Talentsuche wird wieder zur Schlüsselfrage Talentsuche wird wieder zur Schlüsselfrage
Die Coronakrise hat die CEO-Agendas fundamental verändert. Dies zeigt der diesjährige „CEO Outlook“ von KPMG, eine globale Umfrage von über 1’000 CEOs führender Unternehmen. Um den Einfluss der COVID-19-Pandemie zu reflektieren, wurde die unmittelbar vor Ausbruch der Krise durchgeführte Umfrage im Sommer um eine zweite ergänzt.
Stark veränderte Prioritäten
Gefragt nach den grössten Risiken und entsprechenden Prioritäten, sticht eines ins Auge: Die Sorge um die Verfügbarkeit von geeigneten Talenten. Vor Corona weltweit noch weit unten auf der Agenda (in der Schweiz traditionell weiter oben), ist die Talentsuche während des Lockdowns auf Platz 1 gesprungen und hat so den Klimawandel verdrängt.
Unser Umgang mit der Krise hat der Talentsuche aber auch neue Chancen eröffnet: Die ortsunabhängige Fernarbeit hat die starre Vorstellung von Mitarbeitenden, die zwingend im Büro arbeiten und ergo in der Nähe wohnen müssen, aufgebrochen. Dass Fernarbeit gut funktioniert, haben wir gesehen. Entsprechend hat sich der Pool an potenziell verfügbaren Fachkräften – selbstredend unter Einhaltung aller Regulierungen – gerade im Dienstleistungsbereich massiv ausgeweitet.
Das sind Good News für die Unternehmen. Es sind aber auch gefährliche News für viele Arbeitskräfte in Hochlohnländern wie der Schweiz. Also aufgepasst: Wer zu laut nach monatelangem oder gar dauerndem Home Office ruft, sollte sich immer auch überlegen, inwiefern er selber am Ast sägt, auf dem er sitzt. Der Spruch «Aus den Augen, aus dem Sinn» hat diesbezüglich eine völlig neue Bedeutung erhalten. Auch wer meint, mit einer Zustimmung zur Begrenzungsinitiative am 27. September künstlich eine Verknappung qualifizierter (und anderer) Arbeitskräfte herbeiführen zu können, von der Arbeitskräfte hierzulande profitieren könnten, riskiert viel.
Lieferketten: vom Klumpenrisiko zum Wettbewerbsvorteil
Neu auf Platz 2 der CEO-Agenda steht nach den Erfahrungen mit teils existenzbedrohenden Lieferengpässen die Neuordnung der Lieferketten. Hier versuchen Unternehmen, wo möglich zu diversifizieren, um identifizierte Klumpenrisiken abzubauen. Und nicht nur das: Agilere Lieferketten sollen helfen, neue Wettbewerbsvorteile zu erlangen.
Klimawandel bleibt ein zentrales Thema
Zwei weitere Themen, die bereits im Vorjahr ganz oben auf der CEO-Agenda standen, tun dies nach wie vor: die (Re-) Nationalisierung wesentlicher wirtschaftlicher und rechtlicher Bereiche sowie der Klimawandel. Letzterer ist als global zentrales Problem anerkannt, wobei die Unternehmen derzeit versuchen, die während des Lockdowns gewonnenen klimafreundlichen Änderungen langfristig zu sichern (Videokonferenzen anstelle von Flugreisen usw.). Im Rahmen der Sorge um eine ökologisch und sozial nachhaltige Entwicklung, derzeit unter dem Akronym «ESG» bekannt (Environment, Social und Governance), hat sich eine (temporäre?) Verlagerung der Aufmerksamkeit vom „E“ zu „S“, konkret: von Klima- zu Gesundheitssorgen ergeben.
Die Schwerpunktverlagerung zeigt sich auch in der Auskunft von über einem Drittel Befragten, die persönlich oder im engeren familiären Umfeld gesundheitliche Erfahrungen mit der Pandemie gemacht und daraufhin die strategische Antwort ihres Unternehmens auf Pandemien angepasst haben.
Ein weiterer Digitalisierungsschub
Die staatliche und gesellschaftliche Reaktion auf die Pandemie hat nicht nur, wie landauf, landab bekannt, einen weiteren Digitalisierungsschub ausgelöst. Sie hat verkrustete Strukturen aufgebrochen und neuen Arbeitsmodellen den Weg geebnet. Derzeit, das zeigt auch der CEO Outlook, ist viel von neuen (primär digitalen) Formen der Zusammenarbeit die Rede. Ich bin aber überzeugt: Die – in der Summe positiven – Veränderungen werden sehr weitreichend sein und steuerliche, versicherungstechnische, arbeitsrechtliche, verkehrs- und energietechnische, gesundheits-, bildungs- und sozialpolitische und viele weitere Folgen haben und jedermann betreffen.