• Silvan Jurt, Partner |

Die Europäische Union hat 2020 die Taxonomie-Verordnung (Verordnung 2020/852) verabschiedet, damit Wirtschaftstätigkeiten bezüglich ihres Beitrags zur Nachhaltigkeit klar geregelt klassifiziert werden können. Dies soll die Beurteilung von Unternehmen und nachhaltigen Investitionen vereinfachen und fördern sowie «Greenwashing» (den Aufbau eines nachhaltigen Images ohne entsprechende Grundlage) verhindern. 

KPMG hat in ihrer Benchmark-Analyse 281 Nicht-Finanzunternehmen aus 17 Sektoren mit Sitz in der EU analysiert. Der Bericht liefert wertvolle Erkenntnisse aus den EU-Taxonomie-Berichten und bietet wertvolle Hinweise für ESG-Praktiken und -Strategien.

Was ist die EU-Taxonomie?

Sechs Umweltziele der EU bilden den Fokus der Verordnung:

  • Klimaschutz
  • Anpassung an den Klimawandel
  • Nachhaltiger Einsatz und Gebrauch von Wasser oder Meeresressourcen
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  • Vorbeugung oder Kontrolle von Umweltverschmutzung
  • Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

Eine wirtschaftliche Tätigkeit wird im Sinne der EU-Taxonomie als nachhaltig eingestuft, wenn sie 

  1. eines der sechs Umweltziele fördert;
  2. keinem der übrigen fünf Umweltzielen schadet («do no significant harm» Kriterium); und
  3. ein Minimum an Sicherheitsstandards zu Menschen- und Arbeitsrechten einhält («minimum safeguards» Kriterium);

Eine Tätigkeit, die alle drei Punkte erfüllt, wird als nachhaltig eingestuft und trägt gemäss Taxonomie-Verordnung einen Beitrag zur Erreichung des European Green Deals und der 2030 Agenda for Sustainable Development der UN bei. Zudem bietet die Klassifizierung von Wirtschaftstätigkeiten nach Taxonomie-Verordnung eine gemeinsame Sprache bezüglich Nachhaltigkeit zwischen Investoren, Unternehmungen und anderen Stakeholdern. 

Wer ist davon betroffen?

Von der Regulatorik sind in Zukunft alle Unternehmen betroffen, die unter den Geltungsbereich der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) fallen. Unternehmen, die in Nicht-EU-Ländern ansässig sind, werden ebenfalls von der CSRD und somit der EU-Taxonomie-Verordnung betroffen sein, sofern ihr konsolidierter Nettoumsatz in der EU über € 150 Mio. beträgt und sie ein Tochterunternehmen oder eine Niederlassung in der EU haben mit einem Nettoumsatz über € 40 Mio.

Taxonomiefähig oder taxonomiekonform?

Im Rahmen der Taxonomie-Berichterstattung legen Unternehmen offen, welche Anteile ihres Umsatzes, ihrer Investitions- und Betriebsausgaben taxonomiefähig («taxonomy eligible») resp. taxonomiekonform («taxonomy aligned») sind. Für Finanzunternehmen sowie (Rück-)Versicherer wurden separate Indikatoren definiert. Taxonomiefähige Wirtschaftstätigkeiten beschreiben potenziell nachhaltige Tätigkeiten und können den Anhängen der EU-Taxonomie-Verordnung entnommen werden. Taxonomiekonformität ist gegeben, wenn eine taxonomiefähige Wirtschaftstätigkeit die oben genannten Punkte (1) bis (3) erfüllt. 

Investoren und Stakeholder können aus den erwogenen Kennzahlen ablesen, welcher Anteil der Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens potenziell als nachhaltig eingestuft werden kann und welcher Anteil tatsächlich zur Nachhaltigkeit beiträgt. Die zielgerichtete Investition in Unternehmen, die sich an einer nachhaltigen Entwicklung beteiligen, wird so erleichtert. Unternehmen, die taxonomiefähigen Tätigkeiten nachgehen, welche nicht taxonomiekonform sind, werden im Sinne des EU-Nachhaltigkeitsziels nicht langfristig zukunftsfähig sein.

Aktuelle Umsetzung in der Schweiz

In der EU wird die Taxonomie-Verordnung schrittweise für Unternehmen verpflichtend. Schweizer Unternehmen mit physischer Präsenz, bzw. Absatzmärkten in der EU fallen gegebenenfalls in den Geltungsbereich der CSRD und somit der EU-Taxonomie-Verordnung. Zahlreiche Schweizer Gruppen und deren Tochtergesellschaften in der EU sind betroffen.

Umsetzung in der EU

Der neue Bericht von KPMG liefert wertvolle Erkenntnisse aus den EU-Taxonomie-Offenlegungen von 281 großen europäischen Unternehmen von öffentlichem Interesse.

Der Bericht zeigt, dass mehr als 60% der untersuchten Unternehmen taxonomiefähige Umsätze grösser Null rapportieren, jedoch relativ tiefere Werte beim Alignment, das heisst bei der Erfüllung der technischen Kriterien. Nicht alle Unternehmen finden sich demnach in der aktuellen Taxonomie wieder und die Erfüllung der Anforderungen scheint mit Hürden verbunden zu sein. Nur knapp ein Drittel haben überdies ihre Informationen prüfen lassen. Dies zeigt, dass aktuell noch eine hohe Diversität in den qualitativen Offenlegungen bestehen. Unter dem Strich kann man festhalten: Aller Anfang ist schwer. Für die eine oder andere Gesellschaft dürfte die tiefe Taxonomiefähigkeit und die schwierige Erfüllung der entsprechenden Anforderungen zu unliebsamen Überraschungen in der Kommunikation mit Investoren hinsichtlich der Konsistenz mit anderen Aussagen im Bericht, führen.

Auch festzuhalten ist, das verschiedene ökonomische Aktivitäten in der Taxonomie zurzeit noch nicht abgedeckt sind. Entsprechend weisen einige Industrien tiefe Zahlen aus. Die Taxonomie wird jedoch laufend erweitert, deshalb ist es notwendig, dass Firmen ihre Aktivitäten regelmässig mit der aufdatierten Taxonomie abgleichen.

Schweizer Unternehmen müssen sich Gedanken machen

Die EU-Taxonomie wird zu einem relevanten KPI werden, da diese in die Entscheidungsprozesse von Investoren und Stakeholdern einfliessen wird, aber auch in weiteren Instrumenten des EU-Regulierungskonstrukts rund um den Green Deal Eingang findet.

Die EU-Taxonomie-Verordnung ist umfassend und komplex. So müssen für die Berichterstattung neue, Investoren-relevante KPIs erarbeitet werden. Dies setzt fundiertes Wissen über die Verordnung voraus. Eine effiziente und effektive Taxonomie-Berichterstattung wird multidisziplinäre Ressourcen und Expertinnen und Experten in Anspruch nehmen, sowie eine Anpassung von Systemen auf die neuen Anforderungen bedingen. Ausserdem werden je nach Sektor und wirtschaftlicher Aktivität komplexe Anforderungen, bspw. hinsichtlich vorhandener Daten zu Produkten gestellt. 

Beginn der Berichtsperiode ist entscheidend

Ein solches Projekt sollte zeitnah in Angriff genommen werden, da Tätigkeiten nur dann als taxonomiekonform gelten, wenn ganzjährig, d.h. bereits zu Beginn der Berichtsperiode gewisse Voraussetzungen eingehalten werden. Eine rechtzeitige Umstellung von Systemen und Prozessen kann somit ausschlaggebend sein für die Taxonomie-Bewertung der unternehmerischen Tätigkeiten. Gerade für Unternehmen, die schon in den kommenden Geschäftsjahren unter den Geltungsbereich der EU-Taxonomie fallen ist eine umgehende Auseinandersetzung mit der Verordnung wichtig. Auch ist es empfehlenswert, frühzeitig den Prüfer mit einzubeziehen, denn die CSRD bring auch eine Prüfpflicht der entsprechenden KPIs und Offenlegungen mit sich.

Finanzielle Vorteile bei frühzeitiger Anwendung der Taxonomie-Berichterstattung

Viele Unternehmen unterschätzen sowohl den Umfang als auch den Aufwand der Taxonomie-Berichterstattung. Unternehmen, deren Tätigkeiten dem nachhaltigen Zielbild der EU entsprechen, werden von besseren Konditionen am Finanzmarkt profitieren und mit anderen Anspruchsgruppen glaubwürdig kommunizieren können. Die rechtzeitige Auseinandersetzung auf die kommenden Anforderungen in der Berichterstattung sind somit auch für Schweizer Unternehmen zentral.

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