-
Leistungen in der PKV werden noch immer meist manuell abgerechnet.
-
Diese Prozesse sind fehleranfällig und führen zu unnötig hohen Leistungsaufwendungen.
-
Ende-zu-Ende-Digitalisierung mit Automatisierung kann das Problem lösen.
Die Unternehmen der Privaten Krankenversicherung (PKV) versuchen ihre Kosten heute vor allem in der Administration zu optimieren. Dabei läge der deutlich größere Kostenhebel darin, ihre Auszahlungen zu verringern, argumentiert Markus Spieleder, Partner Financial Services bei KPMG Deutschland – wobei die Leistungen natürlich weiterhin korrekt erbracht werden sollen.
Im Interview erläutert er, wie groß das Problem der unnötig hohen Leistungsauszahlungen in der PKV ist und wie sehr Automatisierung diese Kosten senken kann.
Herr Spieleder, Digitalisierung und Automatisierung sind in aller Munde. Wie gut ist in dieser Hinsicht die PKV-Branche aufgestellt?
Jedes PKV-Unternehmen hat inzwischen eine App, über die der Kunde eingescannte Rechnungen oder Rezepte an die Versicherung schicken kann. Deshalb verkündet die Branche, sie sei bereits digital beim Kunden – und belügt sich damit selbst. Oft landet das digitale Dokument des Kunden im Druckzentrum, wo es wieder in Papierform gebracht und danach weiter bearbeitet wird. Schon diese Medienbrüche helfen weder den Kunden noch dem Versicherer. Die Abrechnung der Leistungen erfolgt zum größten Teil immer noch manuell, mit umständlichen, zeitaufwendigen Mehrfachprüfungen, und hängt zudem wesentlich vom Wissen des jeweiligen Mitarbeiters ab. Das führt zu Rückständen, wodurch die Sachbearbeiter noch weniger Zeit haben, Fälle genau zu prüfen.
Ein Teufelskreis.
Ja. Es werden dann vermehrt Fehler gemacht, und die Folge sind überproportional viele Kundenbeschwerden. Diese erhöhen den Arbeitsaufwand zusätzlich, weil Prozesse mehrfach durchlaufen werden müssen. Außerdem werden Regressfälle selten erkannt, damit bleibt großes Potenzial ungenutzt. Man würde erwarten, dass eine Versicherung ihre Aufwendungen für Behandlungskosten aufgrund eines Unfalls, den ein Dritter verschuldet hat, sich bei diesem zurückholt. Aber das passiert häufig nicht, weil den Sachbearbeitern die Zeit und die technische Unterstützung fehlt, die ihnen einen Hinweis gibt, ob es sich lohnt, den Fall auf Regress zu prüfen. Alles in allem entstehen dadurch unnötig hohe Leistungsaufwendungen, die man in der Branche als „Leakage“ bezeichnet.
Wie groß ist das Potenzial, durch Vermeidung von Leakage Kosten zu senken?
Schon mit kleinen Maßnahmen könnte man Millionen Euro jährlich wiederkehrend einsparen. Bereits das Abgleichen der eingereichten Rechnung mit der Gebührenordnung des Arztes einerseits und mit den Bedingungen des Versicherungstarifs des Kunden andererseits lässt sich voll digitalisieren, ebenso die Berechnung der Leistung.
Im Grunde ist es paradox: Das Versicherungswesen hat keine materiellen Produkte und ist prädestiniert dafür, voll digital zu arbeiten – hat aber einen hohen Anteil manueller Tätigkeiten. Mit heutigen Technologien ließen sich Automatisierungsquoten über 90 Prozent erreichen.
Und die restlichen 10 Prozent?
Das wären die wirklich komplizierten Sachverhalte, die ein spezialisierter Sachbearbeiter lösen müsste. Wohlgemerkt, das Ziel ist nicht die Automatisierung. Sie dient lediglich dazu, unnötige Kosten einzusparen, indem nicht der Mensch, sondern die Maschine den allergrößten Teil der Fälle bearbeitet. Leakage kostet Versicherer ein Vielfaches an dem, was sie investieren müssten, um den Prozess einmal richtig aufzubauen und zu automatisieren.