Die vom FIDLEG erfassten Regulierungsbereiche werden weitgehend von der MiFID II abgedeckt. Insofern stellen sich für Schweizer Institute, die den Standard der MiFID II bereits umgesetzt haben im Zuge der FIDLEG-Umsetzung mitunter folgende zwei Fragen:
 

  1. Kann der bereits für MiFID II implementierte Setup auch im Anwendungsbereich des FIDLEG übernommen werden (Äquivalenzüberlegungen)?
  2. In welchen Bereichen ist ein vom MiFID-II-Standard abweichender FIDLEG-Prozess z.B. aus geschäftspolitischen Überlegungen oder aus Gründen der Marktakzeptanz für den Schweizer Markt u.U. trotzdem sinnvoll (geschäftspolitische Überlegungen)?

Nachfolgend werden diese beiden Fragen für die wichtigsten Regulierungsbereiche des FIDLEG beleuchtet.

Kundensegmentierung

Äquivalenzüberlegungen

Anstelle der Segmentierung nach FIDLEG können Schweizer Institute ihre Kunden auch in Einklang mit MiFID II segmentieren. Damit einher geht auch die Übernahme der Opting-Bestimmungen der MiFID II. Diese bilden zusammen mit den Segmentierungsregeln ein in sich geschlossenes System, das nicht mit dem Segmentierungsregime des FIDLEG vermischt werden darf.

Geschäftspolitische Überlegungen

Die Segmentierungsbestimmungen nach FIDLEG sind insgesamt deutlich liberaler: Kunden können einfacher als professionell segmentiert werden (z.B. prof. Tresorerie) und auch an das Opting-out nach FIDLEG werden tiefere Anforderungen gestellt. Insofern muss sich ein Institut vorderhand folgende Fragen stellen:
 

  • Marktakzeptanz: Die Segmentierung nach den liberaleren FIDLEG-Regeln konstituiert den neuen Schweizer Standard. Verursacht die Segmentierung nach dem restriktiveren MiFID-II-Standard in diesem Marktumfeld einen Wettbewerbsnachteil?
  • Anlageuniversum: Welche Auswirkungen hat eine Segmentierung als Kleinanleger i.S.d. MiFID II auf das den Kunden zur Verfügung stehende Anlageuniversum (bei Fonds und Strukturierten Produkten) und ist eine Segmentierung der Kunden nach MiFID II wirklich im besten Interesse der Kunden?

Point-of-Sale-Pflichten

Äquivalenzüberlegungen

Die Anforderungen, die die MiFID II an die Eignungs- und Angemessenheitsprüfung stellt, übersteigen die Point-of-Sale-Anforderungen des FIDLEG deutlich. Dies manifestiert sich namentlich im Bereich der transaktionsbezogenen Beratung und bei Execution-only-Dienstleistungen für Privatkunden sowie mit Blick auf die Erleichterungen bei der Dienstleistungserbringung für professionelle Kunden. Insofern ist die Anwendung des gesamten Komplexes der Point-of-Sale-Pflichten gemäss MiFID II auf den Schweizer Markt aus rechtlicher Sicht ohne weiteres möglich.

Geschäftspolitische Überlegungen

Probleme können sich ergeben, wenn lediglich einzelne Kundengruppen oder Dienstleistungsarten nach FIDLEG abgewickelt werden sollen. Denn für ein in sich stimmiges Service Offering ist eine Vermischung der beiden Regimes oft nicht zielführend.

Die transaktionsbezogene Beratung gemäss FIDLEG ist weder mit den MiFID-II-Grundsätzen zur Angemessenheitsprüfung beim „beratungsfreien“ Execution-only Geschäft noch mit der Eignungsprüfung bei jeder Anlageberatung vereinbar. Auswirkungen zeitigt dies namentlich im Bereich der Vorsorgeprodukte, die in der Praxis oftmals transaktionsbezogen beraten werden, weshalb eine Eignungsprüfung u.U. zu umfangreich ausgestaltet ist.

Auch bei der Beratung von „Institutionellen“ Anlegern – z.B. Vorsorgeeinrichtungen – stellt die am Point of Sale „pflichtenlose“ transaktionsbezogene Beratung oft die einzige Möglichkeit dar, die vorbestehende Beratungsbeziehung mehr oder minder unverändert in einer regulatorisch definierten Form weiterzuführen (vgl. hierzu den Blog zur Kundensegmentierung).

Informations- Dokumentations- und Rechenschaftspflichten

Äquivalenzüberlegungen

Die Anforderungen die die MiFID II an Information, Dokumentation und Rechenschaft stellt, übersteigen die korrespondierenden FIDLEG-Anforderungen weitgehend. Der Anwendung des MiFID-II-Standards auf den Schweizer Markt steht insofern aus rechtlicher Sicht nichts entgegen.

Geschäftspolitische Überlegungen

Insbesondere auf das Geschäft mit „Institutionellen“ Kunden wollen die engmaschigen MiFID- II-Anforderungen nicht richtig passen. Dies zumal z.B. Pensionskassen spezifische Anforderungen, an die Berichterstattung haben (vgl. Art. 48a BVV 2; „TER-Kostenausweis“ nach den Vorgaben der OAK BV). Der Waiver nach Art. 20 Abs. 2 FIDLEG ermöglicht hier eine massgeschneiderte Berichterstattung ohne den Kunden mit unerwünschten Informationen zu belasten. Hinzu kommt, dass der Waiver einen deutlich schlankeren Beratungsprozess ermöglicht (vgl. hierzu den Blog zur Kundensegmentierung).

Drittvergütungen

Äquivalenzüberlegungen

Unter der Voraussetzung, dass der Kunde entsprechend informiert ist und seine Zustimmung gegeben hat, ist das Einbehalten von Drittvergütungen unter dem Regime des FIDLEG weiterhin erlaubt. Demgegenüber geht die MiFID II von einem grundsätzlichen Verbot des Annehmens und Behaltens von Drittvergütungen aus und lässt dies nur für bestimmte Dienstleistungen und unter strengen Bedingungen (i.e. Qualitätsverbesserung) zu.

Geschäftspolitische Überlegungen

In meinem Blog zur Behandlung von Drittvergütungen (vgl. hierzu den Blog zu Entschädigungen durch Dritte) habe ich ausgeführt, dass Drittvergütungen für Schweizer Institute nach wie vor eine bedeutende Einnahmequelle dargestellen und wie ein vollständiger Verzicht auf Drittvergütungen das Service Offering aus den Fugen werfen würde, wenn nicht zugleich eine strategische Neuausrichtung des Pricings eingeleitet wird.

Auf kurze Frist ist daher ein vollständiger Verzicht aus Ertragssicht aber auch aufgrund zeitlicher Überlegungen (Dauer eines strategischen Pricing-Projektes) für viele Schweizer Institute keine Option.

Transparenz und Sorgfalt bei Kundenaufträgen

Äquivalenzüberlegungen

FIDLEG übernimmt mit Ausnahme der Reportingpflichten (z.B. Top 5 Venues Reporting) die MiFID-II-Standards in Bezug auf Best Execution und Sorgfalt bei der Bearbeitung von Kundenaufträgen (vgl. auch den Blog zur Best Execution).

Geschäftspolitische Überlegungen

Wurden die aufwendigen Anforderungen, die MiFID II an die Bearbeitung von Kundenaufträgen und an die Best Execution stellt, vollumfänglich umgesetzt, ist nur schwer vorstellbar, warum für den Schweizer Markt ein separater FIDLEG-Setup umgesetzt werden sollte.

Basisinformationsblatt

Äquivalenzüberlegungen

In der EU stellen die UCITS IV und die PRIIP-Verordnung Anforderung an das Erstellen von Produktdokumentationen auf. Die FIDLEG-Vorschriften zum BIB orientieren sich an diesen europäischen Bestimmungen. Anstelle eines BIB kann in der Schweiz auch ein sich an den Vorgaben eines ausländischen Rechts orientierendes, gleichwertiges Dokument – insb. ein PRIIP-KID – verwendet werden.

Geschäftspolitische Überlegungen

Typischerweise werden für Schweizer Kunden auch vermehrt Anlageprodukte von Schweizer Produzenten eingesetzt. Für diese Produkte werden i.d.R. BIBs nach FIDLEG-Standard produziert werden. Dies muss bei der Wahl des Produktdatenproviders beachtet werden. Anbieter aus dem EU-Raum werden diese Daten i.d.R. nicht liefern können.

Fazit

Schweizer Institute mit einem MiFID-II-konformen Setup können bei der FIDLEG-Umsetzung in verschiedenen Bereichen auf das bereits Umgesetzte aufbauen. Vor allem im Bereich der Informations-, Dokumentations- und Reportingprozesse und bei der Best Execution dürfte sich ein separater FIDLEG-Setup i.d.R. nicht lohnen.

Anders kann sich die Situation bei der Segmentierung, beim Umgang mit Drittvergütungen und den eigentlichen Point-of-Sale-Pflichten darstellen: Hier können geschäftspolitische Überlegungen und insbesondere auch Überlegungen der Marktakzeptanz in der Schweiz für einen separaten FIDLEG-Setup sprechen.

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