Interview mit Viviane Grobet, Leiterin Business Development und Mitglied der Geschäftsleitung von Schweiz Tourismus

Viviane Grobet

Viviane Grobet

Das Thema nachhaltiges Reisen wird immer wichtiger. Was ist nachhaltiger Tourismus und welchen Herausforderungen muss sich die Tourismusdestination Schweiz in Bezug auf Nachhaltigkeit stellen?

Nachhaltiger Tourismus soll alle einbeziehen. Gemeinsam mit allen touristischen Leistungsträgern will sich Schweiz Tourismus in den drei Dimensionen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt für eine nachhaltige Entwicklung engagieren. Dabei gibt es zahlreiche Herausforderungen in allen Dimensionen. Im Bereich Umwelt beispielsweise mit dem Klimawandel, der zu immer extremeren Wetterphänomenen führt.

Die «Tourismusstrategie des Bundes» zählt den Klimawandel deshalb zu einer der fünf wichtigsten Herausforderungen für den Schweizer Tourismus. Die touristischen Leistungsträgerinnen und -träger begegnen diesen Herausforderungen mit smarten, ganzheitlich durchdachten Initiativen und Massnahmen. Dazu gehört auch die von Schweiz Tourismus (ST) initiierte und von der Branche mitgetragene, nationale Initiative Swisstainable, zusammen mit dem gleichnamigen Programm soll mehr Nachhaltigkeit im Tourismus gefördert werden. 

Nachhaltiger Tourismus bedeutet ein höheres Preisniveau für die Reisenden. Ist das nicht ein Wettbewerbsnachteil?

Die Destination Schweiz hat sich schon immer als Premiumdestination positioniert und hat sich nach der Pandemie als äusserst resilient gezeigt. Eine starke Positionierung im Bereich Nachhaltigkeit dürfte einer der Gründe dafür sein. Denn die grüne Transformation des Tourismussektors ist nicht nur gut für den Planeten, sondern auch für den Tourismus selbst. Sie dient der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Erhöhung der Resilienz, wie auch die UNWTO in ihrem World Tourism Day Report 2022 festhielt.

Doch warum stärkt mehr Nachhaltigkeit die Resilienz der Schweizer Tourismusbranche? Eine Antwort gibt die Umfrage von Schweiz Tourismus im Rahmen des Tourismus Monitors Schweiz (grösste nationale Gästebefragung): Demnach assoziieren Gäste Nachhaltigkeit mit hoher Qualität. Darum akzeptieren sie höhere Preise und sind auch bereit, diese zu bezahlen. Das ist für die Schweiz als Premiumdestination matchentscheidend.

Sie erwähnten die Initiative «Swisstainable» für die Schweizer Tourismusbranche. Wie sieht diese aus und welche Ziele wollen Sie damit erreichen?

Seit jeher achtet der Schweizer Tourismus darauf, die Bedürfnisse der Gäste, lokaler Bevölkerung und Umwelt in ein harmonisches Verhältnis zu bringen. Diese Haltung will ST mit Swisstainable stärken und den Gästen übermitteln. Die Vision: die Schweiz gilt als nachhaltigste Destination der Welt.

Mit Swisstainable setzen sich Schweiz Tourismus und die Branche Tag für Tag dafür ein, den Schweizer Tourismus nachhaltiger zu gestalten, damit unsere Gäste bewusster und genussvoller Reisen, länger bleiben und tiefer in die Schweiz eintauchen können. An unserem Nachhaltigkeitsprogramm können alle Leistungsträgerinnen und Anbieter des ganzen Tourismussektors teilnehmen und so weltweit mehr Sichtbarkeit in unseren Kampagnen erhalten. Aktuell mit der schweizweiten Kampagne «Swisstainable unterwegs», die das nachhaltige Reisen im Zug fördert. Mit Produkten wie der Grand Train Tour of Switzerland zeigen wir zudem die Perlen auch abseits der bekannten Pfade. Und wir bewerben den Ganzjahrestourismus. Indem wir beispielsweise den goldenen Herbst in den Fokus unseres Marketings stellen, kommen wir an Engpässen und Spitzenzeiten vorbei und ermöglichen die räumliche und zeitliche Verteilung der Gäste. Vor allem jedoch soll die Aufenthaltsdauer der Gäste verlängert werden. Das zahlt aufs Ökologie-Konto ein, kommt aber auch der Tourismuswirtschaft und der gesellschaftlichen Akzeptanz zugute.

Was bringt das Label «Swisstainable» den Betrieben?

Die gesamte Tourismusbranche ist eingeladen, sich an Swisstainable zu beteiligen. Sowohl erfahrene Pioniere als auch Neueinsteiger können entlang von drei Levels partizipieren und zeigen mit dem Signet Swisstainable ihr Nachhaltigkeits-Engagement. Mit dem Signet schafft die Branche bei den Gästen Orientierung. Die Swisstainable-Betriebe werden als Vorbilder präsentiert und in die Gästekommunikation integriert, beispielsweise auf MySwitzerland.com/swisstainable.

Die Betriebe erhalten eine Möglichkeit, sich im Bereich Nachhaltigkeit zu positionieren resp. ihre Position zu stärken und die dabei ergriffenen Massnahmen sichtbarer zu machen. Seit der Lancierung der Initiative vor zwei Jahren haben sich über 2'000 touristische Betriebe dem Programm angeschlossen.

Was können Sie Unternehmen und Organisationen aus anderen Branchen mit auf den Weg geben, um das Thema Nachhaltigkeit erfolgreich und langfristig in deren Strategie zu integrieren?

Es braucht das volle Commitment des Top-Managements und eine klar formulierte Vision, die von allen mitgetragen wird. Nachhaltigkeit ist ein Marathon, kein Sprint. Umso wichtiger ist ein guter Plan mit realistischen Zielen und Anforderungen. Eine in der Branche anerkanntes Signet, inklusive Einstufungsprogramm, ist ein gutes Mittel, um den Weg in eine nachhaltige Entwicklung anzustossen und trägt zudem zum kontinuierlichen Verbesserungsprozess bei.

Die Einstiegshürde für die Einstufung darf dabei nicht zu hoch angesetzt werden, damit möglichst viele Betriebe mitmachen können. Sobald eine kritische Masse erreicht wird, gewinnt das Signet an Relevanz und wird als Bewegung wahrgenommen – innerhalb der Branche, aber auch in der breiten Öffentlichkeit. Für das Nachhaltigkeitsprogramm Swisstainable hat ST zudem bewusst eine mehrteilige Einstufung mit einheitlichen Qualitätsstandards eingeplant, um den Betrieben einen Anreiz zu geben, sich kontinuierlich für ein höheres Nachhaltigkeitslevel zu verbessern.