• Rinaldo Neff, Director |

Allgemeines zur sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung

Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU/EFTA sieht unter anderem die Koordination der sozialen Sicherheit nach dem Muster der in der EU/EFTA geltenden Regelungen vor. Der Geltungsbereich dieses Abkommens umfasst Staatsangehörige der Schweiz und der EU/EFTA-Staaten, für die die Rechtsvorschriften eines der entsprechenden Staaten gelten. Es bestimmt, in welchem Land eine Person sozialversicherungspflichtig wird, wobei die Zuständigkeit jeweils nur immer einem Staat zugewiesen wird. Dies auch dann, wenn eine Person in verschiedenen Ländern entsprechende Anknüpfungspunkte hat bzw. aus verschiedenen Ländern Erwerbseinkünfte bezieht.

Die Grundsätze der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung können tabellarisch wie folgt dargestellt werden (es werden bewusst nicht alle möglichen Szenarien abgedeckt):

Erwerbstätigkeit Sozialversicherungsrechtliche Unterstellung
Unselbständig in nur einem Staat im Tätigkeitsstaat
Unselbständig in mehreren Staaten (inkl. Wohnsitzstaat) im Wohnsitzstaat, sofern mehr als 25% der Gesamttätigkeit dort ausgeübt wird. Andernfalls in dem Staat, in welchem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
Selbständig und unselbständig in mehreren Staaten in dem Staat, in welchem die unselbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

Ausserdem gilt zu erwähnen, dass für die Definition als unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit jeweils die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats gelten, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird.

Diese Regelungen sind für Staatsangehörige von Drittstaaten bzw. bei einer Erwerbstätigkeit in einem Drittstaat nicht anwendbar.

Umzug in die Schweiz – Beteiligung an GmbH & Co KG in Deutschland

Fallbeispiel:

Frau Müller (deutsche Staatsangehörige) geht nach ihrem Umzug aus Deutschland in die Schweiz hier einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nach. Sie hält noch Anteile an einer deutschen GmbH & Co KG und erhält regelmässig Gewinnanteile aus der entsprechenden Beteiligung. Diese Einkünfte gelten für deutsche Sozialversicherungszwecke als Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit. 

Frau Müller übt also in zwei Mitgliedstaaten (Schweiz und Deutschland) eine unselbständige und eine selbständige Erwerbstätigkeit aus. In Anwendung der oben beschriebenen Unterstellungsregeln ist Frau Müller den Rechtsvorschriften jenes Staates zu unterstellen, in welchem sie eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt, was vorliegend die Schweiz ist. Diese Unterstellung bezieht sich auf sämtliche Erwerbseinkünfte, womit auch die Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit bzw. die Gewinnanteile aus der deutschen Kommanditgesellschaft in der Schweiz sozialversicherungspflichtig werden. Somit muss Frau Müller sich für die selbständige Tätigkeit separat bei der Ausgleichskasse anmelden. Die AHV-Beiträge belaufen sich zurzeit auf 10.0% des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Dies gilt auch dann, wenn Frau Müller in die Geschäftstätigkeiten der GmbH & Co KG nicht involviert ist, sondern nur als passive Gesellschafterin amtet. 

Weitere Fallbeispiele

a) Arbeitgeber im Ausland

Natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, die hier eine Erwerbstätigkeit ausüben, sind im Grundsatz obligatorisch in der AHV versichert. So auch Herr Smith (niederländischer Staatsangehöriger), der während der Pandemie mit seiner Familie in die Schweiz gezogen ist. Er arbeitet aus der Schweiz weiterhin für seinen Arbeitgeber in den Niederlanden. Die steuerliche Situation in der Schweiz in Bezug auf seine Einkünfte und Vermögenswerte hat Herr Smith vor dem Umzug im Detail abgeklärt und die Kosten budgetiert. Dass er auf seinem Erwerbseinkommen auch Sozialversicherungsbeiträge bezahlen muss, hatte er nicht einkalkuliert. 

Im Zusammenhang mit der praktischen Umsetzung solcher Fälle verweisen wir auf den Blog:  Stolperfalle ANobAG - KPMG Schweiz (home.kpmg) vom 11. Januar 2022.

b) Pauschalbesteuerung in der Schweiz

Sofern eine Person mit Wohnsitz in der Schweiz nicht erwerbstätig ist, schuldet sie bis zum Erreichen des Pensionsalters AHV-Beiträge für Nichterwerbstätige. Diese bemessen sich aufgrund des Vermögens und des Renteneinkommens. Seit dem 1. Januar 2022 betragen die AHV-Beiträge für Nichterwerbstätige maximal CHF 25,150 pro Jahr und Person. 

Herr und Frau Maurer sind in die Schweiz gezogen, um ihren Lebensabend am Vierwaldstättersee zu verbringen. Sie unterliegen der Pauschalbesteuerung und sind folglich in der Schweiz nicht erwerbstätig. Zusätzlich zur geschuldeten Einkommens- und Vermögenssteuer (Kantons- und Gemeindesteuern sowie direkte Bundessteuer) aufgrund der Pauschalbesteuerung muss das Ehepaar bis zum Erreichen des Pensionsalters jährlich AHV-Beiträge für Nichterwerbstätige von je CHF 25,150 bezahlen. 

Fazit und Handlungsbedarf

Die Steuerkonsequenzen bei einem Umzug einer natürlichen Person in die Schweiz werden in der Regel umfassend geklärt. Dabei werden den sozialversicherungsrechtlichen Aspekten aber oftmals zu wenig Beachtung geschenkt. Dies kann zu unliebsamen Überraschungen in Form von unerwartet geschuldeten Sozialversicherungsbeiträgen in der Schweiz führen. Es empfiehlt sich, bei der Planung eines Umzuges in die Schweiz auch die Sozialversicherungen mit einzubeziehen.

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