• Sandra Gasser, Expert |

Nachdem die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA per 6. Juli 2020 die ersten beiden, in der Romandie ansässigen Aufsichtsorganisationen (AO) bewilligt hat, sind alle externen Grundlagen geschaffen, damit sich unabhängige Vermögensverwalter als Finanzinstitut im Sinne des Finanzinstitutsgesetzes (FINIG) bewilligen lassen können.

Unterschiedliche Übergangsbestimmungen

Für unabhängige Vermögensverwalter und Verwalter von Vorsorgevermögen sieht das FINIG unterschiedliche Übergangsbestimmungen vor, je nachdem, ob sie vor Inkrafttreten des FINIG am 1. Januar 2020 bereits operativ tätig waren oder ihre Tätigkeit in diesem Jahr neu aufnehmen wollen:

Unabhängige Vermögensverwalter und Verwalter von Vorsorgevermögen, die bereits vor dem 1. Januar 2020 tätig waren und weiterhin Vermögen verwalten wollen, mussten bis zum 30. Juni 2020 eine entsprechende Meldung an die FINMA machen. Vorausgesetzt, dass sie sich einer Selbstregulierungsorganisation (SRO) angeschlossen haben – ein neues Erfordernis für die Verwalter von Vorsorgevermögen – haben diese Vermögensverwalter noch bis Ende 2022 Zeit, um bei der FINMA ein Bewilligungsgesuch zu stellen.

Vermögensverwalter, die neu einer Bewilligungspflicht unterstehen, und noch dieses Jahr ihre Tätigkeit aufnehmen wollen, müssen sich unverzüglich bei der FINMA melden, ebenfalls einer SRO anschliessen und ab Aufnahme ihrer Tätigkeit sämtliche Bewilligungsvoraussetzungen erfüllen. Einzig für den Anschluss an eine AO haben sie bis am 6. Juli 2021 Zeit. Bis dahin müssen sie der FINMA ein Bewilligungsgesuch stellen.

Insbesondere für bereits operative Vermögensverwalter sieht das nach viel Zeit aus, weshalb viele Institute versucht sind, dem Tagesgeschäft den Vorrang zu geben und Gedanken an die kommende FINMA-Unterstellung auf die lange Bank zu schieben. Das ist einerseits durchaus verständlich: der Weg zum bewilligten Institut ist kein leichter und erfordert neben dem erheblichen finanziellen Aufwand bis zur Erteilung der Bewilligung auch tiefgreifende Änderungen in der Organisation. Andererseits kann es sich durchaus lohnen, auch aus finanzieller Sicht, die Bewilligung längerfristig zu planen und sich bereits heute damit zu befassen.

So wenig Veränderung wie möglich, so viel wie nötig

Für viele neu bewilligungspflichtige Institute ist es ein erstrebenswertes Ziel, so wenig wie möglich in die bestehende und nicht selten jahrzehntelang gewachsene Struktur einzugreifen. Und doch müssen sie das Notwendige tun, um die Bewilligung zu erhalten. Doch was ist wirklich notwendig und auf was kann im konkreten Fall verzichtet werden? Welche personellen Ressourcen sind erforderlich und welche Funktionen können allenfalls an Dritte ausgelagert werden? Welche Weisungen mit welchem konkreten Inhalt müssen erstellt werden? Und wie ist mit bestehenden Vermögensverwaltungsverträgen umzugehen, um diese an die veränderte Situation anzupassen? Um das Notwendige zu erkennen braucht es eine umsichtige Planung und diese erfordert Zeit. So kann erreicht werden, dass der künftige Bewilligungsträger auf einer soliden Basis steht und die Organisation auch zum Geschäft passt. Auch wenn die angestrebte Bewilligung für alle Institute einer Bewilligungskategorie grundsätzlich gleich ist, so ist doch jedes Geschäft individuell zu betrachten. So können später im bewilligten Zustand Kosten gespart werden.

Ein weiteres Argument für ein baldiges Aktivwerden: Bis Ende 2019 waren unabhängige Vermögensverwalter lediglich verpflichtet, sich einer Selbstregulierungsorganisation (SRO) anzuschliessen, die ihre Mitglieder mit Blick auf die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung überwacht. Verwalter von Vorsorgevermögen wurden durch die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) zugelassen und für drei Jahre für die Vermögensverwaltung als befähigt erklärt. Zwar hatten auch die Verwalter von Vorsorgevermögen gewisse Regeln einzuhalten; die Regulierungsintensität war aber keinesfalls mit dem vergleichbar, was im Rahmen einer prudenziellen Aufsicht zu beachten ist.

So gelingt der Übergang zum regulierten Zustand

Der Übergang von einem nur partiell regulierten Unternehmen zu einem prudenziell beaufsichtigten Bewilligungsträger vollzieht sich nicht ohne weiteres und gewiss nicht über Nacht. Selbst Kleinststrukturen müssen sicherstellen, dass die Regulierungsvorschriften eingehalten werden – das kostet Geld und erfordert spezifisches Know-how. Die Freiheit, an die sich die Vermögensverwalter über viele Jahre gewöhnt haben, weicht einem klar vorgegebenen Rahmen von Regeln, die natürlich einschränken, aber nicht das Kerngeschäft im Übermass hemmen oder gar verhindern sollen.

Um sich nicht in der Regulierungsflut zu verlieren und Kosten zu sparen, müssen sich die betroffenen Institute frühzeitig die kritischen und daher oftmals entscheidenden Fragen stellen (siehe Kasten). So gelingt der Übergang zum regulierten Zustand und bleiben die neuen Bewilligungsträger konkurrenzfähig und agil.

Wer bereits beim Vorbereiten des Bewilligungsgesuchs mit Augenmass vorgeht und den Raum für Differenzierungen auslotet, kann die Voraussetzungen für einen späteren Wettbewerbsvorteil schaffen. Schliesslich kann der bewilligte Zustand auch eine Chance sein und neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen.

Pro Kernbereich sind vom künftigen Bewilligungsträger die folgenden Fragen zu adressieren, um das Bewilligungsverfahren und damit den Zustand als reguliertes Institut optimal vorzubereiten:

Finanzielle Ambitionen

  • Wie verdienen Sie Geld oder wollen Sie Geld verdienen?
  • Welche Einkommensquellen sind wesentlich und nachhaltig?
  • Wieviel AuM haben Sie oder streben Sie an?

Geschäftsmodell

  • Was sind Ihre Geschäftsbedürfnisse?
  • Welche Tätigkeiten üben Sie aus oder möchten Sie ausüben?
  • Ist eine Erweiterung des Geschäftsmodells sinnvoll und nachhaltig?
  • Welches Potenzial für Geschäftsentwicklung und Wachstum ist vorhanden?
  • Wie sind die Ertragsaussichten einer Erweiterung des Geschäftsmodells?

Führung und Struktur

  • Welche Funktionen können / sollen gruppenintern oder an einen Drittanbieter ausgelagert werden?
  • Sind die Kontrollfunktionen von den operativen Funktionen (Portfoliomanagement) getrennt?

Personen

  • Welche internen Kandidaten kommen für ein Verwaltungsratsmandat oder für Schlüsselfunktionen (Risikomanagement, Compliance etc.) in Frage?
  • Welche Kandidaten verfügen über die notwendigen Fachkenntnisse?
  • Verfügen die verantwortlichen Personen über Fachkenntnisse und Berufserfahrung in den relevanten Bereichen? Benötigen sie eine zusätzliche Ausbildung (z.B. in Bezug auf die FIDLEG-Verhaltensregeln)?
  • Welche Kompetenzen fehlen derzeit für die bewilligungspflichtige Tätigkeit (z.B. Compliance, Risk Management Funktion)?
  • Sind sich die qualifiziert beteiligten Privatpersonen bewusst, dass sie ihre finanziellen Verhältnisse gegenüber der FINMA vollständig offenlegen müssen, und sind sie dazu bereit?
     

Unsere Dienstleistungen und weitere Informationen