• Frank Wischott, Partner |

Keyfacts

  • Das Bundeskabinett hat am 31. Juli 2019 umfangreiche Neuerungen zur Reform der Grunderwerbsteuer beschlossen.

  • Die einschneidenden Veränderungen treffen die gesamte Wirtschaft.

  • Im Hinblick auf die Neuregelung sogenannter Share Deals droht ein Vollzugsdefizit – eine Entschärfung ist nicht vorgesehen.

Diese Reform bringt große Veränderungen mit sich: Das Bundeskabinett hat am 31. Juli 2019 eine Neuregelung der sogenannten Share Deals beschlossen.

Die deutsche Wirtschaft sollte sich nun auf drastische Veränderungen einstellen. Es ist absehbar, dass die Pläne des Gesetzgebers den Industriestandort Deutschland vor große Herausforderungen stellen werden – etwa, wenn zukünftig schon der Handel von Aktien an einer Börse dazu führen kann, dass eine börsennotierte Aktiengesellschaft Grunderwerbsteuer zu entrichten hat.

Vollzugsdefizit droht

Was grundbesitzende Kapitalgesellschaften angeht, droht überdies ein riesiges Vollzugsdefizit. Denn gemäß der Neuregelung soll jede grundbesitzende GmbH zukünftig Grunderwerbsteuer zahlen, wenn innerhalb von zehn Jahren (statt vorher fünf Jahren) 90 Prozent (statt vorher 95 Prozent) neue Gesellschafter beigetreten sind. Dies gilt gegebenenfalls sogar auf zehnter oder noch höherer Beteiligungsebene.

Diese grunderwerbsteuerliche Anzeigepflicht werden aber GmbH-Geschäftsführer nur selten überhaupt erfüllen können, da ihnen die Informationen über solche Gesellschafterwechsel nicht vorliegen. Noch schwieriger ist diese Vorschrift für börsennotierte Aktiengesellschaften umzusetzen. Deshalb wird hier eine Börsenklausel diskutiert, die in der jetzigen Gesetzesfassung aber nicht enthalten ist. Jede Übertragung der im Free Float befindlichen Aktien kann daher schädlich sein.

Die Folgen

Es zeichnet sich eine erhebliche Mehrbelastung von Immobilien-Transaktionen in Deutschland bei Share Deals ab. So wird es in vielen Fällen nicht mehr möglich sein, durch einen Co-Investor einen grunderwerbsteuerfreien Exit zu strukturieren. Für Betroffene wird es nun gegebenenfalls nötig sein, dies in die Rendite-Erwartungen einzukalkulieren, wenn sie keine Möglichkeit für einen steuerschonenden Exit finden können.

Zur Erinnerung: Die Grunderwerbsteuersätze sind in Deutschland in den letzten Jahren ohnehin stark gestiegen und die Bemessungsgrundlage liegt mittlerweile näher am Verkehrswert der Immobilie. Kein anderes EU-Land besteuert den Grunderwerb so hoch wie Deutschland.

Keine weitreichenden Übergangsregelungen

Die verschärften Regelungen sollen ab dem 1. Januar 2020 angewendet werden. Weitreichende Übergangsregelungen wird es voraussichtlich nicht geben. Im Gegenteil. Die neuen Regelungen werden sich häufig auch auf vergangene Transaktionen auswirken.

Der Vertrauensschutz der Steuerpflichtigen in die bestehende Rechtslage dürfte schon mit der Veröffentlichung des Regierungsentwurfs im Mai dieses Jahres weitgehend entfallen sein.

Es wird deutlich: Bei zeitlich gestreckten Steuertatbeständen sind unter Umständen auch solche Anteilswechsel zu berücksichtigen, die lange vor dem 1. Januar 2020 stattgefunden haben. Dies gilt zukünftig grundsätzlich sowohl für Immobilien-Personengesellschaften als auch für Immobilien-Kapitalgesellschaften.

Das weitere Gesetzgebungsverfahren

Die Reform der Share Deals wurde von dem Jahressteuergesetz 2019 abgekoppelt und in ein separates Gesetzgebungsverfahren überführt. Nächster Schritt ist die Abstimmung über den Gesetzesentwurf im Bundesrat, womit das formale Gesetzgebungsverfahren eingeleitet wäre.

Was ist zu tun?

Firmen und Investoren sollten nun dringend bestehende Strukturen und Geschäftsmodelle überprüfen. Es ist immens wichtig, anstehende Transaktionen rechtzeitig und sorgfältig unter die Lupe zu nehmen.

Insbesondere bei börsennotierten Unternehmen könnten sich deutliche Auswirkungen ergeben, wenn Aktienbewegungen zukünftig Grunderwerbsteuer im Konzern auslösen können. Soweit ein Ankerinvestor gefunden werden kann, sind die Rahmenbedingungen für einen solchen Co-Investor festzulegen. Gegebenenfalls kann eine Aufstockung von bereits bestehenden Beteiligungen noch im Jahr 2019 ratsam sein.

Konzerne sollten geplante Umstrukturierungen dringend im Hinblick auf die möglichen grunderwerbsteuerlichen Auswirkungen der geplanten Reform analysieren, auch wenn sie diese bereits in diesem Jahr umsetzen wollen. Bei Forward Deals ist sehr genau zu prüfen, wann Signing und Closing ist, um zu klären, ob für die Transaktion gegebenenfalls ein – allerdings sehr eingeschränkter – Vertrauensschutz greifen wird.

Überall dort, wo man auf die bisherigen Haltefristen vertraut hat – etwa bei Optionsvereinbarungen –, sind Investoren gut beraten, zu überprüfen, ob das Investment von einer Verlängerung der bisherigen Frist von fünf Jahren auf zehn beziehungsweise sogar 15 Jahren betroffen sein könnte.

Viel engmaschigeres Compliance-System nötig

Um unliebsame Überraschungen bei Betriebsprüfungen oder Jahresabschlussprüfungen zu vermeiden, sollte die Grunderwerbsteuer zukünftig branchenübergreifend eine viel größere Rolle im Rahmen des Tax Compliance Managements spielen.

Denn Unternehmen stehen vor der Schwierigkeit, über sehr lange Zeiträume alle Gesellschafterwechsel zu überwachen, auch wenn sich diese im Ausland, in einem beteiligten Fonds oder am Aktienmarkt vollziehen. Ein Tax Compliance Management System sollte zukünftig viel engmaschiger greifen und neue Schnittstellen in den Blick nehmen.

Jetzt handeln

In jedem Fall gilt: Gestaltungsmöglichkeiten sollten nun schnell identifiziert werden, da deren Umsetzung erfahrungsgemäß einige Zeit in Anspruch nimmt.

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