Das Ende der Übergangsfrist und der Geltungsbeginn der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR) haben direkte Auswirkungen auf die Leistungserbringung von Organisationen im Gesundheitswesen. Nur vorausschauend planende und handelnde Organisationen sind in der Lage, die Auswirkungen durch das Setzen von Maßnahmen abzufedern und die Versorgung von Patient:innen sicherzustellen.

Am 25. Mai 2017 ist die Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (MDR) offiziell in Kraft getreten. Im vergangenen Jahr (25. Mai 2021) endete die Übergangsfrist: Die MDR löste die bis dahin ebenfalls geltenden Richtlinien ab und wurde zum einzig gültigen Regelwerk auf EU-Ebene. Als von den Organen der Europäischen Union erlassene Verordnung besitzt die MDR unmittelbare Wirksamkeit in allen Mitgliedsstaaten. Zertifikate von Bestandsprodukten, die nach den ehemaligen Richtlinien ausgestellt wurden, sind unter gewissen Auflagen innerhalb einer Übergangsperiode bis spätestens 27. Mai 2024 gültig. Längstens bis dahin sind die Vorgaben aus der MDR komplett umzusetzen. Ergänzt wird die Verordnung durch diverse nationale Gesetze. Aufgrund detaillierterer Anforderungen an Medizinprodukte, einer neuen Liste an grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen, der Höherklassifizierung von Produkten und gestiegenen Anforderungen an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen von Medizinprodukten wurden den Herstellern deutlich anspruchsvollere gesetzliche Vorgaben gesetzt. Die Erfüllung dieser Vorgaben ist für die Hersteller mit steigenden Kosten sowie hohen zeitlichen, organisatorischen und fachlichen Aufwänden verbunden. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden diese Ressourcen nicht aufbringen können, wodurch Risiken für Organisationen im österreichischen Gesundheitswesen entstehen.

Drohende Marktaustritte

Viele Hersteller von Medizinprodukten werden die gestiegenen Anforderungen an ihre Produkte nicht erfüllen oder die Konformität ihrer Bestandsprodukte neu bewerten lassen1. Besonders kritisch sind sogenannte Nischenprodukte zu bewerten. Ausfälle dieser Produkte sind aufgrund ihrer geringen Rentabilität für die Hersteller und der damit verbundenen geringen Verfügbarkeit auf den Märkten schwierig zu ersetzen.

Als Folge daraus werden diese Hersteller ihre Produkte vom europäischen Markt zurückziehen. Um ­Patient:innen weiterhin eine bestmögliche Versorgung zu bieten, unterstützt KPMG Organisationen im österreichischen Gesundheitswesen – sowohl bei der Evaluierung der Zertifikate der derzeit eingesetzten Medizinprodukte, als auch bei der Risikobewertung einer möglichen Nichtverfügbarkeit genau dieser Produkte. Bei Auffälligkeiten werden gemeinsam entsprechende Gegenmaßnahmen abgeleitet. Mögliche Maßnahmen sind:

  • Abstimmung mit den Herstellern zur Entwicklung gemeinsamer Strategien
  • Marktrecherche und Evaluierung von Herstellern gleichartiger Medizinprodukte oder
  • Anpassung der Unternehmens- und Versorgungsstrategie

Knappheit der Versorgung

Die Anforderungen sind nicht nur für die Hersteller, sondern auch für „Benannte Stellen“ gestiegen. Diese staatlich autorisierten Stellen sind durch Hersteller im Zuge der Konformitätsbewertung (Ausnahme: Medizinprodukte der Risikoklasse I) hinzuzuziehen. Sie bescheinigen den Herstellern die Einhaltung der Anforderungen an Medizinprodukte. Nach den Vorgaben aus der MDR muss jede nach den ehemals gültigen Richtlinien „Benannte Stelle“ erneut eine Benennung nach der neuen Verordnung durchführen lassen. Von etwa 60 „Benannten Stellen“ sind derzeit 28, und somit weniger als 50 Prozent der bisherigen Stellen, berechtigt, die Konformität von Medizinprodukten nach den Vorgaben der MDR zu bewerten2.

Daneben müssen die nach den Anforderungen der ehemaligen Richtlinien durchgeführten Konformitätsbewertungen für Bestandsprodukte erneut nach den Anforderungen der MDR durchgeführt werden. Geschätzt sind derzeit vier Prozent aller Bestandsprodukte nach der MDR bewertet und zertifiziert3.

Die Folgen liegen auf der Hand: Bei einer reduzierten Anzahl an „Benannten Stellen“ und gleichzeitig steigendem Aufwand an Konformitätsbewertungsverfahren bis 2024 wird es unweigerlich zu Engpässen in der Versorgung mit Bestandsprodukten kommen. Um Lieferengpässe sichtbar zu machen, unterstützt KPMG Organisationen im österreichischen Gesundheitswesen bei der Bewertung der Risiken von Ausfällen und der Evaluierung von Gegenmaßnahmen.

Post-Market Surveillance

Die Hersteller haben über den gesamten Lebenszyklus des Medizinprodukts die klinische Bewertung und die dazugehörigen Unterlagen zu aktualisieren. Die zu verwendenden Methoden werden in einem „Plan zur klinischen Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen“ festgehalten. Die Verantwortung zur Sammlung der Daten liegt bei den Herstellern.

Um diesen Prozess zu unterstützen, wird den Organisationen im österreichischen Gesundheitswesen empfohlen, die anfallenden Daten gezielt zu sammeln und mittels geeigneter Analysemethoden auszuwerten. KPMG unterstützt bei der Evaluierung moderner Data Analytics Tools. Die Hersteller können die strukturiert übermittelten Daten verwenden, um die Sicherheit und Wirksamkeit der eingesetzten Medizinprodukte zu gewährleisten und zu verbessern.

KPMG verfügt über umfangreiches Know-how im österreichischen Gesundheitswesen und unterstützt seine Kund:innen gesamtheitlich bei der Marktrecherche und der Vergleichbarkeitsprüfung von Medizinprodukten sowie der Bewertung regulatorischer Rahmenbedingungen. Den Organisationen werden Risiken und Chancen aufgezeigt und gemeinsam Maßnahmen entwickelt, um die Leistungserbringung langfristig sicherzustellen.

1 https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Ernste-Luecken-im-MedTech-Sortiment-zu-beklagen-423093.html
2 https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/nando/index.cfm?fuseaction=directive.notifiedbody&dir_id=34
3 https://www.bvmed.de/de/bvmed/presse/pressemeldungen/bvmed-informationskampagne-zur-eu-medizinprodukte-verordnung-wir-brauchen-jetzt-loesungen-mdready