Änderungen der Mehrwertsteuersätze: Überlegungen zum ERP Änderungen der Mehrwertsteuersätze: Überlegungen zum ERP
Mehrere Länder in Europa, aber auch in anderen Regionen, änderten ihren Mehrwertsteuersatz als eine der Massnahmen auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie. Ob eine Änderung des Mehrwertsteuersatzes (entweder Erhöhung oder Senkung) ein geeignetes Instrument ist, vor allem wenn es sich um eine vorübergehende Änderung handelt (wie in Deutschland, Österreich, Belgien, Zypern und der Tschechischen Republik), ist noch nicht klar. Dieser Artikel konzentriert sich indes auf die Überlegungen zum ERP, die eine Steuerabteilung im Falle einer Änderung des Mehrwertsteuersatzes im Auge behalten sollte.
Die Änderung des Mehrwertsteuersatzes und die Auswirkungen auf Unternehmen
Die Änderung des Mehrwertsteuersatzes wird meistens als einfache Routineaufgabe angesehen. Ein ERP-Update umfasst jedoch auch im Falle einer "einfachen" Änderung des Mehrwertsteuersatzes mehrere Schritte, die richtig geplant werden sollten.
Im Durchschnitt wendeten die Länder ab dem 2. Quartal 2020 einen neuen Mehrwertsteuersatz an. Viele von ihnen entschieden sich für ein vorübergehendes Mehrwertsteuersystem, das Ende 2020 oder im 1. Quartal 2021 ausläuft. Das bedeutet, dass viele Unternehmen in letzter Zeit mit der Anpassung ihrer ERP-Systeme beschäftigt waren. Das befristete Mehrwertsteuersystem ist ein in diesen Zeiten geschuldetes einzigartiges Phänomen. Es bedeutet, dass alle Änderungen nach einer kurzen Zeitspanne wieder rückgängig gemacht (oder: erneut vorgenommen) werden müssen. Während der temporären Steuersatzsenkung könnten Mehrwertsteueränderung auch im Falle einer operativen Änderung der Lieferkette, einer Änderung der Vertragsbedingungen für die Anpassung an den Markt und/oder einer Vereinbarung neuer Lieferantenkonditionen relevant sein. Am Ende des vorübergehenden Steuerregimes müssen diese Aspekte dann wieder berücksichtigt werden.
ERP-Planungsschritte
Multinationale Unternehmen, die eine globale ERP-Plattform betreiben und über ein zentrales IT-(Steuertechnologie-)Support-Team verfügen, sollten erstens identifizieren, welche Länder betroffen sind, zweitens, welche Geschäftsbereiche in den Anwendungsbereich fallen und schliesslich, welche ERP-Module, Tax Engines und Software/Anwendungen betroffen sind. Weitere wichtige Planungselemente sind:
- die Go-Live-Daten der Änderung des Mehrwertsteuersatzes (in einer befristeten Situation gibt es zwei davon);
- das Vorhandensein einer Übergangsfrist, in der die Unternehmen die Umsetzung ohne negative Folgen verzögern können (z.B. in Deutschland galt der Monat Juli als Übergangsmonat für B2B-Transaktionen),
- das Vorhandensein einer Übergangsfrist nach Ablauf der befristeten Änderung des Steuersatzes (in Deutschland gilt z.B. der 1. Januar 2021 strikt als Stichtag, d.h. es gibt keine Übergangszeit) und
- welche rechtlichen Folgen eine nicht konforme Umsetzung hat.
Schritt-für-Schritt-Anpassung der ERP-Kodierung
Nach dem Scoping sollte die (interne, ausgelagerte oder co-sourced) Steuerfunktion des Unternehmens allein oder mit externer Hilfe die Steuerregeln und die Logik der MwSt-Bestimmung für die identifizierten Geschäftsfälle und Verträge definieren. Die MwSt-Funktion (Steuerfunktion) muss mit allen Leitern der Geschäftseinheiten, dem Auftragsmanagementteam und den IT-Kollegen für indirekte Steuern zusammenarbeiten - im Idealfall unter der Leitung eines Projektmanagement-Beauftragten (PMO). Je grösser eine Organisation ist, desto eher braucht es einen PMO.
Eine der Herausforderungen bei einer Systemanpassung besteht darin, eine stabile und nachhaltige systemische Lösung zu finden, statt eines manuellen «Workaround», der immer Risiken birgt. Diese Herausforderung ist im Falle eines vorübergehenden Steuersatzwechsels viel schwieriger, da der Aufbau eines nachhaltigen Umfelds länger dauern kann als der Zeitrahmen des neuen Steuersatzes selbst (z.B. 6 Monate). Natürlich können Unternehmen manuelle Workarounds benutzen, entscheidend ist jedoch, dass der Gesamtprozess unter Kontrolle bleibt. So muss z.B. intern dokumentiert werden, warum eine Geschäftseinheit einen aussergewöhnlichen Workaround gewählt hat, welche Faktoren bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt wurden und wer die Verantwortlichen für die Schritte sind. Wir empfehlen die Erstellung von KPI, RACI oder einer einfachen Verantwortungsmatrix.
Wenn das Projektteam mit dem Scoping fertig ist, die Fristen klar sind, das Projektteam sich auf die Sitzungszeitpläne geeinigt hat, dann sollte die MwSt-Funktion (Steuerfunktion) der Organisation den Arbeitsverlauf aufmerksam verfolgen und gegebenenfalls beigezogen werden. Es ist ratsam, ein detailliertes Dokument vorzubereiten, in dem die Logik des Zeitpunkts der Änderung des Mehrwertsteuersatzes mit Musterbeispielen beschrieben wird. Bei der Formulierung sollte darauf geachtet werden, dass der Leser eines solchen Dokuments kein Steuerfachmann ist, sondern
- ein Kollege, der eine IT-Logik liefern und ein Rechnungslayout entwerfen muss;
- ein Kollege aus dem Auftragsmanagement, der sich mit Kundenanfragen befassen muss;
- ein Mitglied des Beschaffungs- und/oder Kreditoren-Teams, das Lieferantenrechnungen validiert, oder
- ein Kundenbetreuer, der über die Preisgestaltung verhandelt.
Letzterer hat heikle Themen zu behandeln, denn in den Verträgen muss definiert sein, ob der Preis als inklusive oder exklusive Mehrwertsteuer gilt. In solchen Fällen könnte sich sogar die Rechtsabteilung des Unternehmens plötzlich als Teil des Projekts zur Änderung des Mehrwertsteuersatzes sehen, da Verträge aus zivilrechtlicher Sicht analysiert werden müssen.
Was ist aus Sicht der Mehrwertsteuer relevant?
Wie sollten die Transaktionen kategorisiert werden? In Deutschland z.B. mussten Unternehmen ein besonderes Augenmerk auf Transaktionen wie Dauerleistungen, Teilleistungen, Anzahlungen, Preisanpassungen aufgrund von Verrechnungspreisen und/oder Rabattsystemen, langfristigen Verträge, Mitarbeiterauto- und eBike-Programme, Abgrenzung die Lieferungen von Dienstleistungen, Einfuhr, innergemeinschaftliche Erwerb, Gutscheine, Ersatz etc. legen.
Nach Auflistung aller Transaktionen sollten dies nach der Logik des MwSt-Gesetzes in der jeweiligen Jurisdiktion kategorisieren werden. Dann sollte die Steuerfunktion einen Treiber liefern, der entsprechend kodiert werden kann. Was löst ein steuerpflichtiges Ereignis aus? In welchem Fall ist der alte Mehrwertsteuersatz und unter welchen Umständen der neue Mehrwertsteuersatz anwendbar?