• Silvan Loser, Partner |

Swiss GAAP FER 30 (Konzernrechnung) auf dem Prüfstand

Die FER-Fachkommission ist aktuell daran, die Regelungen von Swiss GAAP FER 30 zur Konzernrechnung hinsichtlich möglichem Anpassungsbedarf zu überprüfen. Mitte 2018 soll dann final entschieden werden, ob der Standard überarbeitet wird oder nicht.

FER-Projektprozess

Die Stiftung für Fachempfehlungen zur Rechnungslegung hat im Zuge der Überarbeitung ihrer internen Prozesse und Governance auch den Projektprozess neu strukturiert. Künftig durchlaufen Fachprojekte die folgenden zwei aufeinanderfolgenden Phasen:

  • Phase 1: Überprüfungsverfahren

    Das Überprüfungsverfahren ist eine Vorprojektphase, in der entweder eine bestehende Fachempfehlung auf deren Aktualität, Relevanz und Vollständigkeit hin überprüft wird und/oder für ein aktuelles Thema oder eine wichtige dringliche Problemstellung eine Auslegeordnung erstellt wird.
     
  • Phase 2: Projektdurchführung

    Die Phase 2 Projektdurchführung ist die eigentliche Projektphase im klassischen Sinn, bei der eine Fachempfehlung erarbeitet, vernehmlasst, angepasst und schliesslich veröffentlicht wird.

Ein Überprüfungsverfahren wird durch die FER-Fachkommission initiiert. Für die Durchführung ist der FER-Fachausschuss zuständig, der hierfür eine entsprechende Arbeitsgruppe einsetzt. Auf Basis der Ergebnisse des Überprüfungsverfahrens entscheidet dann die FER-Fachkommission, ob Phase 2 gestartet und ein Projekt durchgeführt wird. Alternativ kann die FER-Fachkommission aber auch zum Schluss kommen, dass kein Anpassungsbedarf besteht, sodass es keine weiteren Schritte nach Phase 1 gibt.

Offene Fragen in Swiss GAAP FER 30

In ihrer Medienmitteilung vom 5. Dezember 2016 hat die FER-Fachkommission ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2017 bekanntgegeben und dabei – wenig überraschend – angekündigt, als ersten bestehenden Standard Swiss GAAP FER 30 (Konzernrechnung) dem neu geschaffenen Überprüfungsverfahren zu unterziehen.

Die Bestimmungen von Swiss GAAP FER 30 sind gleich wie die übrigen FER-Standards kurz und prägnant formuliert. So werden die gesamten Anforderungen mit Bezug auf die Konzernrechnung (inkl. Business Combinations und Equity Accounting) auf nur gerade 9 Seiten abgehandelt, während z.B. IFRS diesem Themenkreis gleich mehrere separate Standards mit entsprechend vielen Seiten widmet (namentlich IFRS 3 Business Combinations, IFRS 10 Consolidated Financial Statements, IFRS 11 Joint Arrangements, IFRS 12 Dislosure of Interests in Other Entities und IAS 28 Investments in Associates and Joint Ventures).

Die knappen und prinzipienorientierten Regelungen von Swiss GAAP FER 30 bringen es mit sich, dass verschiedene, z.T. auch grundlegende Fragen offen bleiben. In der nachfolgenden (nicht abschliessenden) Übersicht sind einige der in der Praxis häufig diskutierten Probleme im Zusammenhang mit Unternehmenstransaktionen aufgeführt:

 

Thema Offene Fragen
Erstkonsolidierungszeitpunkt Ist bei Rückwirkungsklauseln in Kaufverträgen (z.B. Übergang Nutzen und Gefahr rückwirkend per 1. Januar) eine Erstkonsolidierung per diesem Zeitpunkt möglich?
Kaufpreisallokation Müssen nur die bisher beim erworbenen Unternehmen erfassten Aktiven neu bewertet werden oder sind analog zu IFRS 3 auch bisher nicht erfasste Aktiven (z.B. Patente, Marken, Kundenverträge) zu berücksichtigen?
Transaktionskosten Können Transaktionskosten (z.B. Rechtsberatung, Due Diligence) als Teil des Erwerbspreises angesetzt werden oder müssen diese erfolgswirksam erfasst werden?
Earn-out Sind bei angesetzten Earn-out Verbindlichkeiten nachgelagerte Anpassungen aufgrund von Schätzungsänderungen erfolgswirksam oder gegen den Goodwill zu buchen?
Negativer Goodwill Kann negativer Goodwill sofort erfolgswirksam erfasst werden oder ist eine Rückstellung zu bilden (mit Auflösung über eine bestimmte Zeitdauer)? Ist ggf. auch eine Verrechnung mit dem Eigenkapital möglich?
Ausweis von Minderheitsanteilen an überschuldeten Tochtergesellschaften Sind Minderheiten mit dem entsprechenden Anteil am negativen Eigenkapital auszuscheiden oder gilt das sogenannte „Waterline Accounting” (Ausweis negativer Minderheiten nur bei expliziten Nachschusspflichten, ansonsten null)?
Schrittweiser Unternehmenserwerb Ist bei einem schrittweisen Unternehmenserwerb (Step acquisition) der Goodwill gesondert pro Akquisitionsschritt zu berechnen oder hat eine Neuberechnung des Goodwills per Kontrollerwerb zu erfolgen?
Anteilsverkauf mit Kontrollverlust Ist bei einem Anteilsverkauf mit Kontrollverlust der verbleibende Anteil zum aktuellen Wert oder zum anteiligen Buchwert (anteilige Nettoaktiven zuzüglich anteiligem Goodwill) anzusetzen?
Auskauf von Minderheiten Ist bei einem Erwerb von Minderheitsanteilen die Differenz zwischen Kaufpreis und Buchwert im Eigenkapital zu erfassen oder ist diese Differenz als Goodwill zu bilanzieren?
Ersterfassung assoziierter Gesellschaften Müssen die Nettoaktiven assoziierter Gesellschaften im Erwerbszeitpunkt gleich wie bei vollkonsolidierten Gesellschaften neu bewertet werden?
Fremdwährungsdifferenzen bei Veräusserung einer ausländischen Tochtergesellschaft  Sind die erfolgsneutral erfassten kumulierten Umrechnungsdifferenzen bei Veräusserung einer Tochtergesellschaft über die Erfolgsrechnung aufzulösen (sog. Recycling) oder ggf. erfolgsneutral in die Gewinnreserven umzubuchen?

Als genereller Grundsatz wird in den Swiss GAAP FER festgehalten, dass offene Fragen im Sinne des Rahmenkonzepts zu beantworten sind und sich die Beantwortung an den Zielsetzungen „Entscheidungsrelevanz“ (Ziffer 5 des Rahmenkonzepts) und „True & Fair View“ (Ziffer 6 des Rahmenkonzepts) zu orientieren hat. Diese allgemein gehaltene Regelung hat aber unweigerlich auch zur Folge, dass auf eine konkrete Frage mehrere mögliche Antworten denkbar sind und die Vergleichbarkeit von FER-Abschlüssen dadurch eingeschränkt wird. Die verlangte Offenlegung des gewählten Vorgehens im Anhang vermag diese fehlende Vergleichbarkeit nur teilweise zu kompensieren und stellt den Analysten regelmässig vor Herausforderungen.

In der Praxis wird für die konkrete Beantwortung offener Fragen oftmals Anlehnung an andere Rechnungslegungsstandards gesucht, welche zum einen der True & Fair View verpflichtet sind und zum anderen die interessierende Frage verbindlich regeln. Vielfach orientiert sich hierbei die Lösungssuche an den IFRS (oder IFRS for SME), da diese zum einen in der Schweiz weit verbreitet sind und zum anderen einen relativ hohen Detaillierungsgrad aufweisen.

Würdigung und Ausblick

Gleich wie die anderen FER-Standards ist auch Swiss GAAP FER 30 prinzipienorientiert und enthält keine detaillierten Einzelfallregelungen. Angesichts der zum Teil hohen Komplexität der sich stellenden praktischen Fragen (namentlich im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen oder -verkäufen) wäre aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit eine verbindlichere Regelung der zentralen offenen Themen wünschenswert. Es bleibt abzuwarten, ob sich die FER-Fachkommission nach Abschluss des Überprüfungsverfahrens dazu entscheidet, den Standard anzupassen und die Lücken zu füllen. Kurzfristige Lösungen sind allerdings nicht zu erwarten: Gemäss Medienmitteilung der FER-Fachkommission vom 22. Juni 2017 wird die interessierte Öffentlichkeit im 4. Quartal 2017 dazu aufgerufen werden, sich zur Notwendigkeit einer Überarbeitung zu äussern. Der Entscheid pro oder contra Projektdurchführung soll 2018 (vermutungsweise im Rahmen der Juni-Sitzung) erfolgen. Die Projektdurchführung selbst würde dann voraussichtlich etwa weitere 2 Jahre in Anspruch nehmen.

Gemäss Mitteilung Nr. 2/2017 vom April 2017 richtet auch die SIX Exchange Regulation ihren Fokus auf Swiss GAAP FER 30 und hat die Rechnungslegung im Zusammenhang mit Akquisitionen als Schwerpunktthema für die Durchsicht der Swiss GAAP FER-Abschlüsse 2017 erklärt. Je nach Ergebnis wird allenfalls auch von dieser Seite noch ein gewisser Anpassungsdruck kommen.

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